Elektrisches Fliegen im All: Raumfahrtantriebe unter Strom

Raumfahrtantriebe unter Strom
Elektrisches Fliegen im All

ArtikeldatumVeröffentlicht am 14.12.2025
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Elektrisches Fliegen im All
Foto: ESA Carill

Kein Tag vergeht, an dem nicht über die Elektrifizierung der Antriebe von Verkehrsmitteln zu Land, zu Wasser oder in der Luft berichtet wird, um dem Klimawandel die Stirn zu bieten. In der Raumfahrt gibt es bereits seit Jahrzehnten elektrische Triebwerke für spezifische Aufgaben. Sie arbeiten allerdings außerhalb der Erdatmosphäre. Deshalb führt ihr Einsatz nicht zur Vermeidung von Treibhausgasen, sondern sie haben andere Vorteile.

Echte Oldtimer

Bereits 1964, also nur sieben Jahre nach Beginn der Raumfahrt, wurden sowohl von den USA als auch der UdSSR erste Exemplare im All getestet. Diesen Antriebstyp hatten aber schon Raketenpioniere wie Robert Goddard und Hermann Oberth im frühen 20. Jahrhundert als Zukunftsvision erahnt. Es sollte jedoch noch Jahre dauern, bis elektrische Triebwerke so zuverlässig wurden, dass einem serienmäßigen Einsatz nichts mehr im Wege stand.

Moderne All-Rounder

Heute nutzen die meisten geostationären Satelliten solche Antriebe für die Lageregelung. Neue leistungsfähigere Typen beschleunigen inzwischen interplanetare Raumsonden, wie zuletzt die Asteroidensonden DART und Hayabusa. Und es gibt neuerdings sogenannte vollelektrische geostationäre Satelliten, deren Orbitanhebung in die geostationäre Bahn und Umlaufbahnmanöver mittels eines elektrischen Antriebs vollzogen werden.

Schwach, aber Ausdauernd

Was ist der Vorteil des elektrischen Fliegens im All gegenüber den üblichen chemischen Triebwerken? Dafür muss zunächst die Arbeitsweise der beiden Arten betrachtet werden. Chemische Triebwerke verbrennen Kerosin, Hydrazin, Wasserstoff oder einen Feststoff als Treibstoff. Die chemische Bindungsenergie in dessen Molekülen wird durch den Verbrennungsvorgang in der Brennkammer in thermische Energie gewandelt. Das führt dazu, dass die Verbrennungsprodukte über die Triebwerksdüse mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen werden. Der Treibstoff ist also der Energieträger und stellt gleichzeitig die für den Start einer Rakete benötigte Masse für den Rückstoß zur Verfügung. Denn der Ausstoß der Masse in eine Richtung bewirkt nach dem dritten newtonschen Gesetz, welches das Rückstoßprinzip beschreibt, eine Gegenbewegung der Rakete oder eines Raumflugkörpers in die entgegengesetzte Richtung. Die zweite Komponente ist ein Oxidator, der den Sauerstoff für die Verbrennung liefert. Bei Feststoffantrieben ist er Bestandteil der Treibsatzmischung. Die Ausstoßgeschwindigkeit ist jedoch limitiert, denn die Art der Energiegewinnung bedingt eine physikalische Grenze, bis zu der den Treibstoffteilchen Energie zugeführt werden kann. Vorteilhafterweise führt der hohe Massenausstoß zu hohen Schüben bis in den Meganewton-Bereich, was notwendig für Trägerraketen ist, die die Erdanziehung und den Luftwiderstand der Erdatmosphäre überwinden müssen.

Effizienz als Spezialität

Bei elektrischen Triebwerken erfolgt die Energiebereitstellung dagegen in Form von Elektroenergie, die heute über Solarzellen gewonnen wird. Praktisch nicht genutzt werden derzeit andere Möglichkeiten, wie Kernenergie oder Radioisotopenquellen. Sofern genug Leistung zur Verfügung steht, gibt es keine natürliche Limitierung der Ausstoßgeschwindigkeit. Dadurch wird der Treibstoff sehr effizient genutzt. Die Masseneffizienz kann gegenüber chemischen Antrieben bis zu zehnmal höher sein. Als Treibstoff kommen je nach Antriebstyp meistens Xenon, Wasserstoff oder Hydrazin zur Anwendung. Ein Oxidator wird nicht benötigt, da keine Verbrennung stattfindet.

Damit wird auch schon ein Vorteil deutlich: Satellit oder Sonde benötigen weniger Platz für den Treibstofftank und es wird auch noch Masse eingespart, denn man braucht gegenüber chemischen Antrieben bedeutend weniger Treibstoff für ein Manöver. Bei Sonden mit konventionellen Antrieben sind oft mehr als 50 Prozent ihrer Masse für Treibstoff und Triebwerk erforderlich. Der Nachteil ist, dass sich keine hohen Massenausstöße erzielen lassen. Die Schübe bewegen sich heute von wenigen Mikronewton bis in den Millinewton-Bereich. Elektrische Triebwerke sind deshalb nicht für den Start einer Rakete geeignet.

Vielfältige Technologien

Der geringe Schub bringt einen weiteren Nachteil mit sich: Die Beschleunigung des Raumflugkörpers erfolgt sehr langsam. So werden für die Bahnanhebung eines geostationären Satelliten statt Stunden bis zu mehrere Monate benötigt. Bei interplanetaren Sonden spielt das keine Rolle, denn ein elektrischer Antrieb kann über lange Zeit kontinuierlich arbeiten, bis der Treibstoff alle ist. So werden allmählich sehr hohe Fluggeschwindigkeiten erreicht, die die Flugzeiten deutlich verkürzen oder die Flugweite erhöhen können.

Es wurden über die Jahre verschiedene Arbeitsprinzipien elektrischer Antriebe entwickelt. Man kann die Varianten grundsätzlich vier Typen zuordnen:

  • dem elektrothermischen Antrieb
  • dem elektrostatischen Antrieb
  • dem Hall-Antrieb
  • dem elektromagnetischen Antrieb

Elektrothermische Antriebe

Bei den elektrothermischen Antrieben wird das Treibstoffgas (Wasserstoff oder Hydrazin) durch einen stromdurchflossenen Widerstand auf bis zu 3000 Kelvin (2027 Grad Celsius) aufgeheizt (Resistojet). Das austretende Gas bleibt elektrisch neutral. Eine zweite Ausführung ist der Arcjet, bei dem die Aufheizung durch einen Lichtbogen erfolgt.

Elektrostatische Antriebe

Elektrostatische Antriebe sind die sogenannten Ionentriebwerke. Xenon wird durch Elektronenstoß-Ionisation zu einem Plasma überführt, einem Gemisch aus freien Elektronen, positiven Ionen und neutralen Teilchen, aus dem die Ionen durch ein elektrisches Feld gerichtet beschleunigt werden und so den Schub erzeugen. Bei den Kaufmann-Triebwerken erfolgt die Ionisation mittels Gleichstrom über einen Elektronenemitter. Eine zweite Möglichkeit ist die Ionisation über ein hochfrequentes Wechselfeld (RIT = Radiofrequency Ion Thruster). Das RIT wurde in den 1960er Jahren an der Universität Gießen von Prof. Horst Löb erfunden. Heute werden solche Typen in Deutschland von der ArianeGroup in Lampoldshausen gebaut (z.B. RIT10 EVO, RITµX, RIT2X).

Hall-Effekt Thruster

Das Kaliningrader Unternehmen FAKEL (UdSSR, Russland) brachte in den 1960er Jahren den Hall-Effekt-Antrieb zur Serienreife, bei dem ebenfalls ein Ionenstrahl den Schub erzeugt. Ein speziell geformtes Magnetfeld erhöht jedoch die Austrittsgeschwindigkeit und damit die Effizienz. Spätere Entwicklungen in Frankreich, Italien sowie den USA basieren auf der Technologie der Russen.

Elektromagnetische Antriebe

Beim elektromagnetischen Antrieb, auch Plasmaantrieb genannt, werden ebenfalls Ionen mittels eines starken Magnetfeldes beschleunigt. Als Treibstoff eignen sich Argon, Lithium oder Wasserstoff. Aufgrund des hohen Energiebedarfs, der bei einer sinnvollen Anwendung im Megawattbereich liegt, werden sie aber selten eingesetzt. Ihnen wird jedoch großes Potenzial zugeschrieben, wenn leistungsfähigere Energiequellen zur Verfügung stehen, denn die Austrittsgeschwindigkeit der Ionen ist extrem hoch. In Labors wurden bis 144 000 km/h erreicht. Künftige Raumschiffantriebe auf dieser Basis könnten die Reisezeit zu anderen Planeten drastisch verkürzen, beispielsweise für die Strecke Erde – Mars von 180 Tagen auf anderthalb Monate.

Mit elektrischen Antrieben zur Mondraumstation

In den USA wird derzeit von der NASA und Aerojet Rocketdyne ein Hall-Effekt-Antrieb für das künftige Power and Propulsion Element (PPE) des Lunar Gateway entwickelt und erprobt. Ursprünglich war er für die gecancelte Asteroid Redirect Mission vorgesehen. Das Advanced Electric Propulsion System (AEPS) soll 600 Millinewton Schub pro Antrieb liefern. Für das Gesamtsystem von sechs Antrieben werden 40 bis 50 Kilowatt elektrische Energie benötigt, die von ausrollbaren Solarzellenflächen (ROSA) geliefert werden. Das ist eine neue Dimension für elektrische Triebwerke und zeigt die Zukunftsfähigkeit der "Elektrischen" für Antriebsaufgaben im Weltall.