Fast 30 Jahre nach dem Jungfernflug der JAS 39A Gripen rollte bei Saab in Linköping am 15. Juni 2017 der Prototyp 39-8 an den Start. Im Cockpit des ersten E-Modells saß Testpilot Marcus Wandt, der um 10:32 Uhr zu einem etwa 40 Minuten dauernden Testflug abhob.Der Flug verlief „ganz wie erwartet“.
Man musste schon ganz genau hinschauen, um die Unterschiede zu den Vorgängermodellen zu erkennen. Doch der erste Blick täuscht in diesem Fall, denn die neue Version wurde von Grund auf überarbeitet, um für die Bedrohungsszenarien der nächsten Jahrzehnte gerüstet zu sein. Billig allein ist für einen Fighter nämlich kein Verkaufsargument – er muss aus Sicht der schwedischen Luftstreitkräfte mit möglichen Gegnern wie der Suchoi Su-35 oder der Su-57 mithalten können.
Neueste Systeme für den Schweden-Kampfjet
Saab hat deshalb in der Gripen E nur die neuesten Systeme verbaut, die auf dem Markt greifbar sind. Im Bug arbeitet nun zum Beispiel ein Radar mit elektronischer Strahlschwenkung. Das ES-05 Raven kommt von Selex und ist damit bis auf die Antennengröße auf einem Niveau mit dem künftigen Captor-E des Eurofighters. Gleiches gilt für das vor dem Cockpit installierte IRST (Infrarot-Such- und Zielverfolgungssystem), das ebenfalls von Selex stammt. Es ist in der Lage, gegnerische Flugzeuge ohne verräterische eigene Radaremissionen aufzuspüren. Zum Lagebild tragen zudem neue Sensoren für das EloKa-System (elektronische Kampfführung) bei, die unter anderem an den Wurzeln der Canards und in den Behältern an der Flügelspitze untergebracht sind.

Software-Upgrades via App
Insgesamt wurde die Avionik auf den neuesten Stand gebracht. Hier ging Saab neue Wege, um in Zukunft die Verbesserungszyklen einfacher und schneller machen zu können. Flugkritische Software wurde strikt von den Programmen für das Missionsmanagement getrennt. Damit hoffen die Entwickler, neue Fähigkeiten ohne langwierige Tests innerhalb von Monaten oder gar Wochen einführen zu können – ähnlich wie neue Apps bei einem Smartphone.
Aber nicht nur an den Systemen wurde gefeilt, auch die Zelle erfuhr eine Überarbeitung. Wie schon beim Gripen Demonstrator (Erstflug am 27. Mai 2008) sind die Hauptfahrwerke aus dem Rumpf in die Flügelwurzel verlegt, was 40 Prozent mehr Kraftstoffvolumen bringt. Sonstige Änderungen und Verstärkungen sorgen für ein Mehrgewicht von 1200 Kilogramm, bei allerdings um 2500 auf 16500 Kilogramm erhöhter Abflugmasse. Dies schafft Spielraum bei der zusätzlichen Waffenzuladung, für die auch weitere Außenlastträger unter dem Rumpf bereitstehen.

Mehr Gewicht? Mehr Schub!
Damit die Leistungen nicht leiden, erhält die Gripen E ein stärkeres Triebwerk. Das F414G-39E von GE Aviation mit einem Nachbrennerschub von 98 Kilonewton ersetzt das RM12 (Version des F404), das mit Nachbrenner 80,5 Kilonewton leistet.
Offiziell begann die Entwicklung der Gripen E mit der Auftragserteilung durch Schweden im Februar 2013. Schon zuvor waren aber viele Aspekte des neuen Modells mit dem Gripen Demonstrator untersucht worden. Außerdem hatte ein voll computergestütztes Design zum reibungslosen Ablauf beigetragen. Die Montage der 39-8 verlief laut Saab daher mit weniger Problemen als bei den Serienexemplaren der Gripen C/D.

Erste Lieferung noch in diesem Jahr
Drei Gripen E sind für das Testprogramm vorgesehen. Aufgrund ausgiebiger Simulationen und Testreihen am Boden geht man bei Saab davon aus, das Flugversuchsprogramm in einem Drittel der früher üblichen Zeit durchziehen zu können.
Die Lieferungen der 60 Flugzeuge an die Flygvapnet sollen in diesem Jahr beginnen und bis 2026 dauern. Zehn weitere Flugzeuge könnten folgen. Darüber hinaus wird Brasilien ab 2019 insgesamt 28 Einsitzer und acht Doppelsitzer (Gripen F) erhalten. Der Vertrag mit dem südamerikanischen Land trat im September 2015 in Kraft. Er sieht einen umfangreichen Technologietransfer und wertvolle Arbeitspakete für Embraer vor. Unter anderem sollen 350 brasilianische Ingenieure bei Saab geschult werden. In Gavião Peixoto ist die Endmontage von zunächst 36 Gripen E und F vorgesehen. Der Bedarf der Força Aérea Brasileira geht aber darüber hinaus. Vorerst muss allerdings die Wirtschaftskrise in dem Land überwunden werden.
Die „alte“ Gripen wird weiter angeboten
Knapp 100 Gripen E hat Saab also schon an den Mann gebracht, rund 300 sollen in den nächsten 20 Jahren folgen, so die Hoffnung. Dabei sind wohl auch die Gripen C/D einberechnet, die für weniger zahlungskräftige Kunden nach wie vor angeboten werden. Auch Leasinggeschäfte sollen weiter möglich sein. Als potenzielle Kunden für die Gripen E hat Saab Länder wie Finnland, Malaysia und Indonesien im Visier. Die Schweiz, die die Gripen E im September 2013 auswählte und dann wegen eines negativen Referendumsergebnisses doch nicht kaufen konnte, könnte ebenfalls wieder ins Spiel kommen. Eine neue Ausschreibung läuft. Auch Indien gehört zu den Kandidaten. Hier würde man ähnlich wie in Brasilien einen Technologietransfer und die Fertigung im Land anbieten. Insgesamt ist man in Linköping jedenfalls hoffnungsvoll. Schließlich hat man einen Fighter mit allen Toptechnologien im Angebot und ein Programm, das sich im Preis- und Zeitrahmen bewegt – was heute die große Ausnahme ist.
Technische Daten der Saab Gripen E
Hersteller: Saab, Linköping, Schweden
Besatzung: 1 oder 2 (Gripen F)
Antrieb: 1 x GE Aviation F414-G39
Schub: 1 x 98 kN mit Nachbrenner
Länge: 15,20 m
Höhe: 4,50 m
Spannweite: 8,60 m
Einsatzleermasse: 8000 kg
max. Zuladung: 7200 kg
max. Kraftstoff: 3400 kg intern
max. Startmasse: 16 500 kg
max. Fluggeschwindigkeit: Mach 2
Super cruise: über Mach 1.2
Dienstgipfelhöhe: 16 000 m
Startstrecke: mindestens 500 m
Landestrecke: ca. 600 m
max. Reichweite mit Zusatztanks: 4000 km
Lastvielfache: -3/+9 g
Bewaffnung:
Interne Kanone 27 mm Mauser, 10 Außenlaststationen für bis zu 6 IRIS-T, bis zu 7 AMRAAM oder Meteor, Bomben (GBU-49 Paveway II, GBU-12, SDB), Aufklärungsbehälter, Seezielflugkörper (RBS15), Zusatztanks