Peter Koch ist begeistert: „Die Landung in Zürich nach dem Überführungsflug war der Höhepunkt meiner Pilotenkarriere!“ Seit Jahren ist der 49-jährige Swiss-Chefpilot mit der Planung für die Bombardier CSeries befasst. Am 28. Juni erhielt Swiss im Bombardier-Werk in Montréal-Mirabel offiziell ihr erstes von 30 fest bestellten Flugzeugen – ein Mix aus dem Basismodell CS100 und der längeren CS300. Am 30. Juni startete Peter Koch mit mehreren Pilotenkollegen mit dem ersten Serienflugzeug, registriert als HB-JBA, MSN 50010, in Kanada in Richtung Schweiz. Unterwegs wurde ein Stopp in Dublin eingelegt. „Das war eigentlich gar nicht nötig. Wir hätten nonstop fliegen können, aber wir sollten zu einem bestimmten Zeitpunkt in Zürich sein“, erklärt Koch im Gespräch mit der FLUG REVUE.
Denn am Nachmittag des 1. Juli hatten sich Tausende von Schaulustigen am Flughafen Zürich-Kloten eingefunden, um ein besonderes Spektakel zu bewundern: einen Überflug der ersten Swiss CS100 – und damit des neuesten Flugzeugs im Schweizer Register –, begleitet vom glamourösesten Airliner mit Basis in der Schweiz, der einzigen noch flugtauglichen Lockheed Super Constellation weltweit, gebaut 1956. Die Schweizer lieben so etwas; erst im Januar war die erste Boeing 777-300ER für Swiss von zwei F/A-18-Hornet-Kampfflugzeugen der Schweizer Luftwaffe nach Kloten eskortiert worden. „Die Möglichkeit, ein neues Flugzeug nicht nur einzuführen, sondern als Programm-Manager auch noch mitzugestalten und dann zu sehen, wie begeistert das Flugzeug aufgenommen wird, wie begeistert die Gäste an Bord sind, das ist klar ein Höhepunkt der Pilotenkarriere“, betont Peter Koch. 34 Piloten sind bisher bei Swiss für die CSeries ausgebildet worden, allesamt Fluglehrer. „Für die 30 bestellten Maschinen, die bis 2018 zu uns kommen, brauchen wir insgesamt 345 Cockpitkollegen“, sagt Koch. Dafür werden innerhalb der Swiss Flugkapitäne umgeschult, etwa solche, die bisher die bis Juli 2017 ausscheidenden Avro RJ100-Jets geflogen haben. Auch Neueinsteiger von der hauseigenen Flugschule haben eine Chance.
Nachdem die HB-JBA auf den Namen „Kanton Zürich“ getauft worden war – eine Hommage an den Flughafen und seine Nachbarn –, brach man zu einem Alpenrundflug mit geladenen Gästen auf. Auch eine Stippvisite mit Überflug am Eröffnungstag der Farnborough Airshow wurde eingelegt. Der erste Linienflug der CSeries ging am 15. Juli voll besetzt als Flug LX638 von Zürich nach Paris-Charles de Gaulle – mit einer Stunde Verspätung allerdings, denn im Cockpit gab es eine Warnmeldung. Manchester, Prag und Budapest gehörten zu den ersten Zielorten der CS100 im Swiss-Streckennetz. Ende August werden Warschau und Brüssel angeflogen, im September Nizza, Stuttgart, Hannover, Mailand, Florenz und Bukarest. „Florenz ist ein schwieriger Flughafen mit einer kurzen Bahn, von Bergen umgeben“, so Peter Koch, „aber dank der kraftvollen Triebwerke kein Problem für die CSeries.“ Doch der Chefpilot hat einen anderen Flughafen im Visier: „Für mich werden die Flüge von und nach London-City der aufregendste Teil meiner Arbeit im Cockpit der CSeries werden. Das Flugzeug ist dafür noch nicht zertifiziert, es fehlt auch noch die nötige Avionik. Die Zertifizierungsphase für den Steilanflug läuft im Moment, der ist mit dem Head-up-Display jetzt sehr schön zu fliegen. Das sollte bis Herbst abgeschlossen sein, dann erst werden wir dies auch im Simulator trainieren können“, erklärt er. Linienflüge zum London City Airport sind für das erste Quartal 2017 geplant.
Der Zweistrahler bietet auch interessante Möglichkeiten für Langstreckenflüge ab dem Londoner Stadtflughafen: „Die CSeries kann ETOPS-zertifiziert werden und dann tatsächlich von London City an die Ostküste von Amerika fliegen“, so Koch. Swiss wird ihre Flugzeuge aber nicht mit ETOPS-Qualifikation ausstatten, da sie dafür keinen Bedarf hat. „Mit einer reinen Business-Class-Kabine mit weniger Sitzen kann das Flugzeug das absolut schaffen – die Kollegen von Bombardier haben das bereits mehrfach bewiesen. Die sind mit dem Testflugzeug auch von Zürich und Berlin nonstop nach Montréal geflogen, allerdings ohne Passagiere.“ Wohingegen der Airbus A318, mit dem BA ab London City auf dem Trip nach New York-JFK auf dem Hinweg einen Tankstopp im irischen Shannon einlegen muss. Swiss-CEO Thomas Klühr gibt sich zur Übernahme der CSeries selbstbewusst: „Dieses Flugzeug senkt unsere Produktionskosten um 25 Prozent, halbiert sowohl den wahrnehmbaren Fluglärm als auch den CO2-Ausstoß und schafft auch noch 150 neue Jobs“, sagte er bei der Vorstellung. Die Lufthansa Group ging ein Risiko ein, als sie das Flugzeug des kanadischen Herstellers 2009 bestellte. „Jetzt, sieben Jahre und zwei Milliarden US-Dollar später, sehen wir das Ergebnis“, begeistert sich Klühr.
In diesem Jahr wird die Gesellschaft neun CS100 erhalten, die nächste Maschine im August. Die lettische Air Baltic hingegen ist Erstbetreiber der längeren CS300 und wird das erste Flugzeug im September erhalten. Swiss installiert 125 Sitze mit 76,2 Zentimeter (30 Zoll) Abstand in einer 2+3-Konfiguration in ihren CS100, während sie in der CS300 insgesamt 145 Passagiere unterbringen wird. Das Flugzeug, das von außen ziemlich kompakt wirkt, strahlt innen die Atmosphäre eines Großraumjets aus, wie die FLUG REVUE auf einem Rundflug mit der ersten Serienmaschine von Zürich über die Alpen erleben konnte. Dazu tragen die vergleichsweise großen Fenster und die ausgewachsene Kabinenhöhe von 2,11 Metern bei. Swiss hat sich für intelligent gestaltete Sitze des deutschen Herstellers ZIM entschieden, der auch für die Premium-Economy-Class-Bestuhlung auf Lufthansa-Langstrecken verantwortlich zeichnet. Die Sitze sind mit elegantem, braunem Leder bezogen, die Kopfstützen sind allerdings nicht verstellbar.
Mehr Komfort durch mehr Raum in der Kabine
Der Klapptisch an jedem Sitz ist auf innovative Weise nur mit einem einzigen Arm in der Mitte verankert. Zwei kleine, mit einem Netz versehene Sitztaschen zu beiden Seiten der Tischstütze eignen sich gut etwa für das Unterbringen einer Wasserflasche. Die sogenannten Slim-line-Sitze und der Abstand von großzügigen 30 Zoll sind auch für größer gewachsene Passagiere komfortabel. Der Mittelsitz ist angenehmerweise gut einen Zentimeter breiter als die anderen. Die innovativste Neuerung in der Swiss-CS100-Kabine jedoch sind die Minibildschirme, die sich über jeder Sitzgruppe in dem Servicemodul über den Köpfen befinden, also je zwei pro Sitzreihe. Ein gelungener Kompromiss zwischen individuellen Bildschirmen in den Rückenlehnen, wie man sie in Langstreckenflugzeugen findet, und der unbeliebten, über den Köpfen ausklappbaren Variante nur alle paar Reihen. Sie werden bei Swiss nicht für Bordunterhaltung genutzt, sondern vor dem Start für das Sicherheitsbriefing sowie für die interaktive Flugkarte während des gesamten Flugs. Die beeindruckend dimensionierten Fenster – sie sind ganze 50 Prozent größer als die in der A320 – sorgen dank des entsprechend großen Lichteinfalls für eine angenehme Atmosphäre. Eindrucksvoll sind auch die geringe Geräuschentwicklung an Bord und die immense Schubkraft der „PurePower“- PW1500-Triebwerke, die vor allem beim Start deutlich zu spüren ist.
Passagiere können sich also über komfortables Reisen mit dieser neuesten Airliner-Generation freuen, ähnlich dem in einer Boeing 787 oder einem Airbus A350. Nur dass dies jetzt zum ersten Mal auch auf Kurz- und Mittelstrecken verfügbar ist.
FLUG REVUE Ausgabe 09/2016