Die Branche arbeitet unter Hochdruck am Thema Nachhaltigkeit. So will die EU-Kommission mit ihrem Paket "Fit for 55" Milliarden Euro für CO2-arme Treibstoffe mobilisieren. Parallel entwickeln Flugzeughersteller völlig neue Antriebsformen und aerodynamische Flugzeugmodelle. Allerdings: Die meisten Technologien befinden sich entweder noch im Entwicklungsstadium oder es fehlt vorerst eine realistische Marktperspektive. Luftfahrtzulieferer wie Diehl Aviation leisten dabei mit ihren Innovationen wichtige Beiträge: Durch konsequente Gewichtsersparnis im Flugzeug lassen sich Emissionen schon heute deutlich senken.
LEICHTE KABINENMATERIALIEN
Ein Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit von Diehl ist Leichtbau in der Flugzeugkabine. Das Unternehmen zählt zu den weltweit Führenden in dem Bereich. Schon beim Produktdesign setzt Diehl konsequent auf Gewichtseinsparungen. Beispielsweise bei Materialien und Verfahren. Carsten Laufs, Leiter Produktinnovationen und Digitalisierung bei Diehl Aviation, erläutert: "Das Geheimnis des heutigen Leichtbaus ist die konsequente Optimierung der sogenannten Sandwichbauweise mit Wabenkern." Die Wabenstruktur ist extrem stabil – und besteht zugleich fast nur aus Luft. Diesen Standard der Sandwichbauweise gilt es jetzt mit neuen gewichtsreduzierenden Innovationen zu ergänzen. Weitere leichte Kabineninnovationen: Bei Single Aisle Flugzeugen reduzieren neueste Luftauslässe aus Partikelschaum das Gewicht um rund 11 Kilogramm, und das von Diehl entwickelte "Powder Coating" zur Beschichtung von Kabinenwänden spart nochmal 3-4 Kilogramm.
WENIGER LAST AN BORD
Ein weiterer Ansatz heißt Verdichtung: Je weniger Platz für die Kabinenausstattung notwendig ist, desto mehr Raum bietet sich für Passagiere. Diehl entwickelt entsprechendes Equipment. Bestes Beispiel ist eine platzsparende und zugleich gewichtsreduzierende Kombination aus Bordküche und -toilette. Sie schafft Platz für bis zu zwölf zusätzliche Passagiere – und verringert entsprechend den Kerosinbedarf pro Passagier. Die Lösung ist durch die Verwendung von neuen Verbindungstechniken zudem das leichteste Modul seiner Klasse. Ebenfalls ein Top-Beispiel ist das "Grey Water Reuse System". Dabei wird gebrauchtes Wasser aus dem Handwaschbecken des Bord-WCs gesammelt, aufbereitet und danach für die Toilettenspülung benutzt. Das Flugzeug muss entsprechend weniger Frischwasser mitführen. Die Gewichtsreduktion bei einem Langstreckenflugzeug wie der Boeing 787 kann sich damit auf gut 210 Kilogramm summieren. Das Klimaplus: Auf ein Jahr gerechnet senkt die Technologie die CO2-Emissionen eines Flugzeuges um knapp 90 Tonnen. Das "Grey Water Reuse System" wird derzeit auf dem Eco-Demonstrator von Boeing im Flugbetrieb getestet.
SYSTEMKOMPONENTEN REDUZIEREN
Nicht nur in der Kabine reduziert Diehl Aviation Gewicht. Carsten Laufs fasst zusammen: "Um die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Luftfahrt zu erreichen, zählt sprichwörtlich jedes Gramm. Deshalb forschen wir daran, auch Systemkomponenten im Flugzeug zu reduzieren und dadurch Gewicht zu sparen." So etwa bei Wassertanks. Sind Langstreckenflugzeuge bislang mit zwei oder drei Tanks für Frisch- und Abwasser ausgestattet, bietet Diehl künftig eine Ein-Tank-Lösung. Dies allein spart in Flugzeugen wie der A350 bis zu 50 Kilogramm an Gewicht. Weitere Bereiche sind Flugelektronik und Avionik. Carsten Laufs: "Die klassische Leichtbauweise über neue Materialien funktioniert hier nur begrenzt. Die elektronischen Einheiten müssen extremen Umweltbedingungen standhalten, das schränkt die Möglichkeiten ein." Gewicht wird eingespart, indem die Integrationsdichte erhöht wird. Einfach gesagt: Neueste Geräte steuern zahlreiche Funktionen, für die man bislang mehrere Geräte brauchte – wie ein Smartphone, das neben dem Telefon zig andere Funktionen erfüllen kann.
ENABLER FÜR ELEKTRISCHES FLIEGEN
Perspektivisch soll auch E-Mobilität in der Luft einen Beitrag zu mehr Klimaschutz im Luftverkehr leisten. Hier ist das Thema Gewicht der wesentliche Erfolgsfaktor. Denn elektrisches Fliegen wird überhaupt erst möglich, wenn Fluggeräte leicht genug sind. Die Expertise von Diehl Aviation ist entsprechend gefragt. So unterstützt das Unternehmen seit 2022 den Luftfahrtpionier Lilium bei der Entwicklung seines E-Jets. Diehl steuert die komplette Kabinenausstattung, das Beleuchtungssystem sowie die Klimaverrohrung für den ersten vollelektrischen senkrecht startenden und landenden Jet bei. Und auch der Volocity von Volocopter sowie der CityAirbus NextGen werden mit speziellen – und vor allem leichten – Avionik-Lösungen von Diehl abheben.
FORSCHEN FÜRS KLIMA: DA GEHT NOCH WAS!
Und Diehl will noch mehr. "Die Vision ist, Lösungen zu entwickeln, die gegenüber dem Status Quo nochmal 50 Prozent leichter sind", sagt Carsten Laufs. Das betrifft nicht nur Alternativen zur Sandwichbauweise oder neue Materialien, sondern das Gesamtsystem Flugzeug. Wie müssen Design und einzelne Funktionen verändert werden, um noch leichter und energieeffizienter fliegen zu können? An den Antworten forscht Diehl gemeinsam mit Airlines, Flugzeugbauern und Zulieferern. Ein gutes Beispiel ist Energiemanagement. Hier erforscht Diehl Aviation, wie die in der Kabine verfügbare Energie optimal verteilt und genutzt wird – mit dem Ziel, weiter Gewicht zu sparen. Immer wichtiger wird das Thema Recycling. Wie können Systemkomponenten und Kabinenelemente mit Blick auf die Circular Economy bestmöglich realisiert werden? Hier spielen Wiederverwendbarkeit, alternative Materialien aus biologischen Ressourcen und damit verbundene Produktionstechnologien genauso eine Rolle wie der Verzicht auf bestimmte Materialien. Welche Naturmaterialien eigenen sich, damit Ausstattungen nach der Entsorgung abbaubar oder recyclefähig sind? Insgesamt ist Diehl in über einem Dutzend Forschungsprojekten zu diesen und weiteren Nachhaltigkeitsthemen involviert. Mit aktuellen und künftigen Innovationen trägt Diehl so maßgeblich dazu bei, dass neue Flugzeuge leichter und emissionsärmer werden. Carsten Laufs: "Leichtbau ist keine Wette auf die Zukunft, sondern hier und heute schon wirkungsvoll."