Die ziemlich geschrumpften Luftstreitkräfte vieler westlicher Länder benötigen zwar längst nicht mehr so viele Piloten wie noch zu Zeiten des Kalten Kriegs, doch die knappen Kassen zwingen auch im Bereich der Ausbildung zur Kostenoptimierung. „Die Kunden wollen besser ausgebildete Crews in der gleichen Trainingszeit. Sie haben auch in diesem Bereich kein Geld mehr zu verschenken“, weiß Emanuele Merlo, bei Alenia Aermacchi für das Integrierte Trainingssystem des Unternehmens zuständig.
Ziel muss es deshalb sein, die Kosten der „Pilotenproduktion“ deutlich zu senken. Dies erfordert es aus Sicht der italienischen Spezialisten, mit möglichst preisgünstigen Flugzeugen einen möglichst großen Teil der Schulung zu absolvieren. Das nicht ganz neue Konzept des „Downloading“ sieht vor, dass die angehenden Fighterpiloten sich viele Fähigkeiten auf leichten Jets und Fortgeschrittenentrainern aneignen. Extrem teure Stunden auf Kampfflugzeugen wie Eurofighter oder F-35 können dann bei der Schulung bis zur Einsatzreife eingespart werden.
Das setzt laut Alenia Aermacchi allerdings voraus, dass die Schulflugzeuge nicht nur über modernste Avionik mit eingebauten Simulationsfunktionen für Radar und Waffeneinsatz verfügen, sondern auch bei Parametern wie Schub-Gewichts-Verhältnis, Wenderaten oder maximalem Anstellwinkel nicht zu stark gegen das Einsatzmuster abfallen. Einen direkten Umstieg von Hochleistungs-Turboprops auf Kampfjets, wie ihn die Schweiz mit der PC-21 derzeit praktiziert, ist in der Gesamtabrechnung zu teuer, finden die Italiener.
In Venegono Superiore, wo schon Jettrainer wie die MB-326 oder die MB-339 entstanden, wurde deshalb bereits Mitte der 1990er Jahre – zunächst in Kooperation mit Jakowlew– an einem neuen Hochleistungstrainer gearbeitet. Wie die Jak-130 und Chinas Hongdu L-15 setzt die M-346 auf eine kompakte Zelle und Sicherheit durch zwei Triebwerke. Die aerodynamische Auslegung erlaubt Anstellwinkel von bis zu 40 Grad und Rollraten von über 200 Grad pro Sekunde. Dank des elektronischen Steuersystems können die Flugeigenschaften variiert werden.
Die Cockpits der M-346 Master entsprechen mit drei großen Farbbildschirmen (12,7 x 12,7 cm) und Head-up-Display dem aktuellen Stand. Sogar die Nutzung eines Helmdisplays von VSI ist möglich. Eine wesentliche Eigenschaft des Trainers ist es, dem Schüler auf seinen Displays eine ganze Reihe von Systemen und Szenarien zu simulieren. Radarwarnempfänger weisen auf Bedrohungen hin. Auf einem virtuellen Radarbild lassen sich bei Abfangübungen somit diverse gegnerische Flugzeuge einspielen. Wird dann eine (nicht real vorhandene) Lenkwaffe zu deren Bekämpfung gewählt und verschossen, ist auch das Ergebnis sichtbar.
Sobald die Entwicklung in etwa einem halben Jahr abgeschlossen ist, kann die M-346 auch in Szenarien mit einem Flügelmann operieren, der am Boden im Simulator sitzt. Das Integrated Training System von Alenia Aermacchi umfasst nämlich, wie heute üblich, auch ausgefeilte Missionssimulatoren. Dazu kommen unter der Kontrolle eines Managementsystems Verfahrenstrainer und für die Theorie computergestützte Ausbildungslektionen. Besonders relevant ist aus Sicht von Alenia Aermacchi auch die Verwendung von Missionsplanungs- und Debriefingsystemen, wie sie heute bei Einsatzmustern verwendet werden.
Man hat in Venegono Superiore also viel Aufwand betrieben, um mit Lieferanten wie CAE ein überzeugendes Komplettpaket zu schnüren. Dennoch dauerte es nach dem Erstflug der M-346 im Juli 2004 seine Zeit, bis sich erste Verkaufserfolge einstellten. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Zelle in den folgenden Jahren noch einmal deutlich umkonstruiert wurde, um Gewicht zu sparen und die Wartung zu vereinfachen.
Natürlich musste die Aeronautica Militare Italiana die Rolle des Erstkunden übernehmen. Mit Hilfe des Industrieministeriums wurden daher im November 2009 sechs Flugzeuge (plus neun Optionen) bestellt, die als T-346 bezeichnet werden. Die ersten beiden gingen im April 2011 an die Versuchsstaffel 311. Eines musste Alenia Aermacchi nach dem Absturz eines Prototyps im Mai 2013 zurückmieten, um noch ausstehende Flugtests durchzuführen. Beim Ausbildungszentrum der italienischen Luftstreitkräfte in Lecce sollen ab Mai weitere Versuche durchgeführt werden. Mit dem ersten Kurs auf der T-346 ist Anfang 2016 zu rechnen.
Singapur und Israel als Prestigekunden

Die Republic of Singapore Air Force ist da schon wesentlich weiter. Sie begann im März 2013 mit der Fortgeschrittenenausbildung auf der M-346, die wie zuvor mit der TA-4S in Cazaux im Südwesten Frankreichs durchgeführt wird. Bis März waren alle zwölf M-346 ausgeliefert. Singapurs Militär gilt als besonders anspruchsvoll und ist daher ein wichtiger Referenzkunde. Die Schulflugzeuge werden im Rahmen eines auf 20 Jahre angelegten Servicevertrags von einem Team unter Führung von ST Aerospace bereitgestellt. Boeing ist für die Simulatoren zuständig.
Auch in Israel konnte sich die M-346 gegen ihren Hauptkonkurrenten T-50 von Korea Aerospace Industries durchsetzen. Der im Juli 2012 unterzeichnete Vertrag für 30 Flugzeuge im Wert von etwa 500 Millionen Euro kam allerdings nur nach komplizierten Verhandlungen zustande und ist Teil eines größeren Deals zwischen Italien und Israel. So kauft Italien bei IAI im Gegenzug zwei Gulfstream-Frühwarnflugzeuge und einen Erdbeobachtungssatelliten (Optsat-3000). Die F124-Triebwerke wiederum werden mit Geldern der US-Militärhilfe direkt bei Honeywell beschafft. Für den Betrieb der in Israel als „Lavi“ bezeichneten M-346 haben IAI und Elbit die Gemeinschaftsfirma TOR gegründet. Elbit ist zudem für die Integration der Simulatoren zuständig. Einsatzbasis wird Hatzerim in der Negev-Wüste sein, wo sich die Flugschule der israelischen Luftstreitkräfte befindet.
Die erste M-346 für Israel rollte am 20. März feierlich aus der Halle. Sie soll mit einem zweiten Flugzeug am 10. Juli übergeben werden. 2014 müssen neun Flugzeuge geliefert werden, gefolgt von 18 im kommenden Jahr und den letzten dreien 2016. Ab Herbst 2016 soll auch Polen acht Master erhalten. Der Vertrag in Höhe von 280 Millionen Euro wurde am 27. Februar unterschrieben.
Mit vier Kunden hat sich die M-346 schon gut auf dem Markt etabliert. Weitere Verkäufe sind aber bei dem sehr schwankenden Markt für Schulflugzeuge schwer abzusehen. Der Jackpot-Gewinn wäre natürlich ein Verkauf an die US Air Force, die schon sein einigen Jahren über einen Nachfolger für seine T-38C Talon nachdenkt. Für das T-X-Programm, das es nach einigem Hin und Her in die Haushaltsvorlage 2015 geschafft hat, hat sich Alenia Aermacchi im Januar 2013 mit General Dynamics verbündet – Boeing als Partner kam diesmal nicht in Frage, denn das Unternehmen untersucht zusammen mit Saab eine Eigenentwicklung. Bei T-X trifft die in den USA als T-100 vermarktete Master ansonsten auf die üblichen Wettbewerber: T-50 (KAI/Lockheed Martin) und Hawk (BAE Systems/Northrop Grumman).
Angst vor der Konkurrenz hat man bei Alenia Aermacchi nicht. „Je mehr die Haushaltsmittel reduziert werden, desto besser sind unsere Chancen“, ist Emanuele Merlo überzeugt. Denn die M-346 kann nicht nur als Trainer in der Ausbildung, sondern auch für die Inübunghaltung im Verband eingesetzt werden, wofür Muster wie die F-35 viel zu teuer im Betrieb sind. Auch als leichter Kampfjet lässt sich die M-346 nutzen. Flugversuche mit Sidewindern und leichten Bomben wurden bereits durchgeführt.
Technische Daten





Allgemeine Angaben
Hersteller: Alenia Aermacchi
Besatzung: 2
Antrieb: 2 x ITEC (Honeywell) F124-GA-200
Schub: 2 x 27,9 kN
Abmessungen
Länge: 11,49 m
Höhe: 4,91 m
Spannweite: 9,72 m
Flügelfläche: 23,52 m2
Massen
Leermasse: ca. 4 900 kg
max. Außenlast: 3 000 kg
max. Kraftstoff intern: 2 000 kg
Zusatztanks: 1 515 kg
normale Startmasse, Trainer: 7 400 kg
max. Startmasse, bewaffnet: 10 200 kg
Flugleistungen
max. Horizontalgeschw.: 1 092 km/h
Überziehgeschwindigkeit: 176 km/h
max. Steigrate: 111,7 m/s
Dienstgipfelhöhe: 13 715 m
Startrollstrecke: 400 m
Landerollstrecke: 550 m
Reichweite: 1 980 km
Überführungsreichweite: 2 720 km
Einsatzradius,
Luftkampftrainingca. 20 min, 180 km
Flugdauer 2 h 45; mit Zusatztanks 4 h
max. Lastvielfache + 8/- 3 g
Bewaffnung
Die M-346 kann mit neun Außenlastträgern bestückt werden (maximale Einzelkapazität: 650 kg). Zur möglichen Bewaffnung zählen AIM-9, AGM-65 Maverick, Brimstone, lasergelenkte Bomben, Aufklärungsbehälter, Kanonenbehälter.
FLUG REVUE Ausgabe 06/2014