Schon der Gründer der modernen Türkei, Kemal Atatürk, wusste: "Die Zukunft liegt in der Luft. Nationen, die ihren Himmel nicht verteidigen können, werden nie sicher ihrer Zukunft sein." Dieses Motto hat sich das Anatolian Eagle Training Center (AETC) der türkischen Luftwaffe in Konya auf die Fahnen geschrieben. Das Zentrum dient zum Training der eigenen Streitkräfte, bietet aber auch sehr realistische, multinationale Übungsbedingungen für verbündete Nationen. Sowohl Infrastruktur als auch technologische Möglichkeiten werden kontinuierlich ausgebaut, um die komplexe Dynamik moderner Luftkriegsführung zu simulieren. Daher gilt die Einrichtung als einzige ihrer Art in Europa. Weltweit existiert nur eine Handvoll von vergleichbaren Übungszentren (darunter Red Flag in den USA und Maple Flag in Kanada).
Nach einer Pause im letzten Jahr aufgrund von Baumaßnahmen fand nun wieder eine internationale Ausgabe von Anatolian Eagle statt. Die vom 23. Juni bis 4. Juli laufende Übung bot dabei eine Reihe von Premieren: "Das Training basierte auf der Realität moderner, dynamischer und multidimensionaler Kriegsführung", erklärte Major Ekrem Cekin, Kommandeur des AETC. "Die Szenarios reflektierten eine hohe Bedrohungslage, und schlossen fortschrittliche Luftverteidigungssysteme und asymmetrische Bedrohungen ein." Zum ersten Mal spielte auch das Abfangen von Abstandsflugkörpern eine wichtige Rolle. Die Teilnehmer übten das Entdecken, Identifizieren und Neutralisieren solcher Cruise Missiles in Zusammenarbeit mit bodengestützten Systemen. Dazu zählte auch ein entsprechender Massenangriff der roten Streitkräfte.
An heutige Konflikte angepasste Szenarien
Erstmals bei einer internationalen Übung führten die Partner gemäß den Worten des AETC-Chefs auch Krisenszenarien im Vorfeld eines Kriegsausbruchs durch. In diesem Rahmen übten die Piloten unter anderem Abschreckungseinsätze, um einen Überraschungsangriff zu verhindern.
Darüber hinaus führte man Luftschläge gegen einen fiktionalen Gegner namens "Red Country" durch, der im Konya-Übungsgelände über echte Luftverteidigungssysteme verfügte. Die Operation schloss daher Missionen zur Unterdrückung der gegnerischen Luftabwehr (Suppression of Enemy Air Defenses, SEAD), aber auch integrierte Air-to-Air- und Air-to-Ground-Einsätze ein. Zur Störung und Täuschung kamen türkische Systeme zur elektronischen Kriegsführung zur Anwendung, einschließlich GPS-Störreinrichtungen. In diesem Jahr liefen die von den Besatzungen geplanten Missionen vor dem eigentlichen Flug auch in einem Simulator-Programm. Nach den Einsätzen deckten sich die tatsächlichen Ergebnisse zu 90 Prozent mit den Berechnungen. "Dies zeigt, wie realistisch Anatolian Eagle ist", erklärte Cekin.

Für die Ausschaltung der gegnerischen Luftabwehr waren auch die saudischen F-15 Eagle zuständig.
Erstmals Kampfeinsätze mit Drohnen
Außerdem kamen zum ersten Mal Produkte der türkischen Verteidigungsindustrie auf internationaler Ebene zum Einsatz. Dies galt auch für die unbemannten Fluggeräte Akinci, Anka-S und die Stealth-Jet-Drohne Anka III, die als weitere Premiere auch Kampfeinsätze flogen. Bemannte Kampfjets unterstützten und beschützten sie dabei. Somit lieferte Anatolian Eagle wertvolle Erkenntnisse zur Integration unbemannter Flugsysteme in verbundene Luftkriegsoperationen. Zur Darstellung von Cruise Missiles dienten die Radar-Täusch-Flugkörper Simsek und Süper Simsek.
Weltraum und Cyberspace
"Heute ist Luftmacht ein Pfeiler der Abschreckung, regionalen Stabilität, strategischer Reichweite und humanitärer Hilfe. Moderne Konflikte sind nicht mehr auf Land oder See beschränkt", meinte Major Cekin. "Sie spannen sich über den Cyberspace, den Weltraum, das elektromagnetische Spektrum bis in die Informationswelt. Wer hier nicht den Himmel dominiert, kann auch am Boden keinen Sieg erlangen. Übungen wie Anatolian Eagle bereiten uns auf die Bedrohungen von heute und die unvorhersehbaren Herausforderungen von Morgen vor."
Der besondere Wert des Manövers liege auch in der Zusammenarbeit verschiedener Nationen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. "Das Training geht über Taktik hinaus, es baut Vertrauen auf, verbessert die Interoperabilität und verstärkt Allianzen."

Nur selten im Ausland zu sehen sind die Suchoi Su-25 aus Aserbaidschan.
85 Flugzeuge beteiligt
In den knapp zwei Wochen absolvierten die Teilnehmer 415 Einsätze und 786 Flugstunden. Rund 75 Fluggeräte und Schiffe sowie mehr als 1000 Menschen waren beteiligt. Bei den Nationen vor Ort hätte es beinahe noch mehr Premieren gegeben, aber die Luftstreitkräfte des Oman (mit F-16) und Ägypten (ebenfalls mit der Fighting Falcon) sagten kurzfristig ab. Auch Pakistan nahm wohl aufgrund der Spannungen mit Indien nicht wie geplant mit der JF-17 Thunder teil, und die F-16E/F der Vereinten Arabischen Emirate blieben ebenfalls zu Hause. Aber auch so konnte sich das Teilnehmerfeld mit einer einzigartigen Mischung sehen lassen.
Das größte Kontingent stellte die US Air Force mit zwölf F-16C des 31st Fighter Wings aus Aviano. Jordanien steuerte drei weitere Fighting Falcons bei. Aus Katar kamen drei Eurofighter. Sie flogen allesamt in Mehrzweckrollen. Die sechs saudischen F-15SA Eagle hatten zusätzlich noch SEAD-Aufgaben. Die drei Gripen aus Ungarn konzentrierten sich auf Luft-Luft-Einsätze, während die zwei Suchoi Su-25 aus Aserbaidschan Bodenangriffe durchführten. Für die Frühwarnung und Überwachung sorgten E-3 AWACS der NATO und E-7 der Türkei.

Die F-4E Phantom führte zwar den Elephant Walk an, nahm aber nicht mehr aktiv an der Übung teil.
Spektakulärer Elephant Walk
Zusätzlich zu den 30 internationalen Flugzeugen kamen 45 Exemplare der Türkei, darunter 29 F-16 von sieben Staffeln. Auch ein KC-135-Tanker war mit von der Partie. Sehr zur Freude von mehr als 1000 aus der ganzen Welt angereisten Luftfahrtfotografen organisierten die Veranstalter am vorletzten Übungstag einen Elephant Walk, bei dem sich zahlreiche Kampfflugzeuge auf der Runway versammelten und langsam vorbeirollten. Anschließend starteten sie zu ihrer Mission. Angeführt hatte den Pulk die F-4E in der Sonderlackierung zum 50. Jubiläum des Kampfjets in der Türkei. Im Gegensatz zu früheren Ausgaben von Anatolian Eagle nahm die Phantom jedoch nicht mehr aktiv an der Übung teil.
Seit der ersten Ausgabe im Jahr 2001 gab es 55 Übungen mit insgesamt 3394 Flugzeugen, 27.073 Einsätzen und 45.628 Flugstunden. Nicht nur aufgrund der internationalen Situation dürften in Zukunft noch viele hinzukommen.