Bei klarem Wetter bietet sich Passagieren auf dem Flughafen Lyon-Saint-Exupéry ein grandioses Alpenpanorama. Der Flughafen lebt an Winterwochenenden von Touristen aus Großbritannien und Irland, die in die anderthalb Busstunden entfernten Skigebiete streben. „Wintersportler machen unter drei Prozent unseres jährlichen Verkehrsaufkommens aus“, sagt Verkaufs- und Marketingchef Stéphane Geffroy im Gespräch mit der FLUG REVUE in Lyon. „Aber dank dieses Extraaufkommens in einer sonst verkehrsschwachen Zeit leiden wir weniger unter Saisonalität.“
Der Flughafen Lyon wurde 1975 eröffnet. In Frankreich nimmt er mit für 2016 erwarteten über neun Millionen Passagieren (2015: 8,7 Millionen) den vierten Rang hinter den beiden Pariser Flughäfen sowie Nizza ein. Lyon will Frankreichs zweitgrößter internationaler Flughafen werden und primärer Startpunkt für Bewohner des Südosten des Landes. Das sind die Ziele, die der CEO des Flughafens, Philippe Bernand, vorgibt. Noch liegt Nizza bei internationalem Verkehr vor Lyon. Der Flughafen an der Côte d’Azur bekleidet mit zuletzt 11,6 Millionen Passagieren Platz 37 in Europa, während Lyon aktuell auf Rang 54 rangiert, hinter Köln/Bonn.
Aber Lyon geht jetzt in die Offensive; seit 2015 wächst das Aufkommen dank neuer Strecken. Schon 65 Prozent des Verkehrs sind grenzüberschreitend. Eine erfolgreiche Ansiedlung ist Emirates, die seit 2012 fünfmal pro Woche kommt. Mehr geben die Verkehrsrechte nicht her. Das Passagieraufkommen ab Lyon stieg 2015 um über 13 Prozent. In diesem Jahr kamen tägliche Dienste mit der Boeing 787 von Air Canada nach Montréal und von Dakar im Senegal mit Aigle Azur sowie von Moskau mit Aeroflot hinzu. Neu sind seit August auch tägliche Flüge mit Flybe nach Hannover. Lyon bietet Nonstop-Verbindungen zu 91 internationalen Zielen. Auffällig sind die dichten Frequenzen nach Nordafrika, vor allem Algerien: Neun Ziele fliegt Air Algérie von Lyon aus an, teilweise wegen des hohen Aufkommens mit dem Airbus A330. Mit einer A330 bedient XL Airways France die Langstrecke zur Insel La Réunion, einem französischen Übersee-Département im Indischen Ozean.
„Unterversorgt sind wir noch mit Verbindungen nach Skandinavien und Osteuropa“, sagt Stéphane Geffroy. Auch Flüge nach China und in die USA stehen auf der Wunschliste. Qatar Airways wird mittelfristig in Lyon erwartet, nachdem sie bereits die entsprechenden Verkehrsrechte besitzen.
Mehr Niedrigpreisairlines
Besonders schnell wachsen in Lyon die Niedrigpreisairlines, ihr Anteil hat sich innerhalb von sieben Jahren verdoppelt und betrug zuletzt gut 28 Prozent. easyJet betreibt mit sieben stationierten Airbus-Jets hier ihre zweitgrößte französische Basis. Auch Transavia France hat inzwischen drei Boeing 737 stationiert. „Billigflieger werden hier bald auf einen Anteil von 40 Prozent kommen“, prophezeit Flughafen-Chef Philippe Bernand. Einige Turbulenzen hat Air France erlebt, die in Lyon vor Jahren zeitweise ein eigenes Drehkreuz betrieb, sich dann weitgehend zurückzog, und jetzt ihre Regionaltochter HOP! einsetzt. 38 Ziele und drei saisonale Destinationen werden von HOP! ab Lyon angeflogen.
Dank kurzer Wege liegt die Mindestumsteigezeit bei nur 25 Minuten. 99 Prozent aller Umsteiger erreichen ihre Anschlüsse, betont der Flughafen. Im Inland ist Paris das wichtigste Flugziel mit rund einer halben Million Passagiere im Jahr. Dabei benötigt der bereits 1981 eingeführte Hochgeschwindigkeitszug TGV vom Stadtzentrum bis Paris nur eine Stunde und 58 Minuten im Schnitt. Derzeit verfügt der Flughafen über drei Terminals. Die Gesamtkapazität liegt bei 9,5 Millionen Passagieren im Jahr. Für September 2017 ist der Quantensprung geplant: Dann eröffnet der erste Abschnitt des größten Bauwerks in der Geschichte des Flughafens. Das neue Terminal 1, das bis Herbst 2018 vollständig in Betrieb geht, wird 70 000 Quadratmeter Fläche bieten. Es schafft alleine die Abfertigung von 15 Millionen Passagieren pro Jahr. Passagierkomfort wird großgeschrieben, auf drei Etagen werden 10 000 Quadratmeter allein für Restaurants, Entspannungsbereiche und Geschäfte reserviert.
Terminal 1 verfügt über acht gebäudenahe Abfertigungspositionen, von denen zwei A380-tauglich sein werden. Neuerdings unterirdisch angebunden ist ein Satellitengebäude, das bisher mit Bussen bedient wurde und mit weiteren elf Vorfeld-Parkpositionen aufwartet, allerdings ohne Fluggastbrücken. Der Flughafen Lyon ist in der glücklichen Lage, mit seinen zwei parallelen Start- und Landebahnen über ausreichend Bahnkapazität zu verfügen, auch wenn die Pisten für unabhängigen
Parallelbetrieb zu nahe beieinander liegen. „Wir können bis zu 53 Flugbewegungen pro Stunde abwickeln. Die kürzere Bahn dient meist für Landungen“, erklärt Stéphane Geffroy. Und Lyon hat noch einen Trumpf in der Hinterhand, um den es die meisten Airports beneiden dürften: Das Flughafenareal von 1150 Hektar könnte auf die doppelte Größe erweitert werden. Derzeit gebe es aber keinerlei Anzeichen, wann der Flughafen in der Fläche expandieren werde, sagt der Marketingchef.
FLUG REVUE Ausgabe 12/2016