In den letzten Jahren wurde die Raptor (Raubvogel) oft als nutzloses und viel zu teures Relikt des Kalten Kriegs kritisiert. Korrosion schon nach wenigen Dienstjahren oder ein monatelanges Flugverbot wegen Problemen mit der Sauerstoffversorgung des Piloten kratzten zudem am Image des wohl besten Jägers der Welt. Auch war die US Air Force lange sehr vorsichtig, das Stealth-Muster einzusetzen. Dies hat sich beim aktuellen Luftkrieg gegen die Terroristen des „Islamischen Staats“ im Irak und in Syrien nun geändert.
Jedenfalls bestätigte das Pentagon, dass F-22A in den frühen Morgenstunden des 23. September zur ersten Angriffswelle auf IS-Stellungen in Syrien gehörten und damit ihren ersten Kampfeinsatz seit der Indienststellung 2003 flogen. Details der Mission sind wie gewohnt spärlich, doch so weit bekannt, wurde mit einer 450 Kilogramm schweren GBU-32-Bombe ein Kommandozentrum des IS in Raqqa getroffen. Weitere Flüge über dem Kampfgebiet folgten in den nächsten Tagen, abhängig von den spezifischen Anforderungen der Einsätze. Stationiert sind die Raptors wahrscheinlich auf der Al Dhafra Air Base unweit Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wohin sie seit 2009 schon mehrfach zu Übungen verlegt hatten.
Konkrete Gründe für das Debüt der F-22 ausgerechnet jetzt nannte das Pentagon bisher nicht. Spekulationen zufolge wollte man vorsichtshalber die eigenen Kräfte über Syrien besser schützen – auch wenn er vorab informiert war, verfügt Machthaber Baschar al-Assad immer noch über einsatzbereite Kampfflugzeuge. Auch das Flugabwehrsystem im Land ist so gut ausgebaut, dass die Vereinigten Staaten im syrischen Bürgerkrieg nicht mit Luftschlägen eingreifen wollten. Eine weitere Erklärung könnten die Fähigkeiten der F-22 bei der elektronischen Kampfführung sein.
Was auch immer die US-Militärs zum Einsatz der Raptor bewogen haben mag, wird dieser zumindest neue Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verwendung des Stealth-Musters in Konflikten dieser Art bringen, wo es nicht um den Luftkampf gegen feindliche Fighter, sondern um die präzise Bombardierung von Bodenzielen geht.
Für ihre Rolle als „Wunderwaffe“ in diesem Szenario wurde die Raptor in den vergangenen Jahren modernisiert. Derzeit läuft die Umrüstung von 140 Flugzeugen auf das so genannte Increment 3.1. Dabei werden die Fähigkeiten des APG-77-Radars zur Erstellung präziser Radarbilder des Geländes verbessert. Außerdem kann die F-22 nun die JDAMs selbst ins Ziel steuern. Darüber hinaus wurde die Small Diameter Bomb (SDB) integriert, von der acht mitgeführt werden können. Der nächste Schritt, der sich teils noch im Test befindet, sieht Softwareänderungen für besseren elektronischen Selbstschutz und bessere Datenfunkmöglichkeiten vor. Die Änderungen sollen bis Oktober 2017 vorgenommen sein. Mit Increment 3.2B schließlich sind weitere Verbesserungen bei EloKa und Datenlinks sowie die Einführung von AIM-9X und AIM-120D geplant. Ziel ist die Verfügbarkeit bis Mitte 2020.
Insgesamt will die US Air Force zwischen 2013 und 2023 rund sieben Milliarden Dollar (5,5 Mrd. Euro) für Modernisierungsarbeiten an der F-22 ausgeben. Dazu kommen ständige Ausgaben für ein Strukturreparatur-Programm (unter anderem, um Korrosionsprobleme in den Griff zu bekommen) und für diverse Maßnahmen, die die Zuverlässigkeit steigern und die Wartungskosten senken sollen. Mehr als 50 Millionen Dollar (40 Mio. Euro) fließen zum Beispiel in ein Projekt, das die Haltbarkeit der radarabsorbierenden Beschichtung des Fighters verlängern soll.
Die F-22 bleibt mit derzeitigen Flugstundenkosten von 68 360 Dollar (54 100 Euro) der teuerste Fighter im Inventar der Air Force. Um gegenzusteuern, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, wie die Aufgabe des F-22-Standorts in Holloman AFB, New Mexico. Der größte Raptor-Horst ist nun die Tyndall AFB in Florida, wo etwa 50 Flugzeuge für Ausbildung und Einsatz bereitstehen.
Die Depotinstandsetzung der F-22 wird künftig ausschließlich beim Ogden Air Logistics Complex auf der Hill AFB in Utah stattfinden. Im September begann die auf 21 Monate angesetzte Übergangsphase, in der unter anderem spezielle Werkzeuge vom Lockheed-Martin-Werk in Palmdale, Kalifornien, verlagert werden. Die USAF müht sich also, ihre kleine Flotte von Superfightern der sogenannten Fünften Generation in bester Form zu halten. Schließlich ist derzeit kein Nachfolger in Sicht. Offiziell muss die Raptor bis mindestens 2033 durchhalten.
FLUG REVUE Ausgabe 12/2014
Raubvogel im Einsatz : Lockheed Martin F-22 Raptor
Lange hat die US Air Force gezögert, ihren Superfighter F-22 ins Gefecht zu schicken. Über Syrien war es nun so weit.
