Wartung und Reparatur im All: Servicesatelliten sollen Raumfahrt nachhaltiger machen

Wartung und Reparatur im All
Servicesatelliten sollen Raumfahrt nachhaltiger machen

ArtikeldatumVeröffentlicht am 23.11.2025
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Anfang Juli überraschte China die Weltöffentlichkeit. Nach eigenen Angaben gelang es den chinesischen Technikern, einen Satelliten in der geostationären Umlaufbahn (GEO), das sind etwa 36 000 Kilometer über dem Erdäquator, in der Zeit von Ende Juni bis Anfang Juli mittels eines zweiten Satelliten mit Treibstoff zu betanken. Das ist eine Leistung, die andere Weltraummächte bisher nicht vollbracht haben. Der betankte Satellit Shijian-21 wurde 2021 gestartet. Er hatte ebenfalls eine Dienstleistungsaufgabe, dockte 2022 an den kaputten chinesischen Navigationssatelliten BeiDou 2G2 im GEO an und beförderte ihn in einen sogenannten Friedhofsorbit. Das ist ein Orbit etwa 300 Kilometer über dem regulären GEO, wo ausgediente oder defekte Satelliten verweilen. Dabei verbrauchte er einen Großteil seines Treibstoffes. Der Tankservice kam von Shijian-25, gestartet am 6. Januar 2025 vom Weltraumbahnhof Xichang. Nun ist Shijian-21 möglicherweise für weitere Rettungsmissionen bereit.

Die RSGS-Nutzlast in der kryogenen Vakuumkammer des U.S. Naval Research Laboratory in Washington, D.C., nach Abschluss der Tests
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Service soll Kosten senken

Bei solchen Experimenten geht es nicht um eine Rekord- oder Erstleistungsjagd. Es sind Tests für spätere Servicesatelliten, die vielfältige Aufgaben erfüllen und dabei die Kosten von Raumfahrtaktivitäten senken und Weltraummüll vermeiden sollen. Wohl kaum jemand kann sich vorstellen, sein teures neues Auto verschrotten zu lassen, weil die Scheibenwischer nicht funktionieren. So ähnlich ist es jedoch bis heute in der Raumfahrt. Manche neuen Satelliten haben nur einen kleinen Fehler, wie verklemmte Solarzellenpaddel, und müssen deswegen aufgegeben werden. Komplexe teure Satelliten im GEO fallen immer mal wieder aus oder ihr Treibstoff für Bahnkorrekturen ist aufgebraucht und sie müssen in den Friedhofsorbit gebracht werden, obwohl sie noch einige Jahre Dienst tun könnten. Das bedeutet für die Betreiber Millionenverluste. Deshalb gibt es seit Langem Bemühungen, Servicelösungen zu entwickeln, die ohne menschliche Hilfe im All auskommen. Bisher wurden einige wenige kostenintensive Reparaturen unter dem Einsatz von Raumfahrern durchgeführt. Erinnert sei nur an die fünf Instandsetzungsflüge in der Space-Shuttle-Ära zum Weltraumteleskop Hubble. Doch solche bemannten Serviceaktivitäten beschränkten sich bisher auf erdnahe Orbits und sind sehr teuer.

Die meisten Entwicklungen für autonome Hilfsplattformen konzentrieren sich derzeit auf den GEO, denn dort verweilen Satelliten mehrere Millionen Jahre. Bahnstörungen müssen dort durch Korrekturmanöver ausgeglichen werden, was Treibstoff erfordert. Die Einsatzdauer von geostationären Satelliten ist deshalb auf 15 bis 20 Jahre begrenzt. Danach begeben sie sich mit Resttreibstoff in den Friedhofsorbit, da Plätze im GEO sehr gefragt sind. Ausgefallene Satelliten oder solche ohne Treibstoff müssen schließlich mit fremder Hilfe in den Friedhofsorbit bugsiert oder eben neu betankt werden. Insofern ist die Mission Shijian-25 ein bedeutender Schritt für mögliche Verlängerungen der Einsatzzeit. Bisher geht die Entwicklung nur langsam voran, denn solche Einsätze erfordern hochentwickelte Robotersysteme sowie als Basis hochmanövrierfähige Satellitenplattformen. Ein zweiter wesentlicher Faktor sind die Transportkosten ins All. Bisher ist es oft so, dass eine Reparaturmission, wenn überhaupt möglich, teurer als ein Ersatzsatellit ist. Ein dritter Faktor für die zögerliche Entwicklung ist die Konstruktion der Raumflugkörper. Sie sind bisher nicht für die Betankung oder den Austausch einzelner Module ausgelegt. Hilfreich wäre das Designkonzept ORU (Orbital Replacement Unit). Beispiele für seine erfolgreiche Anwendung sind das Hubble-Teleskop und die ISS. Das Hauptaugenmerk liegt bei diesem Konstruktionsprinzip auf leicht zu verbindende, standardisierte Schnitt- und Befestigungsstellen, gute Zugänglichkeit der Module, handhabbare Baugröße, Andockmöglichkeiten und, wenn erforderlich, Tankstutzen. Lockheed Martin hat deshalb auch 2022 den Standard Mission Augmentation Port (MAP) vorgestellt. Dessen Ziel sind standardisierte Koppelschnittstellen, sodass bei seiner breiten Anwendung künftig jeder Satellit mit einem anderen koppeln kann.

Rendering eines Satelliten von Northrop Grumman bei Wartungsarbeiten im Orbit
Northrop Grumman

Erste Versuche

Einige bemerkenswerte Experimente fanden ab den 1990er-Jahren statt. Am 27. November 1997 wurde das japanische Satellitenpärchen Hikoboshi/Orihime gestartet, in der Projektphase als ETS VII (Engineering Test Satellite) bekannt, später ebenfalls als KIKU-7. Mit ihm wurden Versuche der automatischen Kopplung zweier Satelliten und verschiedene Robotikexperimente durchgeführt. Nach vier Fehlschlägen gelang schließlich am 27. August 1998 eine Kopplung aus über 500 Metern Entfernung. An Bord befand sich mit GETEX (German ETS VII Technology Experiment) auch ein Experiment vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), bei dem ein Roboterarm von der Erde aus ferngesteuert wurde (Telerobotik). Eine weitere Mission, nämlich Orbital Express von der US Defense Advanced Research Agency (DARPA), zeigte, dass solche Techniken auch militärisch relevant sind. Annäherung an fremde Satelliten und deren Inspektion sind heute bereits an der Tagesordnung. Aber Roboterarme der Inspektoren könnten nicht nur reparieren, sondern auch Schäden am anderen Raumflugkörper herbeiführen oder ihn zerstören. Die Mission bestand aus zwei Satelliten, Astro und Nextsat, und wurde am 9. März 2007 gestartet. Es wurden komplexe Annäherungs-, Inspektions- und Docking-Manöver durchgeführt. Die beiden Satelliten erprobten auch den autonomen Transfer von Flüssigkeiten und den Austausch von Komponenten wie beispielsweise einer Batterie. Im Zeitraum 2011 bis 2022 führte die NASA Technologiedemonstrationen mit dem Versuchskomplex Robotic Refueling Mission (RRM) an Bord und im Umfeld der ISS durch. Bei ihr wurden Komponenten wie Ventile, Düsen und Dichtungen für künftige Tankeinsätze erprobt. Getestet wurden auch Werkzeuge, die bei Satelliten zum Einsatz kommen sollen, die nicht für das Betanken im All vorbereitet sind. Die Mission hatte drei Phasen. Nach Abschluss der Arbeiten kam die Hardware der zweiten Phase mit der SpaceX Dragon CRS-10 für gründliche Untersuchungen zur Erde zurück. Für die dritte Phase schickten die Ingenieure unter anderem das Experiment Raven zur ISS. Mit ihm wurden Schlüsselelemente für die autonome Navigation eines Servicesatelliten zu einem defekten Raumflugkörper als Ziel erprobt. Bei der auch als RRM3 bezeichneten Phase wurden außerdem weitere Betankungstests durchgeführt.

Servicesatelliten
Northrop Grumman

Raumschlepper: MEV-1 und MEV-2

Für einen längeren Betrieb mit einem anderen Ansatz als das komplizierte Betanken sorgen die Mission Extension Vehicle (MEV) des US-Konzerns Northrop Grumman. Sie sind als erste Dienstleister bereits aus der Entwicklungsphase heraus. Ihr Ziel sind geostationäre Kommunikationssatelliten, deren Treibstoff aufgebraucht ist, die aber sonst noch funktionsfähig sind. Sie docken mithilfe eines Spreizarmes in der Triebwerksdüse des Ziels an und ersetzen dann dessen eigenen Antrieb. 80 Prozent der Kommunikationssatelliten im GEO besitzen ein Triebwerk, das mit MEV kompatibel ist. MEV-1 dockte am 25. Februar 2020 an Intelsat 901 an, verlängerte dessen Leben um fünf Jahre und koppelte am 5. April 2025 ab. Sein neues Ziel wird Optus D3 sein. MEV-2 übernahm am 12. April 2021 Intelsat 10-02 und ist mit ihm noch in Betrieb. Das Nachfolgeprojekt Mission Robotic Vehicle (MRV) wird auch einen Roboterarm haben und vielseitiger einsetzbar sein. Die erste Plattform soll 2026 in Betrieb gehen. Was hier bereits Realität ist, wird in Europa mit gleicher Zielstellung wie bei MEV/MRV von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA zusammen mit dem italienischen Unternehmen D-Orbit unter dem Projektnamen RISE erst entwickelt. Geplant ist sein erster Einsatz 2028, um dann für acht Jahre im GEO seinen Dienst zu tun. Es können hier nicht alle Projekte vorgestellt werden. Viele Vorhaben blieben auch Papiertiger oder wurden wegen Kostenexplosionen und/oder unerwarteten technischen Herausforderungen eingestellt. Es stehen aber viele Unternehmen in den Startlöchern, sodass sich in den nächsten Jahren eine vielfältige Serviceindustrie im All entwickeln könnte.