H36W-1 startete am Samstag um 2.03 Uhr MEZ (27. Januar, 22.03 Uhr Ortszeit) an Bord einer Sojus vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana. Rund eine halbe Stunde nach dem Start setzte die Rakete den 3,2 Tonnen schweren Satelliten in seinem geostationären Transferorbit aus. Der Zielorbit befindet sich in 36.000 Kilometern Höhe über dem Äquator.
Es ist der erste Satellit der neuen, wesentlich in Deutschland entwickelten und gebauten Plattform SmallGEO für relativ leichte geostationäre Satelliten. Die Plattform ist modular aufgebaut und kann verschieden konfiguriert und eingesetzt werden. SmallGEO ist vor allem für den kommerziell interessanten Markt der Telekommunikationsdienstleistungen gedacht.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat die Entwicklung von SmallGEO mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) wesentlich unterstützt: Deutschland ist der größte Beitragszahler des ESA-Programms und hat rund 150 Millionen Euro (42,5 Prozent des Gesamtbudgets) in die Entwicklung der Plattform und der Nutzlast investiert. "SmallGEO zeigt damit seit dem Programm DFS-Kopernikus, dessen letzter Satellit Anfang der 1990er Jahre gestartet wurde, dass Deutschland wieder in der Lage ist, Kommunikationssatelliten zu entwickeln und zu bauen", sagte Dr. Gerd Gruppe, Vorstand des DLR-Raumfahrtmanagements. Die jetzt gestartete Mission markiere den Markteintritt und stärke die deutsche Industrie im internationalen Wettbewerb.
Hauptauftragnehmer für den Satelliten ist ein Industrieteam unter Federführung der OHB System AG in Bremen."Der erste Satellit ist immer ein großer Schritt, vor allem, wenn man sich mit einer eigens neu entwickelten Plattform in ein so wichtiges Segment wie den Telekommunikationsmarkt wagt. Wir haben ein komplettes Design entwickelt, gemanagt, umgesetzt und in elf Monaten Testphase intensiv durchgecheckt“, so Dr. Dieter Birreck, verantwortlicher Projektleiter bei OHB System.
Weitere SmallGEO-Satelliten sind in Planung
H36W-1 wird die Iberische Halbinsel, die Kanaren und Südamerika mit Multimediadiensten versorgen. Die deutsche Firma Tesat Spacecom aus Backnang hat für diese Mission erstmals eine komplette Kommunikationsnutzlast ausgelegt und gebaut. Einen Teil dieser Nutzlast bildet der "Ka-Band Demonstrator", eine Kommunikationseinheit mit einer besonders großen Bandbreite an Frequenzen. Zu dieser Nutzlasteinheit gehören eine neuartige Ansteuerungseinheit und drei Leistungsverstärker. Beide Technologien werden im Weltall erprobt und sollen die Satellitenkommunikation flexibler machen. Denn bisher waren die Telekommunikationssatelliten relativ starr: Einmal ins All geschossen, sendeten sie über ihre gesamte Lebensdauer von rund 15 Jahren hinweg immer im selben Frequenzbereich und mit einer fest eingestellten Leistung. "Das ist heute nicht mehr zeitgemäß und geht am Markt vorbei. Ein flexibler Leistungsverstärker kann - wenn nötig - die Intensität verstärken oder verringern. Das spart Strom, der dann für andere Anwendungen zur Verfügung steht", sagte Dr. Frank Bensch, SmallGEO-Programmleiter beim DLR-Raumfahrtmanagement.
Die Steuerung und Kontrolle des Satelliten in den ersten zehn Tagen nach dem Start übernehmen die Ingenieure und Wissenschaftler des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums (GSOC) beim DLR in Oberpfaffenhofen und an der Bodenstation in Weilheim. "In der ersten Phase überprüfen wir intensiv die Funktion der Satellitenplattform und bringen den Satelliten auf seine geostationäre Umlaufbahn. Im Anschluss daran folgen die In-Orbit-Tests, die vor allem Nutzlasttests mit den Transpondern und Antennen umfassen, bevor der Satellit dann nach einigen Wochen an das Kontrollzentrum des spanischen Satellitenbetreibers Hispasat bei Madrid übergeben wird", erklärt Thomas Kuch, Abteilungsleiter für den Missionsbetrieb im DLR.
Der nächste SmallGEO-Satellit ist EDRS-C, der im Herbst 2917 das europäische Datenrelaissystem (EDRS) verstärkt. Mit EDRS-C wird die SmallGEO-Plattform um eine rein chemisch-angetriebene Variante erweitert. Auch die derzeit im Bau befindlichen europäischen Wettersatelliten Meteosat Third Generation, die deutsche Satellitenmission Heinrich Hertz (Start 2020) und die Mission Electra (Start 2022) basieren auf SmallGEO.