Es war ein tolles Jahr“, schwärmte Fabrice Brégier, Chef der Airbus-Verkehrsflugzeugsparte, bei seiner Jahrespressekonferenz für 2015 am 12. Januar in Paris. „Wir haben die meisten unserer Ziele erreicht: 635 Flugzeuge ausgeliefert, sechs mehr als im Rekordvorjahr, die A350-Produktionsrate erhöht und 14 Flugzeuge ausgeliefert, und wir haben erstmals die A380-Produktion finanziell über die Gewinnschwelle bekommen.“ Auch bei den Auftragseingängen sah die Lage rosig aus: 1036 „Nettoaufträge“, also bereinigt um Änderungen und Abbestellungen, verzeichnete der europäische Hersteller. Darunter sind 897 Standardrumpfflugzeuge und 139 Großraumflugzeuge. Der Auftragsbestand steigt damit auf den branchenweiten Rekordwert von 6787 Flugzeugen im Wert von 996,3 Milliarden Dollar nach Listenpreis. „Das ist der Beweis, wie robust die kommerzielle und industrielle Nachfrage nach Flugzeugen weiterhin ist“, sagte Brégier.
Auch Boeing meldete eine sehr gute Jahresbilanz. „Wir haben 762 Flugzeuge ausgeliefert und die Konkurrenz übertroffen“, konterte Boeing-Marketingvorstand Randy Tinseth. „Auf die Auslieferungen kommt es an, denn die bedeuten Umsatz.“
Die Auftragsberge summieren sich bei beiden großen Herstellern zu beachtlichen Produktionsmengen: An die zehn Jahre volle Produktion kann Airbus mit den bestehenden festen Aufträgen füllen, rund acht Jahre Auslastung hat auch Boeing mit noch zu bauenden 5795 Jets in den Büchern. „Wir sind etwas risikobewusster bei unserer Kundenauswahl“, stichelte Boeing-Vorstand Tinseth gegen die Europäer. Sein Unternehmen sei konservativer als Airbus, wo man stärker auf Branchenneulinge setze. Boeing habe dagegen mit beispielsweise Southwest Airlines und Ryanair sehr solide Großabnehmer, die bei weitem noch nicht ihren gesamten gegenwärtigen Flottenbestand in Flugzeuge der neuesten Generation getauscht hätten.
Wie sicher feste Flugzeugbestellungen sind, ist durchaus eine berechtigte Frage. Die Börse in den USA startete 2016 mit einer negativen Entwicklung, aus China wird das schwächste Wirtschaftswachstum seit 25 Jahren gemeldet, im Nahen Osten von Jemen bis Syrien toben Kriege, der einstige Wachstumsstar Russland leidet unter Wirtschaftsflaute und Kursturbulenzen und Europas vereinigter Schengen-Raum ächzt. Zudem verunsichern Terrorakte, wie der Absturz einer A321 über dem Sinai, die Passagiere.
Während im Gegenzug der sehr niedrige Ölpreis den westlichen Fluggesellschaften, vor allem in den USA, finanziell wieder zu hervorragender Profitabilität verhilft, schmälert er zugleich die Einnahmen der wichtigen Flugzeugabnehmerstaaten aus dem Nahen Osten empfindlich. Manche vom Reichtum verwöhnte Ölnation musste beim eigenen Konsum bereits mehrere Gänge zurückschalten. „Bei uns wird es 2016 jedenfalls keine Verlangsamung geben“, entgegnete 777- und A380-Großkunde Tim Clark, der Chef von Branchenriese Emirates, Mitte Januar. „2016 erhalten wir 36 neue Flugzeuge, die wir auch zur Verjüngung unserer Bestandsflotte nutzen. Trotz des niedrigen Ölpreises werden wir weiter in die kraftstoffeffizientesten Neuflugzeuge investieren, weil man nur so langfristig und gesund wachsen kann“, kündigte Clark in einem Beitrag in der Wirtschaftszeitung Arabian Business aus Dubai an. Er räumte allerdings zugleich ein, dass der starke Dollar die Gewinne seiner Airline erodiere und dass er bei der Luftfracht nur mit einer Stagnation rechne. Dennoch bleibe die Geschäftsgrundlage solide, und dank des organischen Wachstums und der Verbindung weiterer Städtepaare ab Dubai für Touristen und Geschäftsleute blicke er zuversichtlich auf das neue Jahr.
Weniger Ingenieure gebraucht
Zurück zu den Flugzeugbauern: Bei ihnen hat das Thema Produktion gegenüber der Neuentwicklung von Flugzeugen stark an Gewicht gewonnen. Die Aktionäre wollen Gewinne sehen und nicht immer neue technische Wunderwerke des Flugzeugbaus finanzieren, die pro Programm leicht zweistellige Milliardenbeträge kosten und oft erst nach Jahrzehnten Geld abwerfen. Entsprechend vorsichtig werden die Hersteller beim Anschieben neuer Versionen und Generationen. Airbus und Boeing haben mit 737 MAX und A320neo ihre Bestseller kostensenkend mit neuen Triebwerken aufgefrischt und konnten so einen Großteil der bisherigen Konstruktionen weiterverwenden, obwohl die Jets schon wesentlich sparsamer, leiser und leistungsfähiger geworden sind.
Für die Airlines sind das gute Nachrichten, die Passagiere müssen sich jedoch auf stark veränderte Bedingungen einstellen: Mit immer mehr Sitzen an Bord wollen die Fluggesellschaften ihre Kosten senken. Den dadurch möglichen niedrigeren Flugpreisen stehen weniger Platz und Komfort an Bord gegenüber. So werden Küchen verkleinert, Toilettenabteile eingespart und die Sitzabstände schrumpfen. Manchmal wird in Großraumflugzeugen, in den neuesten Kabinenkonfigurationen der Economy Class, ab Werk sogar ein Sitz mehr pro Reihe eingeplant. Dann sitzen neun, zehn oder gar elf Passagiere (Option für die A380) in einer Reihe. Die Alternative wäre nur die immer komfortabler werdende Business Class mit Schlafsesseln und Minisuiten. Aber deren Luxus lassen sich die Airlines auch gut bezahlen.
Je weniger völlig neu entwickelt wird, desto weniger hochqualifizierte – und damit teure – Ingenieure müssen die Flugzeughersteller beschäftigen. Airbus-Geschäftsführer Tom Williams umriss bereits den sinkenden Bedarf seines Unternehmens am Rande der Jahrespressekonferenz. Angesichts der nun verstärkt auf Ableitungen vorhandener Muster ausgerichteten Strategie würden anstelle der aktuell 30 000 Entwicklungsingenieure bei Airbus und Zulieferern künftig nur noch rund 20 000 gebraucht.
Die Zulieferer haben längst, auch im Engineering, eine Schlüsselrolle im Flugzeugbau übernommen. Einerseits profitieren sie von den Großaufträgen, andererseits müssen sie den steigenden Produktionsvorgaben der Konzernmütter ohne Zeitverzug folgen und dafür oft aufwendig und auf eigene Kosten ihre eigene Infrastruktur ausbauen. Wer den Vorgaben nicht folgt, wird mit Auftragsentzug bestraft.
Airbus-Chef Fabrice Brégier verkündete auf der Jahrespressekonferenz von der Bühne herab, er habe den Kabinenausstatter Zodiac aus dem Standardausstattungskatalog der A330neo gestrichen. Zodiac hatte, vom Erfolg ihrer Leichtbausitze am Markt überrollt, dem parallel stattfindenden, steilen Hochlauf der A350-Produktion als Kabinenausstatter nicht immer pünktlich folgen können. In der Folge musste Airbus mehrere Flugzeugauslieferungen verschieben.
Das Jahr 2016 wird auch das Schicksalsjahr der großen Vierstrahler – Boeing senkt zum Beispiel die Rate der 747 auf sechs pro Jahr. So soll die Durstrecke bis zum erhofften Nachfrageaufschwung überbrückt werden. Doch immer leistungsfähigere Großraum-Zweistrahler wie A350-1000 und 777X wildern im Marktsegment der Riesen.
Der härteste Kampf tobt jedoch derzeit bei den Standardrumpffamilien. Airbus liegt im Augenblick, vor allem dank der konkurrenzlosen A321neo, mit einem Marktanteil von 60 Prozent vorne, wobei die A320neo gegenüber der 737 MAX auch ein wenig früher gestartet ist. Laut Boeing ist aber bisher noch nicht einmal ein Drittel der in den nächsten zwanzig Jahren erwarteten Standardrumpfflugzeuge verkauft worden.
Damit bleiben die Aussichten für beide großen Hersteller gut. Entsprechend sollen die Produktionsraten weiter angehoben werden. So will Airbus die A350 im Jahr 2018 auf zehn Flugzeuge im Monat bringen, Boeing will bis zum Ende der Dekade sogar auf bis zu 14 Maschinen des Typs 787 kommen. Noch mehr Flugzeuge sind auch im Standardrumpfbereich geplant: Boeing will ab Mitte 2018 mindestens 52 Flugzeuge der 737-MAX-Familie bauen, Airbus sieht ab Mitte des Jahres 2019 sogar eine Produktionssteigerung auf 60 Flugzeuge der A320neo-Familie im Monat vor.
Listenpreise Airbus und Boeing





Listenpreise 2016 Airbus (in US-Dollar)
A318: 75,1 Mio.
A319: 89,6 Mio.
A320: 98,0 Mio.
A321: 114,9 Mio.
A319neo: 98,5 Mio.
A320neo: 107,3 Mio.
A321neo: 125,7 Mio.
A330-200: 231,5 Mio.
A330-800neo: 252,3 Mio.
A330-200 Freighter: 234,7 Mio.
A330-300: 256,4 Mio.
A330-900neo: 287,7 Mio.
A350-800: 272,4 Mio.
A350-900: 308,1 Mio.
A350-1000: 355,7 Mio.
A380-800: 432,6 Mio.
Listenpreise 2015 Boeing (in US-Dollar)
737-700: 80,6 Mio.
737-800: 96,0 Mio.
737-900ER: 101,9 Mio.
737 MAX 7: 90,2 Mio.
737 MAX 8: 110,0 Mio.
737 MAX 200: 112,9 Mio.
737 MAX 9: 116,6 Mio.
747-8: 378,5 Mio.
747-8 Freighter: 379,1 Mio.
767-300ER: 197,1 Mio.
767-300 Freighter: 199,3 Mio.
777-200ER: 277,3 Mio.
777-200LR: 313,8 Mio.
777-300ER: 339,6 Mio.
777 Freighter: 318,7 Mio.
777-8X: 371,0 Mio.
777-9X: 400,0 Mio.
787-8: 224,6 Mio.
787-9: 264,6 Mio.
787-10: 306,1 Mio.
FLUG REVUE Ausgabe 03/2016