Luftkampf mit dem Eurofighter am pechschwarzen Himmel

Nachtflug-Training bei der Luftwaffe
Luftkampf mit dem Eurofighter am pechschwarzen Himmel

Veröffentlicht am 31.03.2024

Die Nachtflugwochen finden beim Neuburger Eurofighter-Geschwader hauptsächlich in den Wintermonaten statt. Aber auch im Sommer wird trainiert, dann jedoch schon in der Abenddämmerung, um die Lärmbelästigung nicht zu sehr in die Nacht zu verlagern.

Nachtflug-Übung des TLG 74 in Neuburg/Donau
Ralf Plechinger

Extrem anspruchsvoll

Da im Ernstfall Einsätze aufgrund der besseren Tarnung überwiegend im Schutz der Dunkelheit stattfinden, ist es wichtig, Flüge bei Nacht zu trainieren. Die meisten Szenarien lassen sich im Simulator darstellen. Doch der kann keine g-Kräfte simulieren. Gerade diese jedoch machen den Nachtflug besonders anspruchsvoll. Wegen fehlender visueller Referenzen aufgrund absoluter Dunkelheit darf man sich auf seinen Gleichgewichtssinn nicht mehr verlassen und muss zu 100 Prozent den Instrumenten vertrauen. Dazu kommen anspruchsvolle Fluglagen: "Anders als beim normalen IFR-Nachtflug fliegen wir im Einsatztraining Anstellwinkel bis zu 60 und Querneigewinkel bis zu 145 Grad", erzählt Ronny S., Oberstleutnant und Staffelkapitän der 2. fliegenden Staffel des TaktLwG 74. "Das stellt an die Piloten viel höhere Anforderungen."

Nachtflug-Übung des TLG 74 in Neuburg/Donau
Ralf Plechinger

Ein eingespieltes Team

Ronny S. ist einer der Piloten, die dieses Mal beim Nachtflugtraining in Neuburg an den Start gehen. Für ihn und alle anderen gestaltet sich der Ablauf eines Übungstages wie folgt: Etwa zweieinhalb Stunden vor dem Start treffen sich die Piloten zum gemeinsamen Wetter- und NOTAM-Briefing. Danach geht es weiter zum Missionsbriefing. Unterdessen bereitet das Personal der Wartungsstaffel die fünf bis acht teilnehmenden Eurofighter in den jeweiligen Sheltern vor. Die sogenannte Vorfluginspektion nimmt in der Regel eine Stunde in Anspruch. Dabei sind jedem Eurofighter zwei Mann vom Wartungspersonal zugeordnet.

Durch einen zuvor erstellten Flugplan wissen die Wartungstechniker, welche Umbauten notwendig sind und wie die Jets bestückt werden müssen. Während des auf zwei Wochen angelegten Nachtflug-Trainings ist unter der rechten Tragfläche der Eurofighter ein Flugdatenschreiber (Flight Profile Recorder) und unter der linken ein infrarotgesteuerter Lenkflugkörper vom Typ IRIS-T montiert – allerdings ohne scharfen Sprengkopf. Zur Ausstattung gehören außerdem zwei Zusatztanks mit Platz für je 1.000 Kilogramm Kerosin.

Nachtflug-Übung des TLG 74 in Neuburg/Donau
Ralf Plechinger

Ab zum "Last Chance Check"

Etwa 40 Minuten vor dem geplanten Start begeben sich die Piloten zu ihren Jets und bereiten sich dort auf den Abflug vor. Die Triebwerke werden bereits im Shelter gestartet. Zu umständlich und zeitintensiv wäre es, die Maschinen eigens mit einem Schlepper ins Freie zu ziehen. Auf der Hinterseite der Schutzbauten werden dazu Tore geöffnet, um den Abgasstrahl nach draußen zu leiten.

Dann wird es langsam ernst: Nachdem auch bei laufenden Triebwerken alle erforderlichen Checks abgeschlossen sind, rollen die Eurofighter aus den Sheltern. Nächste Station ist die sogenannte "Last Chance" direkt neben der Startbahn. Dort nehmen zwei weitere Techniker die Maschinen in Empfang und lotsen sie auf die jeweiligen Checkpositionen. Insgesamt gibt es in Neuburg vier dieser Positionen, jede von ihnen mit 18 Bodenlampen bestückt, welche die Jets von unten anstrahlen.

Nachtflug-Übung des TLG 74 in Neuburg/Donau
Ralf Plechinger

Alles muss passen

Bei der Luftwaffe ist es seit vielen Jahrzehnten Vorschrift, dass der letzte Check vor dem Start nahe der Startbahn zu erfolgen hat. Die kurze Rollstrecke bis zum Startpunkt soll unter anderem das Risiko minimieren, dass möglicherweise auf dem Rollweg liegende Fremdkörper in die Reifen dringen. Folgerichtig liegt bei der Last Chance ein besonderes Augenmerk auf den Reifen. Zudem wird überprüft, ob alle Safety Pins entfernt, alle Geräte geschärft und alle Deckel verschlossen sind. Ebenfalls suchen die Techniker die Jets nach Öl- und Spritleckagen ab.

Nachtflug-Übung des TLG 74 in Neuburg/Donau
Ralf Plechinger

Die grünen Leuchtstreifen

Ein weiterer Check, der vor allem in der Nacht Bedeutung erlangt, beinhaltet die Funktion der Formationslichter. Das sind drei hellgrüne Leuchtstreifen auf jeder Seite des Eurofighters – einer jeweils unterhalb des Cockpits, einer entlang der Vorderkante des Leitwerks und einer an der Tragflächenspitze. Die Streifen sollen es den Piloten bei absoluter Dunkelheit erleichtern, in Formation zu fliegen und die Position des jeweiligen Flügelmanns zu erkennen. "Beim Formationsflug betragen die vertikalen Abstände zum Nachbarn lediglich wenige Meter, lateral sogar nur einen Meter. Gerade bei schlechter Sicht wären die reinen Positionslampen an den Tragflächenspitzen nicht ausreichend, um eine sichere Formation zu gewährleisten", erklärt Oberstleutnant Ronny S.

Einer checkt, einer sichert

Die Wartungsstaffel arbeitet nach dem Vier-Augen-Prinzip. Erster Check im Shelter, zweiter Check auf der Last Chance. Dabei nimmt lediglich ein Techniker den eigentlichen Check vor. Der andere sichert, immer mit Blickkontakt zum Piloten. Er ist es, der dem Piloten signalisiert, ob er beispielsweise ein Stück vorrollen soll oder wann er die Hände vom Steuer nehmen muss und nichts einschalten darf, um den unter dem Jet befindlichen Mechaniker nicht zu gefährden.

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Faszination Nachbrenner

Nach den Checks auf der Last Chance rollen die Eurofighter zur Startbahn – und geben einer nach dem anderen Vollgas. In der Regel verzichten die Piloten dabei aus Lärmschutzgründen auf die Nachbrenner ihrer Jets. Wird aber doch einmal mit Reheat, wie der Nachbrenner bei den Mechanikern genannt wird, gestartet, ist das ein beeindruckendes Spektakel. "Wenn die gleißend helle Flamme kurz vor dem Abheben den Boden der Startbahn küsst, das sind besondere Momente, wo man selbst nach 14 Jahren Dienstzeit immer noch faszinierend hinschaut", schwärmt Peter K., Techniker bei der Wartungs- und Waffenstaffel.

Im Nahkampf

Um kurz nach 19 Uhr sind an diesem Abend alle Eurofighter in der Luft. Sie fliegen in den reservierten Luftraum ED-R 107-407, ein extra für die Luftwaffe eingerichtetes Luftkampftrainingsgebiet westlich von Augsburg, zwischen 10.000 und 66.000 Fuß. Auf dem Programm: taktisches Fliegen – vier Eurofighter gegen mehrere Gegenspieler. "Das ist das Herausforderndste, was es gibt", unterstreicht Pilot Ronny S. "Vier eigene Jets plus Gegner auf engstem Luftraum, bei hoher Geschwindigkeit – da darf man nicht den Überblick verlieren!"

Darüber hinaus bereiten sich die Piloten auf ihre Verlegung nach Lettland vor. Denn das TaktLwG 74 unterstützt von März bis Dezember die drei baltischen Staaten im Rahmen der NATO-Mission "Verstärkung Air Policing Baltikum" (VAPB). Dabei werden fünf bayerische Eurofighter auf der lettischen Luftwaffenbasis Lielvarde stationiert und übernehmen dort die Aufgaben der QRA. Im Rahmen der Neuburger Nachtflugübungen üben die dafür auserkorenen Piloten das Fliegen und Abfangen gegnerischer Flugzeuge mit Nachtsichtbrille. Bei völliger Dunkelheit müssen sie in der Lage sein, ein mögliches Ziel nicht nur abzufangen, sondern auch zu identifizieren und zu überprüfen, welche Waffen und Außenlasten an diesem montiert sind.

Nachtflug-Übung des TLG 74 in Neuburg/Donau
Ralf Plechinger

Zurück in Neuburg

Wird viel Nahkampf oder mit Nachbrenner geflogen, verkürzt sich die Trainingszeit auch beim Nachtflug auf lediglich 45 Minuten. An den meisten Trainingstagen ist jedoch ein Tanker in der Nähe – meist ein Airbus A330MRTT. Dank der fliegenden Tankstelle können die Eurofighter gut und gerne zwei bis drei Stunden am schwarzen Nachthimmel bleiben. Durchschnittlich finden sich die Jets nach etwa eineinhalb Stunden Training wieder in Neuburg ein. Ein paar der Piloten schieben noch einen Touch & Go vor die finale Landung. Denn um die Lizenz zu erhalten, braucht jeder Eurofighter-Pilot nicht nur vier reale Nachtflugstunden, sondern auch sechs Nachtlandungen. Innerhalb von neun Monaten müssen außerdem zwei Nachtlandungen vorgewiesen werden. Schafft man das nicht, muss man zum "Nachsitzen" mit Fluglehrer in den Doppelsitzer. Um das zu vermeiden, bedienen sich die Piloten manchmal eines Touch-and-Go-Manövers, das als Landung zählt.

Gibt es ein Leck?

Nach der Landung parken die Eurofighter vor ihren jeweiligen Sheltern. Nun kümmert sich wieder die Wartungsstaffel um die Jets. Bei noch laufenden Triebwerken klinken sich die Mechaniker in den Funk mit dem Piloten ein. Melden diese irgendwelche Probleme, können die Mechaniker diese gleich an Spezialisten weiterleiten oder direkt selbst Hand anlegen. Zugleich überprüfen die Techniker Steuerflächen und Fahrwerk auf Leckagen, denn solange die Triebwerke noch laufen, herrscht ein Anlagendruck von 280 bar und ein Leck wird leicht sichtbar.

(Fast) Feierabend

Ebenso auf der Checkliste stehen Elektrik und Lichter. Als Letztes wird der Wartungscomputer ausgelesen, bevor der Pilot die Triebwerke abschaltet und das Schleppfahrzeug den Jet zurück in den Shelter schiebt. Dort beginnt für die Wartungsmannschaft dann die eigentliche Nachfluginspektion. Da die NATO für die QRA dafür ein Zeitlimit von einer Stunde festgesetzt hat, in welcher ein Eurofighter "umgedreht", also für den nächsten Flug bereit sein muss, hat sich dieser Zeitrahmen auch bei allen anderen Flügen etabliert.

Die Piloten begeben sich derweil wieder zurück zum Staffelgebäude, wo die Nachbesprechung ansteht – bevor sie etwa anderthalb Stunden später in den Feierabend entlassen werden.