Mehr Passagiere (plus 3,4 Prozent), mehr Fracht (plus 3,5 Prozent) und mehr Flugbewegungen (plus zwei Prozent) – auf den ersten Blick sieht die Verkehrsbilanz für deutsche Flughäfen 2016 gut aus. Getragen vom Europa- und innerdeutschen Verkehr, konnten die deutschen Verkehrsflughäfen mehr Passagiere abfertigen. Dagegen ging der Interkontinentalverkehr um 0,2 Prozent leicht zurück. Dies meldet die Jahresstatistik 2016 der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Verkehrsflughäfen, ADV.
Doch nicht alle Flughäfen legten zu; manche, darunter Paderborn, Saarbrücken und Friedrichshafen, mussten empfindliche Rückgänge verkraften. Wachstumssieger wurden die großen Basen der Niedrigpreis-Airlines, allen voran Berlin-Schönefeld und Köln/Bonn. Der Trend, dass Billigflieger, diefrüher Tertiär- und Sekundärflughäfen anflogen, nun auch die großen Drehkreuze, selbst Frankfurt/Main, bedienen, setzt sich fort. Oft allerdings auf Kosten kleinerer Nachbarn. Hier macht sich vielerorts, neben dem Rückzug von airberlin aus der Fläche, ein starker Rückgang im Türkei- und Ägyptenverkehr bemerkbar.
Nicht einmal die Hälfte aller deutschen Verkehrsflughäfen macht Gewinn. Einige kleine und mittelgroße Flughäfen stehen sogar vor der Existenzfrage. Soll man diese Standorte als Jobmotoren, wie sonst auch viele andere Industrieansiedlungen und Gewerbegebiete, öffentlich fördern, oder soll man sie dem Markt und einem ungewissen Schicksal überlassen? Im polyzentrischen Deutschland wäre die Beschränkung auf nur noch wenige nationale Drehkreuze verkehrt. Dies zeigt auch der wachsende Europaverkehr in die Regionen.

Die EU hat auf den Airports für Konkurrenzdruck gesorgt und überall den Zugang für externe Abfertigungsfirmen ermöglicht. Dadurch sinken die früheren Monopolpreise. Doch was die Airlines freut, sorgt bei den Beschäftigten für Druck auf ihre Gehälter. Viele Flughäfen bessern ihre Einnahmen außerhalb des reinen Luftfahrtgeschäfts auf, mit Parkplätzen, Gastronomie, Ladenpassagen, Hotels, Tagungsräumen, großräumigen Solarflächen und der Entwicklung ganzer Gewerbegebiete.
Unterdessen geraten viele Airports im eigentlichen Fluggeschäft unter politischen Druck: Erfolgreiche Standorte beklagen, nicht mehr genug wachsen und ausbauen zu dürfen, während immer öfter die Betriebszeiten in Frage gestellt werden. Außerdem sorgen Deutschlands vergleichsweise hohe Steuern und Abgaben, darunter die für die eigentlich rein öffentliche Aufgabe „polizeiliche Flugsicherheit“, für Kostennachteile gegenübereuropäischen Mitbewerbern. Zum fünften Mal in Folge lag das Wachstum der deutschen Verkehrsflughäfen unter dem der europäischen Konkurrenz. Außerdem stagnierten die für die Wirtschaft besonders wichtigen Interkontinentalstrecken, während sie im restlichen Europa zunahmen. Hier könnte der Bund durch Steuerentlastungen und zusätzliche Verkehrsrechte helfen, während die Länder ihre Flughäfen – im Zeitalter sparsamer und immer umweltverträglicherer Zweistrahler – nicht nur für neue Direktflüge der Langstrecken-Niedrigpreis-Airlines modernisieren und ausbauen sollten.
FLUG REVUE 04/2017