Seefernaufklärer
Rund 70 Prozent der Erdoberfläche ist von Wasser bedeckt, und die meisten Staaten der Welt haben eine Küste, die Zugang zum Welthandel über See sowie Anspruch auf eine 200 Seemeilen hinausreichende ausschließliche Wirtschaftszone bietet. Dieses Gebiet sowie die internationalen Schiffsrouten zu sichern ist eine Aufgabe für Seeüberwachungsflugzeuge, die heute flexibler denn je sein müssen. Stand zu Zeiten des Kalten Kriegs die Jagd auf gegnerische U-Boote und die Schiffsbekämpfung im Zentrum, so müssen heute auch Missionen zum Schutz vor Piraten, Drogenschmugglern, Terroristen und illegalen Einwanderern geflogen werden. Hinzu kommt die Jagd auf Umweltsünder, die Überwachung von Fischfangbooten und die Hilfe bei Such- und Rettungseinsätzen.
Das breite Einsatzspektrum lässt sich nur mit einer umfassenden Ausrüstung der Seefernaufklärer abdecken. Dazu gehört ein leistungsstarkes Radar, das in der Lage ist, aus dem Grundrauschen der Meeresoberfläche auch kleine Ziele (inklusive Periskope von U-Booten) auf möglichst große Distanz herauszufiltern. Betriebsarten wie SAR (synthetische Apertur) und ISAR ermöglichen die Identifizierung von Schiffen anhand ihres Profils. Neben dem Radar gehören elektro-optische Kameras und Infrarotsensoren zur Grundausstattung. Auch sie bieten heute eine beachtliche Reichweite.
Seefernaufklärer, die auch für die U-Boot-Jagd genutzt werden sollen, benötigen zudem ein akustisches System mit Sonarbojen, die auch leise U-Boote ausmachen können. Hilfreich ist zudem eine Magnetfeldsonde, mit der sich kleinste Störungen im Erdmagnetfeld durch die U-Boote detektieren lassen. Auch Sensoren für Funk- und andere elektromagnetische Strahlen sind wünschenswert.
Alle gesammelten Daten werden zu einem einheitlichen Lagebild zusammengefügt, was heute dank immer leistungsfähigerer Computer einfacher ist. Wesentlich ist eine gute Präsentation für die Bediener, so dass sie sich auf taktische Aufgaben konzentrieren können. Die Auswertung an Bord ist aber nur der erste Schritt. Im heutigen vernetzten Umfeld geht es vor allem darum, die Informationen allen wichtigen Akteuren zur Verfügung zu stellen. Umfassende Kommunikationssysteme mit HF-, VHF- und UHF-Funk sowie SatCom sind somit unverzichtbar.
All diese Systeme kosten natürlich und erfordern je nach Reichweitenforderung ein mehr oder weniger großes und damit teures Flugzeug. Seeüberwachungsflugzeuge gibt es daher in den unterschiedlichsten Gewichtsklassen. Fast allen Mustern gemeinsam ist dabei, dass sie nicht speziell für diese Aufgabe konzipiert wurden, sondern die Entwicklung auf Verkehrs- oder Transportflugzeugen basiert.
Dies gilt auch für den derzeit wohl leistungsstärksten Seefernaufklärer im Angebot, die Boeing P-8A. Bei der Poseidon handelt es sich um eine modifizierte 737-800/900, die man sogar mit einem Waffenschacht hinter den Tragflächen versehen hat. Die P-8A tritt bei der US Navy die Nachfolge der unverwüstlichen P-3 Orion an und ist für alle denkbaren Szenarien gerüstet. In der Kabine sind fünf Bedienerstationen eingebaut, wobei sich die Crew über ein viel bequemeres Arbeitsumfeld als bei der Orion freuen kann. 117 P-8A sollen beschafft werden, dazu kommen bereits Exportaufträge aus Indien (acht plus vier Optionen) und Australien (acht plus vier Optionen, Lieferung ab 2017). Fast 30 Maschinen sind bereits gebaut, wobei in den nächsten Jahren noch geplante Verbesserungen wie Torpedoabwurf aus großer Höhe oder Luftbetankungsmöglichkeit anstehen.
Der Jetantrieb der P-8A erlaubt es, viel schneller im Einsatzgebiet zu sein als Muster mit Turboprop-Antrieb. Ähnliche Überlegungen gelten auch für die Kawasaki P-1, den neuen Seefernaufklärer der japanischen Marineflieger. Der Vierstrahler (F-7-10-Turbofans von IHI) mit Fly-by-Light-Flugsteuersystem wurde von Anfang an für die Aufgabe kon-struiert, nutzt aber den Außenflügel, der auch beim Transporter C-2 verwendet wird. Das Programm begann im November 2001, und nach dem Erstflug im September 2007 wurde die erste Serienmaschine am 26. März 2013 in Gifu übergeben. 70 Flugzeuge sollen beschafft werden.





Propellertypen im Angebot
Neben den großen Jets werden in den letzten Jahren auch vermehrt modifizierte Geschäftsreiseflugzeuge für die Seeüberwachung angeboten. Boeing will zum Beispiel seine Erfahrung mit der P-8A nutzen und Systemkomponenten für das MSA (Maritime Surveillance Aircraft) verwenden, das auf dem Bombardier Challenger 605 basiert. Die Flugversuche haben Ende Februar 2014 begonnen. Kunden sind noch nicht bekannt.
Etwas größer steigt IAI in den Markt ein, denn für sein ELI-3360 Maritime Patrol Aircraft wird der Global 5000 verwendet. Das Entwicklungsprojekt wurde im Februar angekündigt. Zu den Systemen zählt das Elta-Radar ELM-2022 aus dem eigenen Haus. Die Bewaffnung mit Torpedos und Seezielflugkörpern ist möglich. Dassault Aviation bietet derweil Versionen seiner Falcon 2000S (Maritime Reconnaissance Aircraft) und der Falcon 900 (Maritime Patrol Aircraft) an. Bereits verkauft wurde die Falcon 50M an die französische Marine, die zuletzt vier weitere Maschinen für die Seeüberwachung umgerüstet hat. Im Jet-Club dabei ist darüber hinaus Embraer mit einer Ableitung seines Regionaljets ERJ-145. Die EMB-145MP fliegt in Brasilien (als P-99) und Mexiko.
Auch andere Hersteller von Regionalverkehrsflugzeugen sehen im Markt für Seeüberwachungsflugzeuge die Chance auf ein lukratives Zubrot. Das ATR-Konsortium bietet entsprechende Modelle sowohl der ATR 42 als auch der größeren ATR 72 an. Abnehmer für das kleinere Modell waren bereits die italienische Küstenwache, Libyen und Nigeria. Unter der Bezeichnung Meltem III wurden sechs ATR 72-600 an die Türkei verkauft. Die Ausstattung der ersten Maschine begann im April 2013 bei TAI.
Ebenfalls mehrere Modelle am Start hat Airbus Defence & Space. Selbst die kleine, nicht druckbelüftete C212 wurde mit Radar und FLIR ausgestattet und fand Abnehmer in über einem Dutzend Ländern wie Angola, Mexiko oder Vietnam. Bester Kunde für die Marineversion der CN235 ist die US-Küstenwache, die unter der Bezeichnung HC-144 Ocean Sentry insgesamt 18 Maschinen gekauft hat. Sie sind dank rasch ausrüstbarer Bedienkonsolen vielseitig verwendbar. Noch mehr Nutzlast bietet die C295, die sogar mit Lenkwaffen bestückt werden kann – ein Angebot, das Chile wahrgenommen hat. Für alle Modelle offeriert der Hersteller sein FITS, ein modulares System, in das die diversen Sensoren relativ einfach integriert werden können. Mit FITS hat Airbus Defence & Space auch neun P-3 Orion der brasilianischen Marine modernisiert.
Obwohl nicht mehr in der Produktion, bietet Saab seine Regionalflugzeuge Saab 340 und 2000 als MSA (Maritime Security Aircraft) beziehungsweise MPA (Maritime Patrol Aircraft) an. Die größere Saab 2000 MPA bietet dabei Platz für vier Bedienerstationen, während die Saab 340 MSA nur eine hat. Letzteres Muster ist seit 2012 in der Erprobung, doch für beide Modelle fehlen noch Kunden. RUAG hat dagegen bereits einige Marineausführungen der Do 228 verkauft, zuletzt an die Navy von Bangladesch. Nur für die polnische Marine gebaut wurde dagegen die PZL M28B Bryza, eine Version der Antonow An-28. Die russische Marine verwendet nach wie vor die Tupolew Tu-142M und die Iljuschin Il-38. Letztere durchläuft derzeit ein Modernisierungsprogramm. Die erste Il-38M mit dem Nowella-System wurde im Juli 2014 übergeben. Auch Indien nutzt die Il-38.
Neben bemannten Flugzeugen halten unbemannte Systeme Einzug. Die US Navy jedenfalls setzt auf einen Mix aus P-8A Poseidon und 68 Northrop Grumman MQ-4C Triton. Die Triton ist seit Mai 2013 im Flugtest. Die Ausrüstung besteht aus ZPY-3-Multifunktionsradar und FLIR. Als Flugdauer werden 24 Stunden kalkuliert. Von den Hauptbasen in Florida und Kalifornien sowie drei vorgeschobenen Basen wie Guam aus könnten so weite Meeresgebiete überwacht werden.
FLUG REVUE Ausgabe 05/2015









