Gleich mehrere Anforderungen hatte das Antonow-Konstruktionsbüro Anfang der 60er Jahre beim neuen, schweren Transporter zu bewältigen. Im Rahmen des damaligen strategischen Konzepts sollte das neue Muster Interkontinental-Raketen zu den Startsilos bringen. Die Beförderung vom Flugplatz zur Startanlage übernahm ein Hubschrauber – dazu entstand die Mil W-12. Neben dieser (später aufgegebenen) Spezialaufgabe hatte der zu entwickelnde Typ normale Transportaufgaben für die Rote Armee zu erfüllen, und musste auch für zivile Frachteinsätze geeignet sein. Die resultierenden Maße des Frachtraums und die maximale Nutzlast von 50 Tonnen stellte die Ingenieure vor so manche Herausforderung.
So machte die große Frachtluke aus Stabilitätsgründen im Gegensatz zu den bisherigen Antonow-Transportern ein zweiteiliges Endscheibenleitwerk notwendig. Als Antrieb kam der Turboprop NK-12MV von Kusnetsow zum Einsatz, der unter anderem von dem Tupolew-Bomber Tu-95 Bear bekannt war. Die Arbeiten gingen relativ zügig voran, und schon im Sommer 1964 war der erste Prototyp fertig. Er trug die Kennung SSSR-46191. Im August begannen erste Rollversuche auf dem Werksflughafen Swjatoschyn bei Kiew. Allerdings sorgten Probleme mit dem Fahrwerk, der Hydraulik und des Bedruckungssystems für zeitaufwendige Modifikationen.

Nur knapp vier Monate nach seinem Erstflug landete der An-22-Prototyp in Le Bourget.
Erstflug trotz Eis
Erst im Frühjahr 1965 war alles bereit. Jedoch musste der Erstflug um eine weitere Woche verschoben werden, da der als Kapitän vorgesehene Testpilot Juri Koorlin krank wurde. Am 27. Februar schließlich rollte die An-22 zum Start und hob ohne Probleme nach rund 1200 Metern ab. Der aus Sicherheitsgründen am Ende der nur knapp 1800 Kilometer langen Startbahn aufgeschüttete Sand für den Fall eines Startabbruchs war also überflüssig. Er hätte indes seinen Zweck nicht erfüllt, da er über Nacht gefroren war. Die Landung des Riesen sollte eigentlich auf dem Flugtestgelände Kiew-Hostomel erfolgen. Aber hier wies die Piste aufgrund der Witterung Unebenheiten auf, so dass die neue Antonow auf den Fliegerhorst Uzin auswich. Erst am 10. Mai erfolgten die Erprobungsflüge ab Hostomel.
Premiere in Le Bourget
Das Vertrauen in den nun nach einem Riesen aus der griechischen Mythologie "Antheus" genannten Giganten war so groß, dass man ihn nur knapp vier Monate nach dem Jungfernflug zum internationalen Aerosalon schickte. Am 15. Juni 1965 landete das damals größte Flugzeug der Welt in Le Bourget bei Paris und sorgte für enormes Aufsehen. Die Serienfertigung erfolgte in Taschkent und endet im Januar 1976. Insgesamt entstanden 66 Exemplare plus zwei Testzellen. Sie flogen größtenteils bei den sowjetischen und später russischen Luftstreitkräften. Dort behielten sie ihren zivilen Anstrich und die Registrierungen bei. Nur eine Maschine erhielt einen Tarnanstrich.
Die letzten Riesen
Heute ist der eindrucksvolle Sound der An-22 fast verstummt. Zuletzt betrieb Antonow ein Exemplar für Fracht-Charter-Einsätze, und in Russland verfügte das Militär über eine Handvoll Maschinen. Aber die ukrainische "Antei" erlitt bei den Kampfhandlungen in Kiew-Hostomel schwere Schäden, und die wenigen russischen Transporter sollten eigentlich im vergangenen Jahr außer Dienst gehen. Zuletzt gab es in Twer-Migalowo wohl nur noch zwei flugfähige Vertreter, die RA-09309 und die RA-09341. Aber noch fehlt eine definitive Bestätigung ihres Betriebsendes – vielleicht haben sie eine letzte Gnadenfrist erhalten.