Fliegen mit der X-31 im Grenzbereich - Absturz des deutsch-amerikanischen Sensations-Jets

Die deutsch-amerikanische X-31 im Grenzbereich
Außer Kontrolle – Absturz des Sensations-Jets

Veröffentlicht am 19.01.2025

Ende der 80er Jahre begann eine bis dahin einzigartige Kooperation zwischen den USA und Deutschland: die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), die US Navy, die NASA und das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung taten sich zusammen, um im EFM-Programm (Enhanced Fighter Maneuverability) neue Steuerungsmöglichkeiten für künftige Kampfflugzeuge zu erproben. Im Mittelpunkt stand die Erhöhung der Wendigkeit durch Schubvektor-Steuerung. Spezielle Paddel lenkten den Abgasstrahl ab und ermöglichten so bis dato unmögliche Flugmanöver.

Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) und Rockwell bauten schließlich zwei Exemplare der X-31. Der Erstflug erfolgte am 11. Oktober 1990. Die Erprobung lief trotz der Innovationen äußerst reibungslos. Dies sollte sich jedoch am 19. Januar 1995 dramatisch ändern. An diesem Tag stand der 292. und letzte für die erste Maschine vorgesehene Testflug an. Doch der Jet (Seriennummer 164584) sollte nicht mehr nach Edwards zurückkehren.

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Fliegen in die Wolken verboten

Bis auf ein Detail war alles Standard: Die X-31 hatte ein neues Staurohr erhalten, das bei hohen Anstellwinkeln bessere Daten lieferte. Die gemessenen Daten fließen direkt in die Flugsteuerungs-Computer und sind für eine sichere Kontrolle des Fluggeräts unerlässlich. Diese Kiel-Probe war im Vergleich zur bisherigen Ausführung etwas nach unten geneigt. Sie erwies sich jedoch als anfälliger für Vereisung – und verfügte nicht über eine Beheizung. Schließlich war der Betrieb der X-31 bei niedrigen Temperaturen verboten, normalerweise kein Problem in der kalifornischen Mojave-Wüste. Auch das Durchfliegen von Wolken war wegen der Feuchtigkeit tabu.

Detail Pitot-Rohr als Unfallverursacher
NASA

Sonde nicht angeschlossen

Aber dieser Tag war nicht normal, wie die NASA in einem ausführlichen Video-Bericht über das Unglück beschreibt: Über der Edwards AFB herrschte ungewöhnlich viel Feuchtigkeit. Daraufhin schaltete der deutsche Testpilot Karl-Heinz Lang die Beheizung des Pitot-Systems an und gab die Betätigung per Funk an die Bodenstation durch. Diese merkte an, dass das System aber nicht an die Kiel-Sonde angeschlossen war – allerdings nur intern. Dem Piloten teilten sie dies erst zwei Minuten später mit, allerdings nicht so eindringlich, wie es nötig gewesen wäre. "Wir glauben, dass es (die Pitot-Beheizung) vielleicht nicht angeschlossen sein könnte", hieß es lediglich. Wenig später gab der Pilot seine angezeigte Geschwindigkeit von 207 Knoten (383 km/h) bei einem Anstellwinkel von 20 Grad durch. Aber niemand fiel auf, dass der Wert höchsten im Bereich von 140 Knoten hätte liegen dürfen.

X-31 mit F/A-18 als Begleitflugzeug
NASA

Keine Kommunikation

Auch der Pilot der als Begleitflugzeug dienen F/A-18 Hornet konnte nicht intervenieren – ganz einfach aus dem Grund, weil er die Kommunikation der X-31 mit dem Boden aufgrund eines Übertragungsproblems nicht hören konnte. Sonst wäre ihm der gravierende Unterschied aufgefallen, schließlich flog er so schnell wie seine Begleitung. Die Pitot-Sonde der X-31 war mitlerweile zugefroren und lieferte falsche Geschwindigkeitsdaten. Für genau diesen Fall hatten die Ingenieure eine Notlösung eingebaut: Im Cockpit konnte der Pilot den "R3-Schalter" betätigen und so die Verwendung von gemessene Luftdaten für die Steuerung abschalten. Dies hätte das Flugzeug auf vorher fixierte Werte zurückgesetzt und es weiterhin beherrschbar gemacht.

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Falsche Werte fallen nicht auf

Aber niemand realisierte die Abweichungen. Weil die Vereisung relativ langsam erfolgte und nicht plötzlich auf einen Schlag unplausible Werte anzeigte, gab auch die Software keine Warnung aus. Dabei verfügte der Jet sogar über einen zweiten Luftdatenmesser als Back-up, der nicht so anfällig für Vereisung war. Die Anzeige befand sich in Höhe des rechten Knies des Piloten – aber er beachtete sie nicht. Aufgrund der falschen Werte funktionierte der letzte vorgesehene Testpunkt nicht. Aber auch hier gab es kein Aufsehen, stattdessen sollte Lang zur Basis zurückkehren.

Führerlose X-31 im Sturzflug
NASA (Screenshot)

Keine Kontrolle mehr

Im Sinkflug verschlimmerten sich jedoch die Probleme: Aufgrund der inkorrekten Geschwindigkeitswerte führte das Flugsteuerungssystem plötzlich falsche Kommandos aus, und die X-31 zog steil nach oben. Lang konnte nicht gegenhalten und betätigte gerade noch rechtzeitig den Schleudersitz – das Forschungsflugzeug war komplett außer Kontrolle geraten. Weniger als vier Minuten nach dem Betätigen der Pitot-Beheizung schlug der Jet nördlich des Flugplatzes auf.

Vorführung in Le Bourget

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Programm als äußerst zuverlässig und erfolgreich erwiesen. Als Höhepunkt war im Juni die Vorführung auf der internationalen Luftfahrtmesse in Le Bourget geplant. Nur 84 Tage nach dem Absturz war die verbliebene X-31 (Nummer 164585) wieder in der Luft und lieferte in Paris schließlich eine viel beachtete Demonstration ab. Heute hat sie in der Historischen Flugwerft in Oberschließheim eine verdiente Ruhestätte gefunden.