Lieferdienst im Weltraum: Cargo-Raumschiffe versorgen die Raumstationen

Cargo-Raumschiffe
Frachtverkehr in den Weltraum

ArtikeldatumVeröffentlicht am 23.08.2025
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Der Transporter Tianzhou 9 startete am 14. Juli zur chinesischen Raumstation Tiangong, um die an Bord befindlichen Taikonauten mit lebenswichtigen Dingen zu versorgen. Einige Tage früher, am 3. Juli 2025, flog das russische Versorgungsraumschiff Progress MS-31 zur Internationalen Raumstation (ISS). Anders als die bemannten Raumflüge werden die Starts von unbemannten Transportraumschiffen heute nur noch von damit befassten Fachleuten und an der Raumfahrt interessierten Laien wahrgenommen. Doch ohne den Nachschub von der Erde wäre keine bemannte Raumstation über Jahre lebens- und arbeitsfähig. Die Labore im All hängen gewissermaßen an einer unsichtbaren Nabelschnur. Bis heute wurden für diesen Lieferdienst über 300 Raumtransporter zu verschiedenen Stationen im Erdorbit geschickt.

Tianzhou 9 vor dem Andocken an die Chinesische Raumstation Juli 2025
CMSEO

Es begann 1978

Das erste speziell für Transport- und Versorgungsaufgaben ausgelegte Raumschiff wurde am 20. Januar 1978 von Baikonur aus auf den Weg zur sowjetischen Raumstation Saljut 6 gebracht. Es handelte sich um Progress 1, einen Raumflugkörper, der von dem bewährten Raumschiff Sojus abgeleitet wurde. Da das Sojus-Raumschiff neben zwei Besatzungsmitgliedern – später waren es drei – nur wenige Kilogramm Lebensmittel und anderes Material mitnehmen konnte, war den sowjetischen Konstrukteuren der Saljut-Stationen früh bewusst, dass es mit dem Flug der Besatzungen zu ihrem Ziel in der Umlaufbahn nicht getan ist. Und auch in der beim Start noch unbemannten Station waren die Nutzlastkapazitäten begrenzt. Das störte bei den ersten, eher experimentellen Stationen wie Saljut 1 bis 5 oder dem amerikanischen Skylabzwar noch wenig, doch das Ziel sind langlebige Labore im All, die aus Modulen zusammengebaut werden und in denen die Astronauten über viele Monate arbeiten. Saljut 6 war die erste Station mit Langzeitbetrieb. Sie wurde 1977 in die Umlaufbahn gebracht und beherbergte bis 1981 sechs Stamm- und zehn Besuchsmannschaften. Sie benötigten wie auch heutige Astronauten Dinge, die der Mensch genauso auf der Erde braucht: Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung, Trinkwasser und Sauerstoff für die Atemluft. Ein Raumfahrer verbraucht pro Tag rund 15 Kilogramm feste, flüssige und gasförmige Stoffe. Das sind etwa 800 Gramm Sauerstoff, zweieinhalb Liter Trinkwasser und 700 Gramm bis ein Kilogramm Nahrungsmittel. Dazu kommt noch Wasser für die Körperhygiene. Die Liste der erforderlichen Materialien für eine Raumstation ist aber noch länger und beinhaltet neben Treibstoff für die Korrekturtriebwerke auch Ersatzteile oder Ausrüstungen für neue Experimente. Für technologische und biologische Versuche werden zudem Materialproben geliefert.

Juri Romanenko beim Ausladen der Progress 1
RKK Energija

Zusätzliche Aufgaben

Sind die Transporter ausgeladen, dienen sie als außerirdische Müllabfuhr, denn Abfälle werden von den Astronauten genauso wie bei der irdischen Bevölkerung erzeugt. Der leere Frachtraum wird mit dem Müll gefüllt. Anschließend erfolgt nach dem Abkoppeln von der Station der Eintritt in die Erdatmosphäre, wo alles verglüht. Eine Ausnahme bildet derzeit die wiederverwendbare Cargo Dragon von SpaceX, die auch über eine Rückkehrkapsel verfügt und nur ein Modul, den sogenannten Trunk (deutsch Haupt- oder Basisteil) mit Müll verglühen lässt. So können Arbeitsergebnisse, Ausrüstungen und anderes zur Erde zurückgebracht werden. Zudem haben die russischen Progress-Transporter noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Alle Raumstationen befinden sich in einem niedrigen Erdorbit, wo noch Reste der Erdatmosphäre durch Reibung zur Absenkung der Umlaufbahn führen, bei der ISS täglich 50 bis 150 Meter. Deshalb werden die angekoppelten Frachter für das regelmäßige Anheben der Stationsumlaufbahn mittels Zünden ihres Haupttriebwerks genutzt. Dazu kommen vermehrt Ausweichmanöver vor Weltraumschrott. In der Zeit von 2008 bis 2015 wurden auch die europäischen ATV-Weltraumfrachter (Automated Transfer Vehicle) für diese Aufgabe eingesetzt.

Die Dragon, angekoppelt an die ISS und leer
NASA

Drei Typen für die ISS

Aktuell gibt es drei Typen von Ver- und Entsorgungs-Raumflugkörpern für die ISS: Progress MS aus Russland sowie Cargo Dragon 2 von SpaceX und Cygnus von Northrop Grummanaus den USA. Sie alle halten die ISS am Laufen, an der gleichzeitig acht Raumschiffe ankoppeln können – vier am russischen und vier am amerikanischen Segment. Die ISS-Versorgungsflotte soll wahrscheinlich noch in diesem Jahr durch das amerikanische Mini-Space-Shuttle Dream Chaser sowie die japanische HTV-X (H-3 Transfer Vehicle) erweitert werden. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA hat 2024 die Unternehmen The Exploration Company (Deutschland) und Thales Alenia Space (Italien) mit der Entwicklung neuer Transportkapseln für die Belieferung der ISS beauftragt. China versorgt die Station Tiangong mit seinen Tianzhou-Transportern. Alle Typen verfügen über einen Frachtraum mit atmosphärischem Druck. So können die Raumfahrer den Frachtraum sofort nach der Kopplung betreten und entladen. In einer weiteren Sektion sind Tankbehälter für flüssige und gasförmige Stoffe untergebracht. Treibstoff umpumpen können aber nur die Progress-Transporter an den russischen Modulen, denn die amerikanischen Koppelstutzen haben keine Treibstofftransferleitungen.

Rendering des Dream Chaser Raumgleiter
Sierra Space

Von Progress zu Shuttle und ATV

Nachdem die Progress-Transporter bis 2000 zunächst die sowjetischen Saljut-Stationen und die MIR anflogen, versorgten sie ab 2000 den russischen Teil der im Aufbau befindlichen ISS. Allerdings ist das maximale Ladegewicht bei Progress in der modernsten Variante MS auf 2,6 Tonnen begrenzt. Bei trockener Fracht im Laderaum sind es nur 1800 Kilogramm. Die Hauptarbeit mussten in der Anfangszeit der ISS deshalb die amerikanischen Space Shuttles leisten, die neben dem Transport von Modulen und Ausrüstungen für die Montage auch Astronauten zur Station brachten und große Mengen Verbrauchsgüter mitführten. Im Gegensatz zu den Progress-Raumschiffen konnten sie auch schwere, große und sperrige Ausrüstungen und Geräte bewältigen. Für den Transport von Versorgungsgütern wurde im Frachtraum des Shuttle das MPLM (Multi-Purpose Logistics Module), ein zylinderförmiger Frachtraum mit Atmosphärendruck, eingesetzt. Als Ergänzung für die Shuttle-Transporte wurde im Rahmen eines Barter-Abkommens mit der NASA beim damaligen Raumfahrtkonzern Astrium in Bremen im Auftrag der ESA das ATV entwickelt, von dem fünf Stück gebaut wurden. Aufgrund seines hochentwickelten Navigationssystems wurde die automatische Heranführung an die ISS sowie die automatische Kopplung an das russische Swesda-Modul ermöglicht. Zudemkonnte es dreimal so viel Fracht transportieren wie die Progress. Seit 2009 kamen auch die japanischen HTV (H-2 Transfer Vehicle) ähnlicher Größe zum Einsatz. Insgesamt wurden bis 2020 neun HTV zur ISS geschickt.

HTV-X-Frachter Zeichnung
JAXA

COTS – Die Privatisierung

2006 legte die NASA das Förderprogramm "Commercial Orbital Transportation Services" (COTS) auf, das die Frachtleistungen zur ISS privatisieren sollte. Aus diesem Programm erhielten nach mehreren Bewerberrunden SpaceX und Orbital Sciences (heute Northrop Grumman) Gelder für ihre Transporter Dragon und Cygnus. Damit sollten die exorbitant teuren Space-Shuttle-Flüge abgelöst werden. Diese kosteten pro Flug zwischen 450 Millionen und einer Milliarde Dollar. Nach dem Ende der Shuttle-Flüge waren die neuen Kapseln dann auch die willkommene Ablösung. Die Frachtflüge werden von der NASA zu einem Festpreis bei den beiden Firmen in Auftrag gegeben, später auch bei Sierra Space für den Dream Chaser nach dessen erfolgreicher Erprobung. Überhaupt ist der Betrieb einer Raumstation eine teure, aber lohnende Angelegenheit. Die Versorgungsflüge haben daran einen nicht geringen Anteil. Genaue Kosten sind nur schwer zu bekommen, denn einen einigermaßen realen Vergleich lassen nur die Kosten pro Kilogramm transportierter Fracht zu. Fest steht jedoch, dass der Betrieb immer noch zu teuer ist. Ein Weg für günstigere Flüge ist der von SpaceX: Elon Musks Firma verwendet die Dragon-Kapsel und die erste Stufe der Falcon-Trägerrakete mehrfach. Weitere Bemühungen gibt es, so werden beispielsweise an Bord der ISS gebrauchtes Wasser, Urin, Schweiß und Kondenswasser zu trinkbaren Wasser aufgearbeitet. Sauerstoff kann durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen werden. Und der dabei anfallende Wasserstoff wird auf der ISS im Lebenserhaltungssystem ACLS (Advanced Closed Loop System) mit dem Kohlendioxid aus der Luft wieder zu Wasser und Methan verarbeitet (Sabatier-Prozess). Gewächshäuser im All für die Produktion eines Teils der Lebensmittel sind allerdings noch in einer frühen Entwicklungsphase. Es ist also noch ein langer Weg für eigenständige Stationen im Erdorbit, auf dem Mond oder gar dem Mars.