Auf der Beschleunigungsspur
Deutsche Astronautinnen

Nicola Baumann und Insa Thiele-Eich haben dasselbe Ziel: 2020 als erste deutsche Frau zur Internationalen Raumfahrtstation ISS zu fliegen.

Deutsche Astronautinnen
Insa Thiele-Eich (34): Als Meteorologin und wissenschaftliche Koordinatorin am Meteorologischen Institut der Uni Bonn betreibt die Heidelbergerin Grundlagenforschung für eine bessere Wetter- und Klimavorhersage. In ihrer Doktorarbeit analysiert sie die Folgen des Klimawandels auf Bangladesch. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder. Foto und Copyright: Markus Gloger/Die Astronautin

Die ersten Flugversuche in der Schwerelosigkeit führen Insa Thiele-Eich und Nicola Baumann von der rechten zur
linken Kabinenwand einer zum Parabel­flieger umgebauten Iljuschin Il-76. Kein großer Schritt für die Menschheit, wohl aber für Deutschlands erste kommerzielle bemannte Raumfahrtmission.

Elf Deutsche waren bisher im Weltall, allesamt Männer. Deshalb rief Claudia Kessler, Chefin des Raumfahrt-Personaldienstleisters HE Space Operations, 2016 die Initiative „Die Astronautin“ ins Leben. In mehreren Auswahlrunden setzten sich im April Nicola Baumann und Insa Thiele-Eich gegen 400 weitere Bewerberinnen durch. Eine der beiden könnte Deutschlands erste Astronautin werden, wenn das private Projekt die veranschlagten 50 Millionen Euro zusammenbekommt, um 2020 eine etwa zehntägige ISS-Mission zu finanzieren. „Das Risiko ist nicht unerheblich, dass wir es nicht hinkriegen. Aber ich finde die Idee so spannend, dass sie es mir wert ist, sie zu verfolgen“, sagt Nicola Baumann. Die 32-Jährige ist eine von drei Frauen, die bei der Bundeswehr Euro­fighter fliegt. Das Thema Frauenförderung liegt für sie dennoch nicht im Fokus von „Die Astronautin“: „Ich finde es schön, wenn die Initiative Mädchen und Frauen begeistert und dazu bringt, ihr Ding zu machen. Aber auch kleine Jungs und Männer haben das Recht
darauf, inspiriert zu werden.“

Die erste Hürde nahm die Initiative Ende April, als mithilfe einer Crowd­funding-Kampagne fast 70 000 Euro eingeworben wurden. Genug, damit die beiden Frauen ihre etwa zwei Jahre dauernde Ausbildung beginnen konnten. Mitte August standen im „Sternenstädtchen“ bei Moskau neben Parabelflügen auch ein Zentrifugentraining und eine Einweisung in die Sojus-Kapsel auf dem Programm. Aktuell macht Insa Thiele-Eich  den Tauchschein und die Privat­pilotenlizenz. Nicola Baumann wird zur Rettungssanitäterin ausgebildet und lernt Russisch.

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Nicola Baumann (32): Die gebürtige Münchnerin ist Eurofighter-Pilotin (Dienstgrad: Major) bei der Bundeswehr in Nörvenich bei Köln. Nach der Offiziers- und Kampfflugzeugpiloten-Ausbildung absolvierte sie ein Maschinenbau-Fernstudium mit Schwerpunkt Luft- und Raumfahrttechnik. Sie ist verheiratet mit einem US-Luftwaffenpilot. Foto und Copyright: Markus Gloger/Die Astronautin

Die Faszination für die Raumfahrt liegt bei Insa Thiele-Eich in der Familie. Ihr Vater Gerhard Thiele war Astronaut, im Februar 2000 gehörte er zur Besatzung der Space-Shuttle-Mission STS-99. Sein wichtigster Ratschlag? „Stay calm and have fun“, also ruhig bleiben und Spaß haben. „Hilft in vielen Lebenslagen, aber auch beim Auswahlverfahren hat es mir an der ein oder anderen Stelle geholfen, den Mut nicht allzu sehr zu verlieren“, sagt die 34-jährige Meteorologin. Auch Nicola Baumann ist seit ihrer Kindheit von der Raumfahrt begeistert: „Wenn ich in den Himmel blicke, dann spüre ich ähnlich wie Seefahrer den Wunsch, fremde Welten zu entdecken und ein bisschen an der Entwicklung der Menschheit teilzuhaben.“ Diese Möglichkeit könnte die ISS-Mission bieten. Dabei soll die ausgewählte Astronautin nicht nur Experimente durchführen, sondern selbst Versuchsobjekt sein.

Am Ende kann aber, wenn überhaupt, nur eine der beiden Frauen zur ISS. „Auch wenn Insa Thiele-Eich fliegt, ist die ganze Erfahrung, die ich machen darf, eine außergewöhnliche Chance“, sagt Nicola Baumann. Sie hofft, dass die kommerzielle Raumfahrt noch mehr Fahrt aufnimmt. Unternehmen wie SpaceX bräuchten dann auch gut ausgebildete Astronautinnen.

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