Untersuchungen für Tornado-Nachfolger - F-35 für die Luftwaffe?

Untersuchungen für Tornado-Nachfolger
F-35 für die Luftwaffe?

Veröffentlicht am 10.01.2018

Generalleutnant Karl Müllner legt die Messlatte hoch: Auf der International Fighter Conference in Berlin Anfang November sagte der Inspekteur der Luftwaffe, dass ein Tornado-Nachfolger „ein Flugzeug der fünften Generation“ sein muss, das vom gegnerischen Radar nur sehr schwer zu erfassen ist und Ziele aus großer Distanz angreifen kann. Das klingt sehr nach einer Präferenz für die Lockheed Martin F-35 Lightning II, die in großen Stückzahlen in den USA und bei einer ganzen Reihe von NATO-Partnern wie Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen oder Italien eingeführt wird. 

Dabei ist die F-35 formal nur eines der Flugzeuge, die vom Verteidigungs­ministerium derzeit als mögliche Kauf­lösung für den Ersatz der Tornados untersucht werden. Man verschaffe sich einen Überblick über die marktverfüg­baren Muster, heißt es in Berlin. In diesem Zusammenhang hat man vom Pentagon nicht nur ein detailliertes Briefing über die F-35 erhalten, sondern sich auch über die F-15 Eagle und die F/A-18E/F Super Hornet sowie über Weiterentwicklungen des Eurofighters informiert. Auf eine offizielle Anfrage bezüglich Preisen und Verfügbarkeit erwartet man vom US-Verteidigungsministerium eine Antwort bis nächsten März.

Um wie viele Flugzeuge es dabei geht, ist unklar, denn die Lage ist kompliziert. Berücksichtigt werden muss unter anderem die Frage der Atomwaffenfähigkeit. Die nukleare Teilhabe Deutschlands wird derzeit durch das Tornado-Geschwa­der in Büchel sichergestellt. Darüber hinaus hat sich die Bundeswehr verpflichtet, der NATO Störflugzeuge wie den Tornado ECR zur Verfügung zu stellen. Dafür gibt es in den USA die EA-18G Growler. Generell stellt sich auch die Frage, wie lange die Tornados noch sinnvoll eingesetzt werden können. Während der Hersteller wohl noch jede Menge Flugstundenreserven und Aufrüstmöglichkeiten sieht, ist die Luftwaffe der Meinung, dass die Risiken und Kosten des Tornado-Flugbetriebs gegen Ende des nächsten Jahrzehnts „unvorhersehbar und untragbar“ werden. Um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, sei daher die Einführung eines Nachfolgers ab 2025 und nicht erst zehn Jahre später notwendig, so die Einschätzung.

Unter diesen Vorzeichen ist eine europäische Neuentwicklung natürlich schon zeitlich gesehen unmöglich. Andererseits kann die Beschaffung eines US-Fighters aus politischer Sicht nicht losgelöst von der beim deutsch-franzö­sischen Gipfel im Juli beschlossenen Initiative für die Entwicklung eines europäischen Kampfflugzeugs der nächsten Generation gesehen werden. Jede größere „Zwischenlösung“ (die Luftwaffe hat 85 Tornados im Bestand) würde dessen Stückzahlen reduzieren und damit seine Wirtschaftlichkeit in Frage stellen. Dies selbst dann, wenn man den Schwerpunkt des Projekts weg vom Tornado und hin zu einem Eurofighter/Rafale-Nachfolger verlegt.

Während Lockheed Martin sein F-35-Marketing in Deutschland hoch­gefahren hat und in Berlin im Maritim-Hotel gleich neben dem Verteidigungsministerium unter anderem den bekannten F-35-Cockpitsimulator präsentierte, ist auch Airbus Defence and Space natürlich nicht untätig. Auf der eingangs erwähnten International Fighter Conference erläuterte das Unternehmen einmal mehr seine Konzepte für ein Future Combat Air System (FCAS), bei der verschiedene Fluggeräte gemeinsam in einem vernetzten Verbund eingesetzt werden sollen.

Teil des FCAS ist auch ein neuer Fighter, der natürlich über ausgezeichnete Stealth-Eigenschaften und eine hohe Reichweite verfügen soll. Zudem gehören weitreichende aktive und passive  Sensoren und die Fähigkeit zur Datenanalyse und Datennutzung im Verbund zur Grundausstattung eines solchen Musters der fünften oder sechsten Generation. Insofern ist ein solches Projekt „für die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Militärluftfahrt­industrie … von herausragender Be­deutung“, betonte jüngst Dirk Hoke, Chef von Airbus Defence and Space. Der Kauf „amerikanischer Black-Box-Lösungen“ würde aus seiner Sicht ein „Kernsegment der europäischen Verteidigungsindustrie austrocknen lassen“.

Airbus fordert daher, dass den deutsch-französischen Absichtserklärungen auf höchster Ebene rasch Taten folgen. Es sei nötig, wie versprochen Anfang 2018 einen Fahrplan zu verabschieden, um Klarheit zu schaffen. Das scheint im Moment angesichts einer fehlenden handlungsfähigen Regierung in Berlin allerdings illusorisch.

FLUG REVUE Ausgabe 01/2018