Strömung im Laserlicht
Forschung für den Langsamflug

Wissenschaftlern des DLR ist gemeinsam mit Airbus-Experten eine Weltpremiere gelungen: Erstmals haben sie die Luftströmung an der Tragfläche eines Passagierjets im Flug mit einem Laser sichtbar gemacht.

Forschung für den Langsamflug

Die Ingenieure entwickelten ein Verfahren, das die oberhalb des Flügels vorbeiströmenden Nebeltröpfchen erfasst und damit die Luftbewegung im Detail zeigt. Die Erkenntnisse helfen, künftig zu entwickelnde Tragflächen für langsamere und leisere Anflüge zu optimieren. 

Christina Politz und ihr Team vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik starteten am 6. Januar 2015 zum abendlichen Versuchsflug mit dem Forschungsflugzeug Airbus A320 ATRA (Advanced Technology Research Aircraft) vom Braunschweiger Forschungsflughafen. Dreieinhalb Stunden waren sie in der Luft. Bei mehrwöchigen Vorbereitungsarbeiten hatten sie zuvor in der Kabine des ehemaligen Passagierjets einen auffächerbaren Laser hinter einer speziellen optischen Scheibe montiert. „Daneben installierten wir zwei hochauflösende Spezialkameras hinter weiteren Kabinenfenstern und richteten Laser und Kameras auf die Tragfläche aus“, berichtet Politz. „So konnten wir im Flug tausende Bilder vom Funkeln der Nebeltröpfchen mit einem sogenannten Laserschnitt machen.“

Im Cockpit mit Laserschutzbrillen zu sitzen, war für die DLR-Testpiloten eine neue Erfahrung, denn nie zuvor flimmerten während eines Fluges Laserstrahlen über die Tragflächen des ATRA. „Es war schon etwas Besonderes, bei diesem Erstflug der etwas anderen Art das Steuer in der Hand zu halten“, sagt Hans-Jürgen Berns vom DLR-Bereich Flugexperimente. „Ein anspruchsvolles Unternehmen, das wir gut gemeistert haben.“

Derzeit entstehen aus den Aufnahmen am Computer erste präzise, dreidimensionale Animationen der Tragflächenströmung. „Wir wollen in bisher unerreichter Genauigkeit wissen, wie sich die Strömung im Langsamflug an den Tragflächen und Landeklappen sowie insbesondere im Bereich der Triebwerksgondeln verhält“, sagt Prof. Dr. Ralf Rudnik vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, der das Projekt HINVA (High Lift Inflight Validation) leitet. „Wenn wir die aerodynamischen Grenzen bei niedrigen Fluggeschwindigkeiten noch besser verstehen, dann haben wir die Möglichkeit, diese Grenzen künftig weiter zu unseren Gunsten zu verschieben.“ Der Vorteil dabei ist, dass Verkehrsflugzeuge, die im Endanflug langsamer fliegen, leiser sind und mit kürzeren Start- und Landebahnen auskommen. Herstellerangaben beschränken die Anfluggeschwindigkeit von Passagiermaschinen heute noch auf etwa 200 bis 250 Kilometer pro Stunde. Die genauen Werte hängen vom jeweiligen Flugzeugtyp und der Beladung ab.

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Airbus ist an den Ergebnissen interessiert

Die nun gewonnenen Flugversuchsdaten, kombiniert mit vorausgegangenen Windkanalmessungen und computergestützten Strömungssimulationen des HINVA-Projekts, liefern eine reichhaltige Datengrundlage. Damit können künftig deutlich besser an den Langsamflug angepasste Tragflächen und Klappensysteme entwickelt werden, um langfristig das Tempolimit rund um die Flughäfen zu senken. Der Verbundpartner Airbus unterstützt das Projekt im Rahmen seiner Forschungsaktivitäten, denn die angestrebte präzise Vorhersage der Strömungsvorgänge bei Start und Landung sind ein wesentlicher Beitrag für die Verbesserung der nächsten Flugzeugentwicklungen. Airbus hat bei diesem Flugversuch mit der verantwortlichen Inte-gration der PIV-Messtechnik im Forschungsflugzeug ATRA wesentlich zum Gelingen des Tests beigetragen.

Die angewandte Lasermesstechnik PIV (Particle Image Velocimetry) ist eine Entwicklung der Göttinger DLR-Forscher. Dabei werden in ein zu untersuchendes Strömungsfeld mikrometergroße Partikel eingebracht, deren Echtzeitbewegung von Hochleistungskameras erfasst wird. Im Flugversuch nutzten die DLR-Forscher anstatt künstlicher Partikel die natürlich vorhandenen Tröpfchen der Wolken. Mithilfe einer speziell entwickelten Software lässt sich das gesamte betrachtete Strömungsfeld dreidimensional berechnen und darstellen. 

2009 und 2013 erprobten DLR-Forscher die Lasermesstechnik PIV bereits für den Einsatz in der Luft. Am 8. Januar 2015 fand ein weiterer „Laser-Flug“ statt.

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