Herr Toussaint, Airbus ist der größte Kunde von RUAG Aerostructures. Da dürften die steigenden Produktionszahlen einerseits erfreulich sein. Andererseits: Ist die Abhängigkeit nicht auch gefährlich?
Grundsätzlich sind wir sehr froh, der Single-Source Supplier für die A320-Hecksektion zu sein. Wir haben in den letzten Jahren rund 7000 Flugzeuge der A320-Familie mit Strukturbauteilen beliefert und sind sehr stolz darauf, dass Airbus auf die RUAG als anerkannten Technologie- und Qualitätsträger im Bereich der automatisierten Fertigung von Rumpfsegmenten setzt.
Wie hat sich RUAG Aerostructures auf die steigenden Auslieferungszahlen vorbereitet?
Wir sehen die steigenden Produktionszahlen als eine positive Herausforderung. Zum einen wollen wir den Ratenhochlauf am Standort Oberpfaffenhofen durch Produktivitätssteigerung stemmen. Zum anderen bauen wir auch ein Werk in Ungarn auf, das für die notwendige Entlastung bei der Untergruppenmontage sorgen wird. Durch den neuen Produktionsstandort in Eger kann die RUAG Aerostructures die Vorteile der Fertigung in einem Low-Cost-Land nutzen. Start der Montage von Untergruppen war, nach Einbindung der Kunden Airbus und Bombardier, Anfang 2017.
Der Kostendruck auf Zulieferer ist hoch. Wie halten Sie Ihr Unternehmen wettbewerbsfähig?
Die aktuelle Marktsituation erfordert einen Paradigmenwechseln in der Fertigung. Durch die hohen Stückzahlen und einen immensen Kostendruck sind Zulieferer der Luftfahrtindustrie gezwungen, in Produktivitätssteigerung, also Automatisierung, zu investieren. Ich gehe davon aus, dass Sie den Flugzeugstrukturbau, so wie wir ihn heute kennen, in zehn Jahren nicht mehr wiederfinden werden. Dass die Fertigung sich an der Automobilindustrie orientieren wird, Elemente übernimmt und für die spezifischen Anforderungen in unserem Markt adaptiert.
Welche Technologien spielen vor diesem Hintergrund eine Rolle für RUAG Aerostructures?
Für uns als Herstellbetrieb ist es in erster Linie wichtig, beständig unsere Kostenbasis zu reduzieren. Dabei kann uns zum Beispiel die zunehmende Digitalisierung helfen, indem durch die automatisierte Prozesskontrolle die Fehlerquote reduziert wird. Mithilfe vernetzter Systeme können wir schnellere und effizientere Abläufe in unserer Produktion sowie den unterstützenden Bereichen erzielen. Schon heute betreiben wir sehr erfolgreich die „papierlose Fertigung“. Auf dieser Basis werden wir die Digitalisierung weiter vorantreiben. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Automatisierung unserer Fertigungsabläufe sowohl in der Montage als auch in der Teilefertigung. Neben dem Einsatz von Robotern in der klassischen Rumpfmontage nehmen wir Anfang nächsten Jahres in Emmen in der Schweiz eine der modernsten Oberflächenbearbeitungsanlagen Europas in Betrieb. Diese Investition im zweistelligen Millionenbereich ist bis zu dreimal leistungsfähiger als herkömmliche Einrichtungen und setzt dabei auf hochautomatisierte Prozesse.
Inwieweit beeinflusst der Trend zu immer leichteren Werkstoffen im Flugzeugbau Ihr Geschäft?
Seitens unserer Kunden nehmen wir verstärkt Interesse an 3D-gedruckten Bauteilen zur Reduzierung der Materialkosten sowie des Gewichtes wahr. Hier werden wir uns in den nächsten Jahren entsprechend positionieren. Für uns steht dabei die Massenproduktion solcher Bauteile im Vordergrund – eine Herausforderung, die nur gemeinsam mit den OEMs [Original Equipment Manufacturer / Flugzeughersteller] und den Herstellern solcher Drucksysteme gemeistert werden kann. Der Trend zu immer leichteren Passagierflugzeugen durch den vermehrten Einsatz von Kohlefaserverbundwerkstoffen hält ebenfalls an. Hier verfügt RUAG Aerostructures bereits heute über grundlegende Fähigkeiten, die in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden müssen, auch hier mit dem Ziel der Fertigung mittlerer bis hoher Produktionsraten.
FLUG REVUE Ausgabe 01/2018
VIP-Interview : Alexander Toussaint, CEO RUAG Aerostructures
Alexander Toussaint ist seit 2015 CEO von RUAG Aerostructures und Mitglied der Konzernleitung der Schweizer Technologie-Holding RUAG. Im Interview spricht der promovierte Maschinenbauingenieur über die Herausforderungen der hohen Produktionszahlen bei Airbus und Veränderungen in der Fertigung.
