Nach langer erfolgreicher Nutzung“ werde die ab 1972 zunächst beim Heer eingeführte CH-53 „innerhalb der kommenden etwa zehn Jahre an ihr geplantes Nutzungsdauerende kommen“, schreibt das Verteidigungsministerium in seinem Papier zur Militärischen Luftfahrtstrategie. Deshalb müssten Nachfolgeplanungen rechtzeitig erfolgen, „um zum einen nicht den technologischen Anschluss zu verlieren und zum anderen eine kostenintensive Innutzungshaltung alternder Luftfahrzeuge … zu vermeiden“.
Was Letzteres heißt, zeigt sich derzeit beim Avionik-Modernisierungsprogramm CH-53GA. Die Auslieferung der 40 Hubschrauber durch Airbus Helicopters wird sich mindestens 26 Monate länger hinziehen als geplant, was „größtenteils auf technische Störungen der Luftfahrzeuge, auf fehlende Ersatzteile und auf inzwischen zunehmende Kapazitätsengpässe beim Auftragnehmer“ zurückzuführen sei, so der neueste Ministeriumsbericht zu den aktuellen Rüstungsprogrammen.
Ein Nachfolger muss also her, was keine ganz neue Erkenntnis ist. Schon vor über einem Jahrzehnt gab es nämlich erste Überlegungen zu einem Future Transport Helicopter, der in deutsch-französischer Zusammenarbeit entwickelt werden sollte. Trotz umfangreicher Studien und der zeitweiligen Einbindung der EDA (Europäische Verteidigungsagentur) wurde daraus aber nichts. Unter anderem ausufernde Forderungen an das Nutzraumvolumen und eine absehbar geringe Stückzahl führten zu exorbitanten Kosten, die in keiner Weise tragbar waren.
Für die Luftwaffe, die die CH-53-Flotte 2013 von den Heeresfliegern übernommen hat, bleibt somit nur der Weg, ein vorhandenes Muster zu beschaffen. Das als Basis dafür notwendige Dokument „Fähigkeitslücke und Funktionale Forderung“ wurde vom Generalinspekteur der Bundeswehr am 27. Juni 2016 abgezeichnet.
Laut einer Sprecherin des Verteidigungsministeriums ist das Ziel „ein Produkt, das bei höheren Reichweiten und mit eingerüsteter Einsatzausrüstung (zum Beispiel Schutzausstattung, Bewaffnung, etc.) eine nutzbare Zuladung erreicht, die höher ist als die ehemalige Standardlast einer CH-53G. Das Ladevolumen orientiert sich dabei am aktuellen Stand. Zum Erreichen von Reichweitenforderungen ist voraussichtlich eine Luftbetankungsfähigkeit vonnöten. Ein weiterer Fähigkeitsaufwuchs ist missionsorientiert, insbesondere für die Unterstützung von Spezialkräften und die Fähigkeit Combat Search and Rescue zu erwarten.“
Obwohl sich das Ministerium mit Details zu den Anforderungen bedeckt hält, ist klar, dass nur zwei marktverfügbare westliche Muster für die Rolle des künftigen STH (Schwerer Transporthubschrauber) in Frage kommen. So stehen sich bei der für 2018 vorgesehenen formellen Ausschreibung wohl die Boeing CH-47F Chinook in der Ausführung mit großen Tanks und die Sikorsky (heute Teil von Lockheed Martin) CH-53K King Stallion gegenüber – eine Wahl, wie sie so ähnlich auch in den 1960er Jahren getroffen werden musste.
Verzögerungen bei der CH-53K
Auch wenn es sich um dieselbe Typenreihe handelt, so hat die K-Version mit der bei der Bundeswehr in Dienst stehenden CH-53G/GS/GE/GA nichts mehr gemein. Vielmehr handelt es sich um eine komplette Neuentwicklung für das US Marine Corps, mit größerem Frachtraum, mehr Nutzlast und besseren Leistungen vor allem in großen Höhen und bei Hitze. Eckpunkt ist die Fähigkeit, eine Außenlast von 12,2 Tonnen an den drei Haken 200 Kilometer weit zu bringen und dann zum Startpunkt zurückzukehren. Für den internen Transport von Fahrzeugen und Material wurde der Kabinenquerschnitt auf 2,74 x 2 Meter vergrößert. So passen laut Sikorsky auch zwei je 4500 Kilogramm schwere 463L-Paletten hinein.
Nach diversen Verzögerungen aufgrund von Problemen unter anderem mit dem Hauptgetriebe befindet sich die CH-53K seit dem 27. Oktober 2015 in der Flugerprobung. Seit dem 2. September 2016 ist auch der vierte und letzte Prototyp in der Luft. Bis Mitte Oktober wurde dann in West Palm Beach (Florida) die erste, zweiwöchige Truppenerprobungsphase (OT-B1) durchgeführt. Auf dem Plan standen Flüge mit Außenlasten von 12 200 Kilogramm und Missionsprofile, bei denen eine Last von 5445 Kilogramm über 110 Nautische Meilen (205 km) verfrachtet wurde. Beim OT-B1 wurde die CH-53K King Stallion erstmals von einer Crew des Marine Corps betrieben. „Alle Testziele wurden erreicht“, so Colonel Hank Vander-
borght, Programm-Manager des USMC.
Der Abschluss von OT-B1 ist einer der Voraussetzungen für die Freigabe der Vorserie des Hubschraubers durch das Pentagon. Dies ist für das erste Quartal 2017 geplant. Ziel ist es, die anfängliche Einsatzbereitschaft mit vier CH-53K im Jahr 2019 zu erreichen. Bis 2031 sollen 200 Maschinen beschafft werden.
Chinook etwas kostengünstiger
Während die King Stallion also noch im Testprogramm ist, handelt es sich bei Boeings CH-47F Chinook um ein ausgereiftes Produkt, das derzeit in Philadelphia für die US Army und den Export in Serie gebaut wird. 350 Standardmodelle und 80 Maschinen mit großen Tanks seien inzwischen ausgeliefert worden, so der Hersteller. Insgesamt sind 800 Chinooks aller Versionen weltweit im Dienst, darunter in den Niederlanden, Großbritannien, Italien und Kanada.
Obwohl das Tandemrotormuster seit über 50 Jahren im Einsatz steht, wird das amerikanische Heer wohl noch bis 2060 auf den Transporthubschrauber zählen. Bis dahin wird es aus Sicht von Boeing natürlich noch weitere Modernisierungsprogramme geben, wie es auch in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war. Unter der Bezeichnung „Block II“ werden verschiedene Technologien untersucht, um die Nutzlast (wieder) zu erhöhen und den Wartungsaufwand zu verringern. Zum Beispiel sollen neue Rotorblätter getestet werden, die alleine ein Nutzlastplus von 905 Kilogramm bewirken. Honeywell arbeitet parallel dazu mit Firmenmitteln an einer Leistungssteigerung des T55-Triebwerks, das von 3500 auf 4470 Kilowatt gepuscht werden soll. Die Umstellung auf den Block-II-Standard könnte 2021 erfolgen.
Die Bundeswehr hat also die Wahl zwischen zwei Mustern, die die Anforderungen durchaus erfüllen können. Beide lassen sich mit einer Luftbetankungssonde bestücken. Und beide haben zum Beispiel das gleiche Common-CAAS-Cockpit von Rockwell Collins. Vom Konzept her sind sie natürlich sehr unterschiedlich: Während die Chinook das Arbeitspferd der US Army ist, wurde die King Stallion auf die immer sehr speziellen Forderungen des US Marine Corps maßgeschneidert und bietet eine über 40 Prozent größere Nutzlast. Bei den Kosten dürfte die Chinook die Nase vorn haben – jedenfalls verspricht Boeing „äußerst wettbewerbsfähige Anschaffungs- und Betriebskosten“.
Beide Firmen dürften zudem versuchen, die deutsche Industrie einzubinden. Momentan hält man sich diesbezüglich allerdings noch bedeckt, man will erst einmal die genauen Anforderungen des Verteidigungsministeriums hinsichtlich der Industrieunterstützung im Betrieb analysieren. Bei der CH-53K wäre zumindest MTU schon dabei. Der Triebwerkshersteller hat einen Programmanteil von 18 Prozent an der T408-Wellenturbine.
Die Stückzahl ist noch im Fluss. Sie hängt von Parametern wie den geforderten Flugstunden der Flotte pro Jahr und den von Deutschland im NATO-Rahmen bereitzustellenden Hubschraubern ab. Derzeit hat die Bundeswehr zum Beispiel 35 CH-53 gemeldet, aus einem Bestand von 64 Hubschraubern. Für die Beschaffer gilt es also viele Faktoren abzuwägen, bevor die für Mitte 2019 geplante Vertragsunterzeichnung für ein Muster erfolgt. Der „abschließende Finanzbedarf“ sei noch nicht ermittelt, so eine Ministeriumssprecherin. Mit dem Beginn der Lieferungen wird ab 2022 gerechnet.
FLUG REVUE Ausgabe 01/2017