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Hubble-Nachfolger Webb Space Telescope

    Milliardeninvestition
    Hubble-Nachfolger: Webb Space Telescope

    Jeder kennt Hubble, doch das berühmte Satelliten­teleskop kommt in die Jahre. Frühestens in drei Jahren soll sein Nachfolger gestartet werden, an dem sich auch die Europäer beteiligen. Die Wissenschaftler hoffen, dass sich die Milliardeninvestitionen lohnt.

    Hubble-Nachfolger: Webb Space Telescope

    Einst, als das Hubble Space Telescope (HST) noch ziemlich neu war im Amt, machte man sich bereits Gedanken darüber, was seine Arbeit fortsetzen sollte, wenn der Satellit einmal ausgedient haben würde. Das war damals eigentlich schwer vorstellbar, denn Hubble hatte nach einigen heftigen Anfangsschwierigkeiten nicht nur tiefe Einblicke in die Vergangenheit unseres Universums ermöglicht, sondern die Satellitenastronomie überhaupt erst salonfähig gemacht. Und dennoch musste man sich wohl mit dem Gedanken vertraut machen, dass dieser kostbare Beobachter eines Tages den Geist aufgeben würde.

    Wollte man also ohne Pause die Erforschung des Alls mittels Teleskop fortsetzen, musste frühzeitig ein neuer Satellit her, und so entstand der Entwurf des NGST, des Next Generation Space Telescope. Allerdings sollte nicht einfach ein Nachbau, wenn auch unter Verwendung der neuesten Geräte, den berühmten Vorläufer ersetzen, sondern es musste ein Instrumententräger her, der tatsächlich neue Erkenntnisse versprach. Hat zum Beispiel Hubble ein sehr breit gestreutes Beobachtungsspektrum vom infraroten über das sichtbare bis hin zum ultravioletten Licht, so soll Webb – im Jahre 2002 nach dem früheren NASA-Administrator James Edwin Webb benannt – sich viel enger auf den infraroten Bereich konzentrieren. Die Astronomen glauben nämlich, dass sie auf der Suche nach Restwärme vom Urknall noch tiefer in die Geschichte des Universums eindringen können, als sie es bei der Verfolgung des sichtbaren Lichts ohnehin bereits tun.

    Daraus ergeben sich allerdings weitere große Unterschiede zu Hubble, die sich vor allem in der Bauweise ausdrücken. Kann das HST aufgrund seiner röhrenförmigen Konstruktion von einer normalen Satelliten-Umlaufbahn in rund 550 Kilometern Höhe über der Erdoberfläche die Sterne beobachten, so wird das beim WST nicht möglich sein.

    Will man nämlich selbst die geringsten Infrarotstrahlen aus den Tiefen des Alls auffangen, dann muss der Satellit so weit weg wie möglich von störenden Wärmequellen positioniert werden, was im konkreten Fall bedeutet, dass er am Lagrange-Punkt L2 arbeiten wird. Das ist einer der Punkte, an denen sich das System Erde-Sonne im Gleichgewicht befindet, etwa 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde auf einer gedachten Linie zwischen der Sonne und unserem Heimatplaneten. Dort steht die Sonne vom Satelliten aus gesehen immer im Erdschatten und kann diesen nicht erwärmen.

    Zusätzlich sorgt ein komplexes System aus mehreren Lagen Kapton für zusätzliche Kühlung, und dieser fünflagige Schild mit einer Größe von 12,2 mal 19,8 Metern soll die Wärmestrahlung von Sonne, Erde und Mond weitestgehend von den Beobachtungsgeräten fernhalten. Damit werden hinter dem fünften Schild, von der Sonne aus gesehen, etwa minus 220 Grad Celsius erwartet. Eine zusätzliche Kühlung mit Flüssiggas sorgt dann für weniger als minus 258 Grad am Hauptinstrument des Satelliten, sodass dieses auch äußerst geringe Wärmemengen registrieren kann.

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    Wissenschaftler hoffen auf lange Betriebszeit

    Mindestens fünf Jahre lang soll das Webb Space Telescope zufriedenstellend arbeiten, doch der Treibstoff für Lagekorrekturen reicht sogar für zehn Jahre. Natürlich hoffen alle Beteiligten, dass der Satellit so lange, eventuell sogar noch länger durchhält, denn sein Arbeitsplatz ist zu weit von der Erde entfernt, als dass man – wie bei Hubble – Wartungs- oder Reparaturmissionen starten könnte. Dementsprechend groß ist der Aufwand für die Herstellung, die Montage und die Tests aller Baugruppen und vor allem der Beobachtungsinstrumente. Bei diesen handelt es sich um

    • das Hauptteleskop TMA (Three Mirror-Anastigmat) mit einem Hauptspiegel aus 18 sechseckigen Segmenten und einem Durchmesser von sechseinhalb Metern. Die Spiegel bestehen aus besonders leichtem Beryllium, die insgesamt, einschließlich der Befestigung, nur 15,6 Kilogramm pro Quadratmeter wiegen. Jedes einzelne Segment wiegt bei einer Größe von 1,3 Metern 20 Kilogramm. Der Sekundärspiegel kann in sechs Freiheitsgraden ausgerichtet werden, und über den Tertiär- sowie den Feinausrichtungsspiegel wird das Licht auf die Instrumente fokussiert. Damit beträgt die effektive Brennweite des Systems 131,4 Meter.

    • die NIRCam (Near Infrared Camera) zur Aufzeichnung der infraroten Strahlung im Wellenlängenbereich zwischen 0,6 und 5 Mikrometern. Sie dient vor allem der Suche nach den ersten Sternen, welche nach dem Urknall entstanden sind.

    • das MIRI (Mid-Infrared Instrument) für die Erforschung infraroter Strahlung zwischen 5 und 27 Mikrometern Wellenlänge, das aus einer Kamera mit drei Detektoren und einem Spektrografen besteht. Die optische Bank für dieses NASA-Instrument stammt von der ESA.

    • der NIRSpec (Near Infrared Spectrograph) für Wellenlängen von 0,6 bis 5 Mikrometern. Das Gerät wurde von Astrium in Ottobrunn beziehungsweise in Friedrichshafen gefertigt.

    • der FGS (Fine Guidance Sensor) für die Ausrichtung des Teleskops auf den gewünschten Beobachtungsbereich. Er wurde unter Leitung der kanadischen Raumfahrtagentur entwickelt.
    Aus Kanada sind auch Experten des Nationalen Forschungsrates, der Universität Montreal und des Herzberg-Instituts für Astrophysik beteiligt, während die ESA die Trägerrakete Ariane 5 für den Start sowie Personal für den Betrieb stellt. Ein entsprechender Beschluss des ESA-Ministerrates wurde 2003 gefasst.

    Die Projektarbeiten begannen schon 1996. Viel Zeit für Entwicklung und Bau eines Satelliten, der zudem einer der teuersten der bisherigen Raumfahrtgeschichte sein wird. Die derzeit aufgelaufenen Kosten werden mit rund neun Milliarden Dollar (zirka acht Milliarden Euro) angegeben, sodass das US-Repräsentantenhaus zwischenzeitlich sogar daran dachte, den Bau zu stoppen. Jedoch waren zu dem Zeitpunkt schon etwa drei Viertel aller Baugruppen beschafft worden, darunter fast alle Instrumente.

    In Absprache mit allen Beteiligten wurden die Arbeiten schließlich doch weitergeführt, denn sie hatten einen Stand erreicht, bei dem ein Abbruch wirtschaftlich und wissenschaftlich keinen Sinn gehabt hätte. Die Wissenschaftler hoffen, dass alles den Aufwand wert ist.

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    Das Spiegelsystem des Webb Space Telescope im Test

    Raffinierte Versteifungen auf den Rückseiten verhindern Verformungen. Foto und Copyright: NASA

    Die einfallende Strahlung wird vom Haupt- zum Sekundärspiegel gelenkt, von wo aus sie auf den dritten Spiegel trifft. Dieser wiederum schickt es an die Beobachtungsinstrumente. Für entsprechende Tests wurde beim Johnson Space Center eine Vakuumkammer aus Apollo-Zeiten reaktiviert, welche als einzige groß genug ist, den voll entfalteten Satelliten aufzunehmen.

    Bei minus 262,1 Grad Celsius (11 Kelvin) mussten alle Instrumente ihr präzises Zusammenspiel nachweisen. Dazu wurde in der 27,4 mal 16,8 Meter großen Kammer mit ihrer 40 Tonnen schweren Stahltür ein fast perfektes Vakuum erzeugt. Normalerweise befinden sich hier rund 25 Tonnen Luft, was der Masse von zwölfeinhalb VW Beetles entspricht. Nach dem Abpumpen entsprach die Masse der noch vorhandenen Luft jener einer Büroklammer! Mehr ist unter den auf der Erde herrschenden Bedingungen derzeit technisch nicht möglich.

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