Blau-gelb lackierte 737 sind in Frankfurt kein völlig ungewohnter Anblick, und doch war diese am 2. November landende Boeing eine Überraschung. Niemand anderes als Branchenschreck Ryanair rollte vor das Frankfurter Terminal 2, um nebenan in der Fraport-Zentrale zur Pressekonferenz mit Fraport-Chef Stefan Schulte zu bitten. „Michael O‘Leary haben wir in Dublin eingesperrt, denn er hat mal gesagt, wir fliegen niemals nach Frankfurt/Main“, scherzten Ryanair-Marketingvorstand Kenny Jacobs und der kaufmännische Geschäftsführer David O‘Brien zur Einstimmung.
„Ich freue mich, Ryanair am Standort zu begrüßen, eine große und führende Fluggesellschaft“, schmeichelte Stefan Schulte seinem neuen Kunden, der alleine im Monat Oktober mit seinen 350 Boeing 737-800 elf Millionen Passagiere beförderte und 95 Prozent Auslastung erreichte. „Wir haben schon seit unserer Zeit in Hahn eine lange Partnerschaft, und wir sehen deutliche Marktveränderungen, auf die wir reagieren müssen. Wir müssen und wir wollen uns für Low Cost öffen“, umriss der Flughafen-Konzernchef die Lage. Immer mehr Punkt-zu-Punkt-Verkehr zum Niedrigpreis vernetze Europa. Der Marktanteil werde von 30 auf über 60 Prozent klettern. Gerade Internetbuchungen erfolgten besonders oft bei den Niedrigpreis-Airlines.
„Wenn Kunden in diesem Marktsegment fliegen wollen, müssen wir es anbieten“, sagte Schulte. Weil Frankfurt dies bisher versäumt habe, verringere sich bereits das Einzugsgebiet des Drehkreuzflughafens. So wanderten Kunden ab Limburg und nördlich davon nach Köln ab, und Fluggäste aus Karlsruhe und südlich davon zu süddeutschen Alternativen mit günstigen Angeboten.
Ein Drehkreuz wie Frankfurt lebe außerdem von möglichst vielen Verbindungen. Für mehr und neue Ziele sei Ryanair ein sehr starker Partner. Die Airline fliege 200 Flughäfen in Europa an, nur 80 davon könne man bisher ab Frankfurt direkt erreichen. „Wir rücken damit aber nicht vom Hub-Produkt ab“, stellte Schulte klar. Vielmehr wolle er die Drehkreuzrolle Frankfurts weiterentwickeln und künftig ein sehr viel breiteres Spektrum anbieten: von der schnörkellosen Niedrigpreis-Airline bis hin zu neuen Komplettpaketen im absoluten Luxusbereich.
Kein Neukundenrabatt für Ryanair

Ryanair nimmt ihre Frankfurter Dienste mit dem Sommerflugplan im März 2017 auf mit den Ferienzielen Palma de Mallorca, Alicante, Malaga und Faro. Dafür werden schon zum Start zwei Flugzeuge fest in Hessen stationiert, was Frankfurt nach Ryanair-Lesart in den Rang einer Basis erhebt und längerfristige Wachstumspläne verrät. „Wir sind da und gehen nicht mehr weg“, kündigte Ryanair-Geschäftsführer O‘Brien an. „Das ist nur der Prolog von dem, was wir hier vorhaben, noch nicht mal das erste Kapitel.“ 400 000 Passagiere erwarten die Iren in ihrem ersten Frankfurter Betriebsjahr. Im Gegenzug helfe Fraport bei der Neuansiedlung mit „Anreizen“, räumte Stefan Schulte ein. Diese gewähre Fraport aber in der Anlaufphase jeweils allen Neukunden und den Bestandskunden auf zusätzlichen Routen. Typisch seien Nachlässe auf die Flughafenentgelte von etwa 40 bis 50 Prozent im ersten Jahr. In den beiden Folgejahren gehe dieser Rabatt dann stark sinkend bis auf Null zurück.
Auf die Gebührenermäßigungen für den Branchenriesen Ryanair reagierten vor allem die anderen Airlines in Frankfurt gereizt. Condor-Chef Ralf Teckentrup sprach auf einem Branchenabend wörtlich von einer „richtig großen Sauerei“. Frankfurts Homecarrier Condor müsse von einem Mallorca-Ticket für 90 Euro Entgelte in Höhe von 30 Euro an Fraport abführen, während man Ryanair hierfür nur 15 Euro berechne. Fraport-Großkunde und Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr drohte sogar an, ab Sommer 2017 ebenfalls nur noch die Ryan-air-Sätze an Fraport entrichten zu wollen, was einen Umsatzausfall von 200 bis 300 Millionen Euro für den Flughafen bedeuten könnte.
Daraufhin kippte das genehmigende Hessische Verkehrsministerium den für Ryanair geplanten Neukundenrabatt und ersetzte ihn durch eine allgemeinere Belohnung für alle Airlines, die in Frankfurt ein hohes Passagierwachstum erzielen. Nach der neuesten, ab Januar 2017 geltenden Fraport-Entgeltordnung werden nun zwei Arten von Flügen gefördert: 1. neue Interkontinentalziele, die mindestens drei Flugplanperioden zuvor nicht bedient wurden, 2. Strecken im Europaverkehr, die höhere Passagierzahlen aufweisen; hiervon ausgenommen sind alle innerdeutschen Flüge.
Lufthansa befürchtet auch mit der neuen Regelung eine Diskriminierung der alteingesessenen Airlines. Es dürfe nicht sein, dass zwei Airlines für die Bedienung derselben Route unterschiedliche Gebühren entrichteten. Harry Hohmeister, Vorstand des Ressorts Hub Management bei Lufthansa, drohte Mitte Dezember sogar mit einer Klage gegen die neue Gebührenordnung. Außerdem werde Lufthansa mit ihrer Tochter Eurowings nach Frankfurt kommen, um von hier aus Ziele außerhalb des Lufthansa-Zubringerverkehrs direkt zu bedienen.
Für den Frankfurter Flughafen ist die neue Öffnung für Low-Cost-Airlines auch ein Ausweg aus dem stagnierenden Heimatmarkt. Für die ersten drei Quartale des Geschäftsjahres 2016 meldete der Konzern Fraport AG für den Rhein-Main-Flughafen eine leicht negative Passagierentwicklung und stagnierende Umsätze, auch für die Geschäfte am Flughafen.
Mit ihrer Verlagerung zu den großen Flughäfen will Ryanair mehr Geschäftsreisende erreichen. Diese werden mit umbuchbaren Tarifmodellen, bevorzugtem Boarding, zwei Stück kostenlosem Handgepäck und schickeren „Sky-Interior“-Kabinen von Boeing umworben. Von ihrer Strategie, immer den billigsten Preis auf einer Route anzubieten, will Ryanair aber nicht abrücken. Derzeit liegt ihr Durchschnittspreis pro Flugsegment knapp über 40 Euro.
FLUG REVUE Ausgabe 02/2017