Schon viele Jahre retten sich die deutschen Marineflieger mit den Sikorsky Sea King Mk 41 und den Westland Sea Lynx Mk 88A über die Runden – alte Hubschrauber, deren Verfügbarkeit auch mit hohem technischen Aufwand meist nur bescheiden ist. Von den 21 Sea Kings sind derzeit gerade einmal drei bis sechs Maschinen einsatzbereit, obwohl man schon dazu übergegangen ist, einige für die Ersatzteilbeschaffung auszuschlachten. Das mit 755 Millionen Euro veranschlagte Programm (ohne gesonderte Entwicklungskosten, ohne Umsatzsteuer; Preisstand Dezember 2012) wird also dringend gebraucht.
Dienstantritt "mit Verzögerung"
Bis die ersehnte Ablöse voll greift, wird sich die Marine aber noch gedulden müssen. Vorerst müssen die Marineflieger vorerst mit Hubschraubern der Konfiguration "Step 1" vorliebnehmen. Der finale Bauzustand (Konfiguration "Step 2") ist für Ende 2021 geplant. Das Upgrade von Step 1 auf Step 2 soll dann in der Zeit von 2021 bis 2024 folgen. Mit anderen Worten: Die Sea Lions werden "erst mit Verzögerung die vertraglich geschuldeten und für die Übernahme der Aufgaben notwendigen Fähigkeiten vollumfänglich erreichen", wie es im jüngsten Bericht zu Rüstungsangelegenheiten des Verteidigungsministeriums heißt. Ende 2019 erklärte die Marine gar, sie wolle die bereits übernommenen Sea Lion vorerst nicht fliegen. Als Grund wurden "erhebliche Fehler" in der technischen Dokumentation des Hubschraubers genannt. Airbus sicherte zu, diese schnellstmöglich zu beheben.

Fähigkeit SAR-See muss sichergestellt bleiben
Es steht also eine schwierige Übergangsphase vom Sea King zum Sea Lion bevor, zumal es gilt, eine "bruchfreie Ablösung" der Fähigkeit SAR-See sicherzustellen. Laut Kapitän zur See Bobzin muss der Sea King Mk 41 auf jeden Fall noch bis Mitte 2023 betrieben werden. Geplant ist nach dem Zulauf von drei Sea Lions 2019 die Lieferung von jeweils sechs in den folgenden beiden Jahren und den restlichen drei 2022. Entsprechend muss mit der Umschulung der Besatzungen und Techniker jongliert werden, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten und rechtzeitig auf die Aufnahme der neuen Hubschrauber vorbereitet zu sein. Neben dem SAR-Dienst (zwei Außen- stellen in Helgoland und Warnemünde) sollen die Sea Lions ein breites Spektrum von Aufgaben übernehmen wie maritime Aufklärung, Einsatz von Spezialkräften sowie Personal- und Materialtransport. Vorgesehen sind die Helikopter für die Einschiffung auf den Einsatzgruppenversorgern der Klasse 702 (Berlin-Klasse).
Entwicklung mit hohem Managementaufwand
Für die deutsche Marine hat die neue NH90-Variante eine umfangreiche Ausstattung erhalten. So verfügt sie laut Airbus Helicopters unter anderem über IFR-Navigationsfähigkeiten auf GPS-Basis zur Teilnahme am zivilen Luftverkehr, einen fortschrittlichen Direction Finder, vier V/UHF-Funkgeräte inklusive SatCom, AIS (Automatic Identification System von Schiffen) und TETRA-Funkgeräte (deutscher Behördenstandard). Die Heckrampe wird mit erhöhter Belastungsfähigkeit geliefert, und in der Kabine können auf beiden Seiten 12,7-mm-Maschinengewehre M3M im Türbereich installiert werden.Die größten Herausforderungen bei der Entwicklung seien dabei "die höchst komplexe Organisation und Prozessorlandschaft des NH90-Prgramms. Die Vielzahl beteiligter internationaler Agenturen, Dienststellen und Industriefirmen erforderte einen extrem hohen und zeitintensiven Koordinierungs- und Managementaufwand und führte zu ungeplanten Aktivitäten". Das klingt nicht gerade vertrauenserweckend, wenn man bedenkt, dass neben der Integration eines IFF Mode 5 die weitere Softwareentwicklung ein Hauptpunkt des Step 2 sein soll.

Sea Tiger für die Fregatten
Trotzdem hat das Verteidigungsministerium Ende Juli 2019 bereits die Auswahlentscheidung für den mehrrollenfähigen Fregattenhubschrauber als Ersatz für die Westland Sea Lynx Mk 88A getroffen. Ab 2025 sollen die Marineflieger 31 Sea Tiger erhalten, die – wie es offiziell heißt – deutsche Version des NH90 NATO Frigate Helicopter, der der französischen Variante NFH (NFRS) Caiman am nächsten komme. Ein gewichtiges Argument für den Sea Tiger war die Vereinheitlichung der Flotte, auch wenn sich die Ausrüstung deutlich unterscheiden wird und auch die Crews angesichts der unterschiedlichen, sehr komplexen Missionen nur bedingt auf beiden Mustern eingesetzt werden können. Da die Anpassentwicklungen für die Ausrüstung zur U-Boot-Jagd und Seezielbekämpfung ihre Zeit beanspruchen, drängt die Industrie auf einen baldigen Vertragsabschluss. Wenn eine Einsatzbereitschaft 2025 angestrebt wird, müssen die Lieferungen 2024 beginnen und ein Auftrag noch 2020 erteilt werden.Dann hat man für eine vermutlich komplexere Aufgabe etwa genauso viel Zeit wie jetzt für die Entwicklung der Sea-Lion-Variante.
Insgesamt 131 NH90 für die Bundeswehr
Für das Werk in Donauwörth ist die weitere Produktion von Hubschraubern der NH90-Familie wichtig, da es sich derzeit um die einzige militärische Serienfertigung handelt. 500 der rund 7000 Arbeitsplätze würden dadurch gesichert, so Wolfgang Schoder, CEO von Airbus Helicopters Deutschland. Bis zu zehn Maschinen pro Jahr können gebaut werden, wobei derzeit auch noch Transportvarianten für die Heeresflieger in Produktion sind. Die Bundeswehr wird 82 TTH (Tactical Transport Helicopter) erhalten. Zusammen mit den Marinehubschraubern ergeben sich 131 Maschinen, womit Deutschland zum größten NH90-Nutzer weltweit werden wird.





NH90 – Die Kunden der Marineversionen
Belgien 4 (ASW/ASuW/SAR)*
Deutschland 18 (SAR/Unterstützung)
Frankreich 27 (17 ASW/ASuW und 10 SAR/Unterstützung)
Italien 46 (ASW / ASuW)
Katar 12 (ASW / ASuW)
Niederlande 20 (ASW/AsuW)
Norwegen 14 (ASW /ASuW)
*ASW = U-Boot-Jagd, ASuW = Schiffsbekämpfung, SAR = Rettungsdienst
Technische Daten NH Industries NH90 Sea Lion
Typ: Marine-Mehrzweckhubschrauber
Besatzung: 3 – 4
Soldaten: 14 voll ausgerüstete Soldaten oder Krankentragen und Notausrüstung für SAR-Dienst
Bewaffnung: 1 – 2 schwenkbare M3M-MGs (12,7 mm) in der Kabine
Triebwerke: 2 x Rolls-Royce/Turbomeca- Wellenturbinen RTM 322-01/9
Dauerleistung: 2 x 1662 kW
Notleistung (30 s): 2 x 2172 kW
Rumpflänge: 16,13 m
Länge über alles: 19,56 m
max. Breite: 4,52 m
Höhe zum Rotorkopf: 4,20 m
Durchmesser des Hauptrotors: 16,30 m
Durchmesser des Heckrotors: 3,20 m
Leermasse: 6400 kg
Nutzlast in der Kabine: 2500 kg
Außenlast: bis zu 4200 kg
Kraftstoff: 2035 kg, Zusatztanks: max. 1600 kg
max. Startmasse: 11 000 kg
max. Geschwindigkeit: 296 km/h
max. Marschgeschwindigkeit: ca. 260 km/h
max. Einsatzhöhe: 6000 m
Schwebeflughöhe ohne Bodeneffekt: 2600 m
max. Reichweite: ca. 980 km
Flugzeit: ca. 110 km vom Schiff 3 h 20 min plus 20 min Reserve