F-35B nisten sich auf Italiens Flugzeugträger Cavour ein

Kurzstart-Stealth-Fighter für die Cavour
F-35B nisten sich auf Italiens Flugzeugträger ein

Veröffentlicht am 06.04.2024

"Die Gruppe befindet sich in einer komplexen Metamorphose, die noch Zeit brauchen wird", erklärte Capitano di Fregata G.B. "Gianba" Molteni, Kommandant der GRUPAER (Gruppo Supporto Aerei Imbarcati oder Marinefliegergeschwader) zur Einführung der F-35B. "Dennoch ist es notwendig, die anfängliche Einsatzfähigkeit (Initial Operational Capability, IOC) bald zu erreichen, da es wichtig ist, die Einsatzfähigkeit des Trägers und der mit ihm verbundenen Carrier Strike Group sicherzustellen. Derzeit wird davon ausgegangen, dass wir die IOC im Jahr 2024 erreichen, während die Erreichung der vollen Einsatzfähigkeit wohl bis 2030 dauern wird. Es ist sehr wichtig, die Fähigkeit zur vollständigen Integration der taktischen Flugzeuge der fünften Generation sowohl in die Trägergruppe als auch in den nationalen Verteidigungsapparat zu erreichen. Wir müssen also von einem System der dritten Generation zu einem System der fünften Generation übergehen, das in gemeinsame, kombinierte und bereichsübergreifende Operationen integriert werden muss."

R. Niccoli

Endmontage in Italien

Die Einführung der Lockheed Martin F-35B zieht sich also lange hin, denn die ersten Maschinen erhielt die Marina Militare bereits 2018. Ursprünglich sahen die italienischen Pläne den Erwerb von 22 Exemplaren vor. Nach der von der Regierung Monti im Jahr 2012 beschlossenen Ausgabenkürzung wurde die Gesamtzahl jedoch auf 15 reduziert, die alle in der FACO (Final Assembly & Check Out) in Cameri endmontiert werden sollen. Diese Einrichtung befindet sich im Besitz des Ministero Difesa (italienisches Verteidigungsministerium), wird aber von Leonardo geleitet.

Ausbildung anfangs in Beaufort

Der erste Kontakt eines Marina-Piloten mit der F-35B fand 2017 statt, als Capitano di Fregata G. B. "Gianba" Molteni, der bereits als Testpilot an der US Navy Test Pilot School qualifiziert war, den Senior Course für Testpiloten in Beaufort (Marine Corps Air Station) absolvierte. Das erste Flugzeug für die Marina mit der Baunummer BL-01 (militärische Seriennummer MM.7451) absolvierte seinen Erstflug am 24. Oktober 2017 und wurde am 25. Januar 2018 an die GRUPAER ausgeliefert. Fünf Tage später machte es sich auf den Weg nach Patuxent River in Virginia, wo es die Testphase für elektromagnetische Effekte (EEE) bei der Abteilung Integrated Battlespace Simulation and Test (IBST) des Naval Air System Command durchlaufen musste. Nach Abschluss der Tests wurde das Flugzeug auf den Stützpunkt Beaufort verlegt, wo die VMFAT-501 beheimatet ist, die damals einzige Einheit der Marines, die sich mit der Umschulung amerikanischer und internationaler Piloten auf die F-35B befasste.

R. Niccoli

Marine oder Luftwaffe?

Am 13. Oktober 2018 flog die zweite italienische F-35B ("4-02") in Cameri, aber die Entscheidung, ob sie der Marina oder der Aeronautica Militare (italienische Luftwaffe) zugewiesen werden sollte, führte zu monatelangen Diskussionen. Im April 2019 wurde sie schließlich auf der Grundlage einer Entscheidung des Verteidigungsministeriums der Marina zugewiesen und für die Pilotenausbildung auch auf den Stützpunkt Beaufort verlegt. Im Juni 2019 wurde eine Abordnung der Rappresentanza Militare Italiana (RMI, italienische Militärvertretung) in Beaufort aktiviert, zeitgleich mit dem Beginn des ersten "B-Kurses" für die ersten sechs Piloten der Marina.

Längere Erprobung

Im Januar 2021 begann die Marina mit der Kampagne "Ready for Operations 2021", die darauf abzielte, die Seeerprobung für die Zertifizierung des Flugbetriebs der F-35B vom Flugzeugträger Cavour aus durchzuführen. Diese Kampagne wurde im März in den Vereinigten Staaten vor der Küste von Virginia unter der Leitung und in Zusammenarbeit mit Lockheed Martin und der Integrated Test Force (ITF) der US Navy durchgeführt, die ein Team von 180 Personen und zwei F-35B der Staffel VX-23 auf der Cavour einsetzte. Am 30. Juli 2021 konnte die Marina ihr drittes Exemplar der F-35B mit der Baunummer BL-04 in Empfang nehmen, da dessen Vorgänger (BL-03) der Aeronautica zugewiesen worden war. Im November, als die Carrier Strike Group UK im Mittelmeer operierte, landeten zum ersten Mal eine F-35B der Marina und eine weitere der Aeronautica auf dem Deck des britischen Flugzeugträgers und wiesen damit die hohe Interoperabilität der italienischen Mittel und Piloten in einem multinationalen Kontext nach. Am 15. März 2023 schließlich erhielt die GRUPAER ihr viertes Flugzeug (BL-06, Kennung "4-04").

Italienische Marine

Ablösung der AV-8B

Derzeit betreibt die Gruppe auch noch ihre Harrier – die inzwischen mehr als dreißig Jahre alt sind. Die AV-8B Plus ist ein äußerst nützlicher Helfer in der gegenwärtigen Phase der operationellen Versuche des F-35B-Systems. Sie spielt bei Red-Air-Einsätzen den Gegner und dient als Begleitflugzeug für die Entwicklung von Szenarien, denn die Lightning II bietet ganz andere Fähigkeiten, zum Beispiel für seegestützte Expeditionseinsätze. Mit dem Ziel, den Flugbetrieb der GRUPAER zu rationalisieren und zu optimieren sowie den Übergang von der dritten zur fünften Generation zu vollziehen, betreibt die Gruppe heute die F-35B mit den erfahrensten Piloten der Harrier-Flotte, die weiterhin beide Typen fliegen. Dies hat sich als sehr nützlich erwiesen, da die Piloten der Red Air die Fähigkeiten der Lightning II genau kennen und die F-35B-Piloten auf eine harte Probe stellen können, was den Realitätsgrad und den Schwierigkeitsgrad der Missionen erhöht.

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Mehr F-35B geliefert

Die Ausmusterung der AV-8B-Plus-Flotte, die mit dem Ende des italienisch-amerikanischen MoU (Memorandum of Understanding) im Jahr 2024 zusammenfallen sollte, wird derzeit um weitere zwei Jahre bis 2026 verschoben, so dass die Harrier weiterhin für die Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Piloten der GRUPAER, die auf den Abschluss ihrer F-35B-Umrüstung warten, eingesetzt werden können. In Anbetracht der Tatsache, dass das US Marine Corps seine Harrier erst im Jahr 2030 in den Ruhestand zu schicken gedenkt, ist es möglich, dass auch die Italiener den Dienst ihrer eigenen Flugzeuge verlängern könnten. Die F-35 kann dank ihrer Allround-Fähigkeit für die Luftverteidigung, Angriffs-, SEAD- und CAS-Einsätze verwendet werden. Anfang 2024 wurde die GRUPAER-Flotte um zwei neue F-35B (BL-07 und BL-08) erweitert. Im Laufe des Jahres sollen BL-09 und BL-10 eintreffen, wodurch die GRUPAER in der Lage sein wird, von der Cavour aus eine brauchbare Flotte im Kontext einer ersten seegestützten Expeditionskapazität innerhalb der nationalen Militärstruktur einzusetzen.

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Vom Marine Corps ausgebremst

Dennoch darf nicht vergessen werden, dass die Gruppe auch weiterhin mit der Umschulung ihrer Piloten zu tun hat: 2022 wurde die Marina (und folglich auch die Aeronautica) von der Einstellung der internationalen Ausbildungsaktivitäten des US Marine Corps unliebsam überrascht. Am 30. November 2022 wurde die Abteilung des italienischen RMI in Beaufort geschlossen, und die beiden dort stationierten Flugzeuge kehrten im Dezember nach Italien zurück.

R. Niccoli

Luftwaffe bildet mit aus

Um dieses Problem zu überwinden, wurde im Januar 2023 eine Vereinbarung zwischen der Marina und der Aeronautica Militare (unter der Bezeichnung "Notlösung 2023") unterzeichnet, die die Durchführung der Umschulung von Marina-Piloten auf die F-35B auf dem Luftwaffenstützpunkt Amendola vorsieht. Dank der Unterstützung der Aeronautica Militare ist der 32° Stormo in der Lage, den "B-Kurs", der mit der Marinestaffel VMFAT-501 durchgeführt wurde, vollständig zu ersetzen. Er ist identisch strukturiert und nutzt die Simulatoren der Aeronautica und die F-35B der Marina, um die etwa 80 notwendigen Missionen durchzuführen.

Komplexe Unterstützung

Was die Wartung betrifft, so folgt die F-35B dem für alle Lightning II geltenden System, beginnend mit einem "O-Level", auf Geschwaderebene. Diese Arbeiten bestehen aus mehreren Inspektionen und vorbeugenden Maßnahmen mit Unterstützung des logistischen Informationssystems ALIS. Das "D-Level" wird in Cameri durchgeführt. Nach den ersten Erfahrungen scheint die technische Unterstützung vor Ort im Allgemeinen sehr überschaubar zu sein, während die logistische und technische Unterstützung angesichts der von Lockheed Martin geforderten strengen Verfahren komplexer und komplizierter ist.

R. Niccoli

Zuletzt gilt es noch die Infrastruktur zu erwähnen, da der Marinestützpunkt in Grottaglie aufgrund der Ausgabenüberprüfung aus dem F-35-Programm gestrichen und die 2009 begonnenen Arbeiten zur Anpassung des Stützpunkts an die F-35 im Jahr 2016 ausgesetzt wurden. Diese Entscheidung wurde zwar im Juni 2022 rückgängig gemacht, aber Verzögerungen sind nun unvermeidlich. Die ursprünglich geplanten Modernisierungsmaßnahmen dürften nicht vor 2027 fertig sein. Derzeit fliegen die F-35B so noch in Amendola.