Tatsächlich ließ sich auch auf Nachfrage unter all den angereisten Boeing-Experten nicht ein einziger finden, der für Raumfahrt zuständig war, und die gleiche Fehlanzeige gab es auch bei Lockheed Martin. Immer wieder der Hinweis, dass man ja im Netz alle Informationen findet, die man sucht. Dieses Verhalten kann man beinahe verständlich finden, denn wie bereits berichtet, waren selbst große Konzerne der Luft- und Raumfahrt nicht in Le Bourget vertreten. Immer wieder der Verweis auf die hohen Kosten und die Konzentration auf Märkte, wo tatsächlich Geschäfte gemacht werden. Auf reine Leistungsschauen wolle man künftig verzichten.
Vielleicht müssen wir ja tatsächlich umdenken in dieser Beziehung: In der Tat werden in Paris weder Satelliten verkauft noch Startverträge abgeschlossen. Die Europäer indessen nutzten den Auftritt im eigenen „Wohnzimmer“ zum wiederholten Mal für eine umfangreiche Präsentation, die vor allem auf das öffentliche Publikum außerhalb der Fachbesuchertage zielte, denn da kamen die Steuerzahler zuhauf, und die wollten schon wissen, was mit ihrem Geld geschieht.

Russland wiederum, traditionell ein starker Partner in Paris und immer für Überraschungen auf dem Raumfahrtsektor gut, stellte sich als Großmacht der Weltraumfahrt dar, mit wortwörtlich hochfliegenden Plänen, die, wenn sie denn bis zum Schluss finanziert werden, äußerst ambitioniert sind. Zumindest derzeit scheinen Präsident und Regierung voll hinter den Plänen zu stehen, und angesichts der politischen Querelen braucht man auf dieser Seite genau jene Leistungsschau, welche die Amerikaner für sich selbst ablehnen. Dass dahinter die Haltung durchschimmerte, man sei auf Partner eigentlich nicht angewiesen und ziehe all die Projekte notfalls alleine durch, hatte einen unangenehmen Beigeschmack.
Arianespace, Noch-Weltmarktführer auf dem Gebiet des kommerziellen Raumtransports, zeigte sich ebenfalls bescheiden mit seinem stark verkleinerten Chalet und merklich verringertem Personalbestand. Dabei kam von hier die wichtigste Meldung: Der französische Staat überträgt seine Anteile am Unternehmen, gehalten über die nationale Raumfahrtagentur CNES, an das Gemeinschaftsunternehmen Airbus Safran Launchers, das künftig 74 Prozent hält. Damit findet endlich der jahrelange Prozess der „Industrialisierung“ ein Ende, in dessen Folge die Übermacht des CNES im komplizierten Ariane-Geflecht gebrochen wird.
FLUG REVUE Ausgabe 08/2015