Wunderflügel für weniger Treibstoffverbrauch - Laminarprofile Airliner

Wunderflügel für weniger Treibstoffverbrauch
Laminarprofile für Airliner

Zuletzt aktualisiert am 08.11.2017

Normalerweise werden bei Tarmac Aerosave im französischen Tarbes Flugzeuge verschrottet. In einem Hangar auf dem Unternehmensgelände am Fuß der Pyrenäen entstand im vergangenen Jahr allerdings der wohl größte Flugdemonstrator Europas: der Airbus A340-300 BLADE (Breakthrough Laminar Aircraft Demonstrator in Europe). Zwei Drittel seiner Flügel sind so, wie man sie kennt: mattes Metall, dicke Vorderkanten, sichtbare Verbindungsstellen. Auf den grau lackierten äußeren Flügeln des 26 Jahre alten Prototyps MSN001 hingegen spiegelt sich das Licht der Deckenlampen, kein Niet durchbricht die Oberfläche, keine Unebenheit ist zu sehen.

Die glatten Flügeloberschalen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) erinnern an die Tragflächen eines Segelflugzeugs. Das ist durchaus beabsichtigt. Denn was Segelflugzeuge schon lange nutzen, soll mithilfe von BLADE, das im Rahmen des EU-Forschungsprogramms Clean Sky umgesetzt wird, endlich auch Zivilflugzeuge effizienter machen: ein Laminarprofil. Dabei ist der Flügel so geformt, dass sich die umströmende Luft über eine möglichst lange Strecke gleichförmig und parallel zur Oberfläche bewegt. „Auf einem Laminarflügel erwarten wir eine laminare Strömung über mehr oder weniger 50 Prozent der Profilsehne“, sagt Daniel Kierbel, BLADE-Projektleiter. Je später die laminare in eine turbulente Strömung umschlägt, desto geringer ist der Reibungswiderstand.

Bei Verkehrsflugzeugen könnte das zu deutlichen Treibstoffeinsparungen und weniger CO2-Emissionen führen. Airbus rechnet damit, dass sich der Gesamt­widerstand um bis zu acht Prozent verringern lässt. Dadurch soll ein Kurz- und Mittelstreckenjet auf einem 1500 Kilometer langen Flug um bis zu fünf Prozent weniger Kerosin verbrauchen.

So weit die Theorie. Bei bisherigen Passagierjets, die mit hoher Unterschallgeschwindigkeit fliegen, beginnt die turbulente Strömung bereits an der Flügelvorderkante. „Die praktische Anwendung [der Laminarprofile; d. Red.] ist bisher nicht gelungen, denn dafür bedarf es sehr geringer Toleranzen des Flügels“, sagt Axel Flaig, Leiter der Forschung und Entwicklung bei Airbus. Schmutz und Insekten können die laminare Strömung stören, ebenso Biegung und Tor­sion des Flügels. „Wir haben in den vergangenen Jahren allerdings viele Fortschritte gemacht, um zu einer industriellen Lösung zu kommen, die im täglichen Betrieb funktioniert. Das soll dieses Flugzeug zeigen“, so Flaig.

Bis zu fünf Prozent weniger Treibstoffverbrauch

Dafür wurden dem A340-Prototyp zunächst die Flügel gestutzt: Das äußere Drittel der Tragflächen wurde abgenommen, zwischen den Rippen 27 und 28 gibt es eine Art natürliche Verbindungsstelle. Kurz hinter der äußeren Triebwerksaufhängung befindet sich unter der Aerofairing, einer stromlinienförmigen Verkleidung, der Übergang zu den neuen, je rund 10 mal 4 Meter großen äußeren Flügeln. Um verschiedene Herstellungsverfahren sowie Auswirkungen auf das Flugverhalten und die Instandhaltung zu untersuchen, wurden unterschiedliche Konzepte umgesetzt: Links sind Vorderkante und Oberschale ein einziges Teil, auch Stringer, Spantenfüße und Holmgurte sind integriert. „Die Idee war, keine Verbindungselemente zu haben und damit eine möglichst perfekte Oberfläche zu erhalten“, sagt Kierbel. Der rechte Flügel ist vom Aufbau her klassischer und besteht aus einer CFK-Oberschale mit einer damit verbundenen Metallvorderkante. Doch auch hier werden die Anforderungen an die Oberflächengüte erfüllt. Die Flügelenden schließen mit einem Wingtip Pod ab. Diese Behälter sollen die laminare Strömung möglichst weit nach außen führen.

Die A340 wurde mit 2700 zusätzlichen Sensoren und zahlreichen Kameras ausgestattet. Pro Flügel beobachten acht Reflektometrie-Kameras in den Wingtip Pods die Verformung der Oberfläche. Drei Infrarotkameras auf dem Seiten­leitwerk überwachen die Temperaturverläufe auf den Flügeln, denn laminare Strömung weist eine höhere Temperatur auf als turbulente. Zudem wurden 15 visuelle Kameras unter der Flügelvorderkante angebracht. Pro Testflug rechnen die Ingenieure mit etwa vier Terrabyte an Daten, rund drei Viertel gehen auf die hochauflösenden Reflektometrie-Kameras (6 Millimeter pro Pixel) zurück.

Die Laminarflügel weisen mit 20 Grad eine geringere Pfeilung auf als der Rest der A340-Tragfläche. Bei Langstreckenflugzeugen, die mit einer Reisegeschwindigkeit von Mach 0.85 in großen Höhen fliegen, wird üblicherweise eine Pfeilung von 30 Grad gewählt. So werden die lokalen Anströmgeschwindigkeiten am Profil und damit der Wider­stand verringert. Mit zunehmender Pfeilung nimmt allerdings die Querströmungskomponente zu, die ein frühes Umschlagen von laminarer zu turbulenter Strömung begünstigt. „Für Laminarströmung sind 30 Grad Pfeilung nicht möglich. Also muss man eine Entscheidung treffen: Entweder das Flugzeug verlangsamen und eine geringere Pfeilung wählen. Oder etwas erfinden, womit man die turbulente Strömung stabilisieren kann“, erklärt Thierry Fol, Projektleiter des Flight Lab von Airbus. Die zweite Möglichkeit zielt auf die aktive Strömungskontrolle, bei der die Grenzschicht, der Strömungsbereich nahe der Oberfläche, mithilfe von kleinen Düsen abgesaugt oder zusätzliche Luft ausgeblasen wird. Auch daran arbeitet Airbus, es geht um die Grenzschichtabsaugung am Seitenleitwerk der A350 XWB. Ebenso forschen die NASA und Boeing an dieser Technologie. Doch bei BLADE steht Variante 1 im Fokus. Deshalb beträgt die Reisegeschwindigkeit eines projektierten Narrowbodys mit Laminarflügeln auch nur Mach 0.75, ist also etwas langsamer als die üblichen Mach 0.78.

Flugverhalten soll sich nicht wesentlich ändern

Am 26. September begann Airbus die Flugerprobung mit der A340-300 BLADE, rund 150 Teststunden sind bis Ende 2018 geplant. Dafür wurde das Flugzeug nach Toulouse verlegt, von wo aus Flüge über der Atlantik- und der Mittelmeergegend stattfinden sollen. Nach ein paar Tests unter möglichst perfekten Bedingungen wollen die Ingenieure die Oberflächen der Laminarflügel verändern, beispielsweise mit Aufklebern. „Wir wollen die Toleranzen des Flugzeugs herausfinden: Wie viel kann es aushalten, bis wir die Laminarität zerstören?“, sagt der Airbus-Flugtestingenieur Philippe Seve. Ein Großraumjet wie die A340-300 sei für die Kampagne ideal. Zum einen reduziere es Kosten und Aufwand, nur einen Teil der Flügel als Laminarprofil auszuführen, zum anderen erhöhe es die Sicherheit. „Es ist besser, einen Testflügel zu haben, der nicht die komplette Physik des Flugzeugs verändert“, so Seve.

Auch deshalb gehen die Airbus-Ingenieure nicht davon aus, dass die Modifikationen das Flugverhalten der A340 wesentlich beeinflussen. „Nur bei Start und Landung müssen die Piloten vorsichtiger sein“, sagt Flaig. Denn um die hohe Oberflächengüte nicht durch einen Spalt zu zerstören, wurde auf Vorflügel verzichtet. Im Verlauf der Erprobung sollen allerdings feste Krügerklappen montiert werden. Sie sollen bei BLADE auch als eine Art Mückenschutz bei Start und Landung dienen.

Für die A340-300, MSN001 wird BLADE wohl die letzte Testkampagne sein. Zumindest soll der Prototyp nicht wieder in seinen Ausgangszustand zurückgebaut werden, heißt es bei Airbus. Ob er dann nach Tarbes zurückkehrt und beim Flugzeugverwerter Tarmac Aero-save landet, ist allerdings unklar.

BLADE-Projektpartner

Unter Führung von Airbus sind 20 europäische Unternehmen und Forschungseinrichtungen an BLADE beteiligt, zur Verfügung steht ein Budget von 180 Millionen Euro. Wer die wichtigsten Komponenten der Laminarflügel entwickelt und hergestellt hat:

Aernnova (Spanien): Design und Endmontage der Laminarflügel, Herstellung der metallischen Komponenten der Torsionsboxen
Asco (Belgien): Krügerklappen
Dassault Aviation (Frankreich): Aerofairing
GKN Aerospace (Großbritannien): rechte CFK-Flügeloberschale und Metallvorderkante
Romaero (Rumänien): Wingtip Pods
SAAB (Schweden): linke integrierte CFK-Flügeloberschale 
5micron (Deutschland): Reflektometrie-Messung

Beteiligt sind außerdem: NCAS, DLR, DNW, NLR, BIAS, ONERA, Itainova, Sertec, Aritex, FTI-Engineering, VEW, Safran, Eurecat

FLUG REVUE Ausgabe 11/2017