FCAS und Tornado-Nachfolger: Neue Jets für die Luftwaffe

FCAS-Projekt und Tornado-Nachfolger
Neue Kampfjets für die Luftwaffe

Veröffentlicht am 20.04.2019
Neue Kampfjets für die Luftwaffe
Foto: Dassault

Geopolitische Veränderungen, von einer aggressiveren Haltung Russlands bis hin zu den Aktionen der Trump-Administration in den USA, stellen die europäischen Staaten im Bereich der Sicherheitspolitik vor neue, so noch nie dagewesene Herausforderungen. Wenn man eine zunehmende Bedrohung konstatiert und den Eindruck hat, sich auf die Vereinigten Staaten nicht mehr verlassen zu können, bleibt eigentlich nur noch, seine eigenen Verteidigungsanstrengungen zu erhöhen.

Airbus

Deutschland und Frankreich arbeiten zusammen

Im Rüstungsbereich rückt dabei die „Sicherung der Souveränität und Technologieführerschaft Europas“ ins Zentrum der Überlegungen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Emanuel Macron im Mai 2017 hat insbesondere die deutsch-französische Zusammenarbeit neuen Schwung bekommen. „Beide Staaten (...) intensivieren die Erarbeitung gemeinsamer Verteidigungsprogramme und deren Ausweitung auf Partner. Hierdurch beabsichtigen sie, die Wettbewerbsfähigkeit und Konsolidierung der europäischen verteidigungstechnologischen und -industriellen Basis zu fördern. Sie unterstützen die engstmögliche Zusammenarbeit zwischen ihren Verteidigungsindustrien.(...) Beide Staaten werden bei gemeinsamen Projekten einen gemeinsamen Ansatz für Rüstungsexporte entwickeln“, heißt es dazu ausdrücklich im Vertrag von Aachen vom 22. Januar.

Entsprechend genießt das Projekt der Entwicklung eines gemeinsamen neuen Kampfflugzeugs (Next Generation Fighter), eingebettet in ein umfassendes System mit unbemannten Fluggeräten, neuen Waffen und einer Vernetzung aller Plattformen (FCAS = Future Combat Air System), in Berlin und Paris höchste Priorität. Auf die Ankündigung durch Merkel und Macron am 13. Juli 2017 folgte am 19. Juni 2018 eine deutlicher umrissene Absichtserklärung, die nun am 31. Januar zu einem ersten konkreten Auftrag geführt hat.

FCAS-Konzeptstudie

Dassault Aviation und Airbus erhalten 65 Millionen Euro für eine FCAS-Konzeptstudie. Diese basiert auf einer gemeinsamen Fähigkeitsanforderung, die im April 2018 auf der ILA in Berlin von den beiden Verteidigungsministerinnen abgezeichnet wurde, sowie vorhergehenden nationalen Konzeptstudien.

Französisches Verteidigungsministerium

Ziel der aktuellen Studie ist es, die verschiedenen FCAS-Fähigkeiten zu definieren und so die Grundlagen für anschließende Entwicklungsprogramme zu erarbeiten. Eine „vollständige Funktionsfähigkeit“ wird bis 2040 angestrebt. Auf dem Weg dahin sind Demonstrator- Programme vorgesehen, deren Start bereits zur Paris Air Show im Juni erfolgen soll. Ehrgeizige Ziele also, die nicht nur Dassault Aviation als Programmführer für die Flugzeugentwicklung und Airbus/Dassault für die generelle Systemarchitektur betreffen, sondern die gesamte Luftfahrtindustrie. Um zum Beispiel ein wirklich leistungsstarkes bemanntes Kampfflugzeug der sechsten Generation zu entwickeln, muss eine ganze Reihe von Technologien verfügbar sein, von Stealth über Sensoren bis hin zu künstlicher Intelligenz.

Dassault

Triebwerke: Partnerschaft zwischen Safran und MTU

Auch im Triebwerksbereich gibt es einiges zu tun. Hier übernehmen Safran Aircraft Engines und MTU Aero Engines „gemeinsam die Führungsrolle bei der Entwicklung, Fertigung und Betreuung des Antriebs“. Es geht um die „besten Technologien in Kombination mit einer neuartigen Triebwerksarchitektur“, hieß es bei der Ankündigung der Kooperation am 6. Februar.

Airbus

Im Rahmen dieser Partnerschaft wird Safran Aircraft Engines für die Auslegung und Integration des Triebwerks zuständig sein, während MTU die Führungsrolle bei Instandhaltung und Support während des Betriebs übernehmen wird. Mit Blick auf die einzelnen Bauanteile wird die MTU für die Hoch- und Niederdruckverdichter sowie die Niederdruckturbine verantwortlich sein, Safran für die Brennkammer, die Hochdruckturbine und den Nachbrenner.

Die Industriepartner streben ein ausgeglichenes deutsch-französisches Verhältnis der Programmanteile an, unter der Annahme einer ausgewogenen Finanzierung durch Frankreich und Deutschland. Man wolle das Programm „effizient und zielgerichtet vorantreiben“, so die beiden Hersteller.

Aus alten Fehlern lernen

Die Fehler aktueller europäischer Rüstungsprogramme nicht zu wiederholen ist ein wesentliches Anliegen. Weniger Partner wären diesbezüglich hilfreich, doch angesichts der enormen Kosten (die Entwicklung der Lockheed Martin F-35 hat etwa 55 Milliarden Dollar verschlungen) ist eine Beteiligung möglichst vieler Länder wünschenswert. Eine Zersplitterung wie derzeit mit Eurofighter, Rafale und Gripen kann man sich eher nicht erlauben, auch wenn der Brexit eine mögliche Zusammenarbeit mit BAE Systems erschwert.

Mit dabei ist auf jeden Fall Spanien, das am 14. Februar eine Absichtser-klärung zur Beteiligung am FCAS unterschrieb – „zu gleichen Bedingung wie Frankreich und Deutschland“, wie Spaniens Verteidigungsministerin Margarita Robles betonte.

Luftwaffe sucht Tornado-Nachfolger

Bundeswehr

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zeigte unterdessen auf der Münchner Sicherheitskonferenz weites Entgegenkommen bei einem kritischen Aspekt: Bei den Richtlinien für Rüstungsexporte müsse Deutschland anerkennen, dass die eigenen Maximalpositionen nicht mehrheitsfähig seien. „Wir Deutsche sollten nicht so tun, als seien wir moralischer als Frankreich oder menschenrechtspolitisch weitsichtiger als Großbritannien.“

Dass momentan vieles einem Erfolg des FCAS untergeordnet wird, zeigt auch die Position des Ministeriums bei der laufenden Suche nach einem Tornado-Nachfolger. Zu den wesentlichen Entscheidungskriterien zählt hier „die Harmonisierung zum binationalen Zukunftsprojekt Future Combat Air System“, ließ Staatssekretär Thomas Silberhorn den Bundestag wissen.

Die F-35 ist aus dem Rennen

US Air Force

Entsprechend kam die Lockheed Martin F-35 nicht in die engere Auswahl. Das erfreut vor allem Airbus, wo man viel Lobbyarbeit in die Abwehr der Lightning II gesteckt hatte. Am 31. Januar wurde, laut Silberhorn, vielmehr entschieden, „die beiden Waffensysteme Eurofighter und F/A-18 im Weiteren als Lösungsoptionen zu untersuchen“. Weggefallen ist damit seit Angebotsabgabe im April 2018 auch die F-15 Eagle.

Die Luftwaffe bekommt also keinen Stealth-Kampfjet der fünften Generation, wie es der frühere Inspekteur Karl Müllner noch Ende 2017 vehement gefordert hatte. Die Boeing Super Hornet bietet immerhin den Vorteil, dass es die Spezialvariante EA-18G Growler für die elektronische Kampfführung gibt, eine Fähigkeit, die Deutschland der NATO zugesagt hat. Was die Nuklearbomber-Rolle betrifft, müssten sowohl die F/A-18 als auch der Eurofighter erst von den USA für die B61-12-Bombe zertifiziert werden. Ob das Pentagon da beim europäischen Flugzeug mitspielt, ist eine interessante politische Frage.

USS Theodore Roosevelt (CVN 71) Deployment FY 2018
US Navy

Die Politik hat das letzte Wort

Die Spekulationen kreisen nun darum, dass die Luftwaffe auf jeden Fall 33 zusätzliche Eurofighter beschafft, um Flugzeuge aus der Tranche 1 zu ersetzen, die sich nicht modernisieren lassen. Beim Ersatz der in Büchel (Atombomben) und Jagel stationierten Tornados lässt sich trefflich über einen Mix streiten. Gingen die Rollen SEAD/EloKa und nukleare Teilhabe an die F/A-18, würde man dafür vielleicht 40 bis 50 Flugzeuge benötigen. Für die Jagdbomberrolle würden zusätzliche Eurofighter beschafft und ihr Waffenarsenal erweitert. Aber wie gesagt, das ist derzeit alles Spekulation, denn die endgültige Entscheidung ist eine politische, und da spielen sachliche Überlegungen oft die geringste Rolle.