Flughafen-Ausbau: Athen erweitert sein boomendes Drehkreuz

Flughafen-Ausbau in Athen
Griechenland erweitert sein boomendes Drehkreuz

ArtikeldatumVeröffentlicht am 13.12.2025
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Bei einem Spaziergang durch die Plaka, die Athener Altstadt, hört man vor allem eine Sprache: Englisch. Wo früher Deutsche oder Briten dominierten, tummeln sich jetzt vor allem US-Amerikaner und Kanadier. Auch am 25 Kilometer östlich von Innenstadt und Akropolis gelegenen Athener Flughafen Eleftherios Venizelos, benannt nach einem früheren griechischen Ministerpräsidenten. Erbaut von einem damals deutschen Konsortium u. a. von Fraport und der Baufirma Hochtief für die Olympiade 2004. Eröffnet im März 2001 und bis heute baulich kaum verändert. Immer noch thront eine fast originalgetreue Kopie des Münchner Towers über dem griechischen Hauptstadtflughafen, doch zu seinen Füßen finden sich heute wesentlich mehr nordamerikanische Großraumjets als noch vor ein paar Jahren. "Wir haben zuletzt eine spektakuläre Performance von Transatlantik-Airlines mit hohen Auslastungen gesehen", sagt Ioanna Papadopoulou, Athens Marketingchefin im Interview mit der FLUG REVUE. "Seit 2019 ist das Angebot um 125 Prozent gewachsen. Hatten wir damals 46 Frequenzen pro Woche zwischen Athen und Nordamerika, waren es 2024 schon 82 und zuletzt 103 Verbindungen wöchentlich."

Aufgereihte Flugzeugen von Turkish Airlines, Aegean Airlines, Delta, Air Canada und Emirates am Flughafen Athen
Andreas Spaeth

Langstrecken legen zu

Eine erhebliche Anzahl von Airlines wagt den Sprung über den Nordatlantik von und nach Griechenland, allerdings keine einheimische Gesellschaft. Stattdessen ist Emirates die einzige Airline, die seit 2017 das ganze Jahr über täglich zwischen Athen und New York-Newark fliegt – eine Route der Fünften Freiheit (Flüge zwischen Punkten in Drittstaaten) als Verlängerung der Strecke Dubai – Athen. Ähnliches bieten die Araber auch via Mailand an. "Delta Air Lines fliegt nur sechs Wochen im Jahr nicht, ansonsten stets zu ihrem Hub in New York-JFK", ergänzt Papadopoulou. Saisonal gehe es mit der A330 auch nach Atlanta und Boston. Ebenfalls nur im Sommer kommt American Airlines mit der Boeing 787-9 und bedient ebenfalls JFK, aber auch Philadelphia, Charlotte und Chicago, ab Mai 2026 erstmals auch Dallas/Fort Worth. United schickt im Sommerhalbjahr Dreamliner aus Chicago, Newark und Washington-Dulles nach Griechenland, als einziger Europäer mischt Norse Atlantic Airways mit und bedient auch noch JFK plus neuerdings Los Angeles. Aus Kanada kommen Air Transat und Air Canada, beide mit Flügen aus Toronto und Montreal. Natürlich ist der Tourismus ein wesentlicher Treiber, aber in Griechenland spielt noch ein anderer wichtiger Markt eine große Rolle beim Passagieraufkommen: "Es gibt weltweit eine große griechische Diaspora, am größten ist sie in den USA, Kanada und Australien", erläutert Ioanna Papadopoulou.

Airbus A320neo mit dem Kennzeichen SX-NES von Aegean Airlines am Flughafen Athen
Andreas Spaeth

Indien mit der A321XLR

Doch aktuell steht ein anderer Teil der Erde im Fokus der Athener: "2026 wird unser großes Indien-Jahr", verkündet Iaonna Papadopoulou, "dank des Airbus A321XLR." Viele Flughäfen reden davon, welche Chancen sich für sie dank neuer Standardrumpf-Langstreckenjets eröffnen, aber Athen kristallisiert sich als frühes Ziel heraus. "Anfang 2026 startet IndiGo mit Athen als erstem Ziel ihrer XLR-Flüge von Delhi und Mumbai, ab März folgt Aegean mit XLR-Flügen nach Delhi und ab Mai auch nach Mumbai", freut sich die Marketingchefin des Flughafens. Beide Airlines konkurrieren um Passagiere, haben aber gleichzeitig auch ein Codesharing-Abkommen geschlossen. Künftig befördert Aegean indische Kunden auf die griechischen Inseln weiter; hier spielt besonders ein Marktsegment eine wichtige Rolle: Hochzeitstourismus. Genau wie auf dem chinesischen Markt gelten Instagram-taugliche Vermählungen vor der Kulisse der Akropolis oder in Santorin zu den großen Attraktionen Griechenlands in Asien. Aber der Flughafen Athen denkt schon weiter: "Wir hoffen, dass es bald auch XLR-Verbindungen nach Afrika geben könnte. Das ist bisher kaum verbunden mit Athen, nur durch die Boeing 737-MAX-Flüge von Ethiopian nach Addis Abeba", sagt Papadopoulou. Aegean evaluiert bereits künftige XLR-Flüge nach Südafrika, wo es auch eine beachtliche griechische Diaspora gibt. "Andere XLR-Märkte für uns wären Aserbaidschan und Kasachstan", so die Marketingchefin.

Check-In-Schalter am Flughafen Athen
AIA

Mehr Ziele in Asien und Lateinamerika im Visier

Sie ist schon lange in der Branche tätig und freut sich besonders, dass nun endlich eine griechische Airline auch wieder eigene Langstrecken anbietet, erstmals seit dem Ende von Olympic Airways vor über anderthalb Jahrzehnten: "Das ist für uns sehr spannend und aufregend." Abgesehen von mehr XLR-Flügen hat Ioanna Papadopoulou den halben Globus als künftige Zielmärkte im Visier: "Besonders Südkorea, Thailand, China und auch Vietnam." Mittelfristig hofft sie auch auf Verbindungen nach Japan und Lateinamerika. Aus Südostasien und Fernost sind derzeit regelmäßig nur drei chinesische Airlines in Athen vertreten und der Billigflieger Scoot aus Singapur. Beim Besuch der FLUG REVUE startet gerade ein Airbus A330 von VietJet zum fast zwölfstündigen Flug nach Ho-Chi-Minh-Stadt – "aber das ist nur ein Charter, wir versuchen sie zu überzeugen, Linienflüge anzubieten", sagt die Marketingchefin.

Ladenflächen am Flughafen Athen ATH
AIA

Bereits über der Kapazitätsgrenze

Airlines, aber auch Passagiere dürften den Boom in Athen mit gemischten Gefühlen beobachten, denn es ist eng am Venizelos Airport; seit der Eröffnung 2001 wurde nur minimal erweitert. "Der Flughafen arbeitet über der Kapazitätsgrenze", sagt Michalis Kouveliotis, Vizechef des größten Kunden Aegean mit 44 Prozent Marktanteil (zusammen mit ihrer Inselflug-Tochter Olympic Air). "Unsere nominale Kapazität liegt bei 26 Millionen Passagieren jährlich, 2025 werden es über 34 Millionen sein, wir mussten immer wieder kleinere Verbesserungen umsetzen, um das irgendwie zu bewältigen", bestätigt Ioanna Papadopoulou. "Die wollten und mussten schon lange ausbauen, doch das Timing war schlecht, und sie haben durch die Pandemie etliche Jahre verloren", klagt der stellvertretende Aegean-CEO. "Als die Nachfrage dann sehr schnell zurückkam, konnten sie damit nicht umgehen." Jetzt endlich beginnt 2026 der eigentlich schon für 2020 geplante Ausbau der Terminals, der die Kapazität zunächst um 25 Prozent steigern soll. Bereits im Bau sind ein neuer Vorfeldbereich im Nordwesten und ein neues Parkhaus neben dem Flughafenhotel; beides geht Mitte 2027 in Betrieb. Schon bis 2028 soll die Hälfte der Erweiterungen am bestehenden Terminal zur Verfügung stehen. "Bis dahin steht uns noch eine harte Zeit bevor", stöhnt der Vizechef von Aegean.

Auf der einen Seite des Terminals, direkt neben dem Kontrollturm, entsteht ein Anbau an das Hauptgebäude mit vier neuen Parkpositionen und Fluggastbrücken im Non-Schengen-Bereich. Die zentrale Erweiterung dagegen passiert am anderen Ende des lang gestreckten Terminals im jetzt zu Stoßzeiten chronisch überfüllten Schengen-Bereich. Dort, wo heute noch Vorfeld ist, teilt sich an einer neuen Rotunde der Abfertigungsbereich künftig auf zwei gabel-artige Arme mit neuen gebäudenahen Abfertigungspositionen auf. Insgesamt wird durch den Ausbau die verfügbare Gebäudefläche um 148 000 Quadratmeter oder 68 Prozent des bisherigen Terminals erweitert. Schon heute werden viele Schengen- und alle Inselflüge in Athen auf Außenpositionen abgefertigt – durch das neue Nordwestvorfeld noch weiter vom Gebäude entfernt als bisher. Doch Ioanna Papadopoulou widerspricht: "Die Erweiterung soll den Passagierkomfort erhöhen. Auch zum neuen Vorfeld werden die Busfahrten nicht länger dauern, weil ja auch die Terminals wachsen."

Panorama-Bild auf den internationalen Flughafen Athen ATH
AIA

Große Wachstumsflächen

Mit Investitionen von 1,17 Milliarden Euro soll so bis 2032 Platz für 40 Millionen Passagiere jährlich sein. Damit wird Athen zu einem der größten Flughafenkomplexe unter einem Dach in Europa. Schon heute gehört er mit seiner Grundfläche von 65 Quadratkilometern zu den ausladendsten. Dank der beiden Parallelbahnen reicht die Pistenkapazität sogar für die finale Ausbaustufe, ohne dass es eng wird: Vermutlich bis 2045 könnte auf der anderen Seite des heutigen Abfertigungsbereichs, entlang der Nordbahn, das heutige Terminal gespiegelt noch mal neu errichtet werden. Das würde dann für 50 Millionen Fluggäste pro Jahr ausreichen. Durch das anhaltende Wachstum wird die Flugsicherung zum Flaschenhals Athens, der, wie Eurocontrol bestätigt, Verspätungen in ganz Europa verursacht. Während Griechenland 2025 den dritten Touristenrekord in Folge aufstellte, quälen sich die Lotsen in Athen mit Geräten, die seit der Eröffnung 2001 nie erneuert wurden. Damals gab es hier knapp 160 000 Flugbewegungen im Jahr, heute sind es fast 280 000. Kein Wunder, dass es da bei nicht mitgewachsener Technik und Personaldecke zu Engpässen kommt. "Die Verspätungen in Athen sind unser größtes Problem", heißt es auch bei Aegean. Mit satten 15 Prozent Wachstum war der deutsche Markt 2024 nach Italien der zweitgrößte Auslandsmarkt unter den Athener Passagieren, über 2,1 Millionen flogen zwischen Athen und der Bundesrepublik. Unter den wichtigsten Zielen tauchen Frankfurt und München allerdings nicht auf, sondern rangieren auf den Plätzen sieben und acht; hier fliegen jeweils Aegean, Lufthansa und Sky Express. Auch sechs andere deutsche Städte werden nonstop bedient, neben Frankfurt und München noch fünf allein von Aegean, auch Eurowings, Ryanair und Sky Express mischen mit. Dabei liegt die größte "interkontinentale" Destination noch wesentlich näher an Athen als an Deutschland: Tel Aviv. – Nicht weniger als acht Airlines konkurrieren auf dieser Route, die nach dem Ausbruch des Gazakriegs 2023 erheblich an Bedeutung gewonnen hat. "Griechenland ist für Israelis zu einer Art sicherem Hafen geworden", sagt Ioanna Papadopoulou, "2025 gab es einen Verkehrszuwachs von 61 Prozent auf der Route." Im Vorjahr verzeichnete Athen insgesamt 157 direkte Zielorte in 55 Ländern, bedient von 68 Airlines.

Luftaufnahme des Flughafens Athen mit neuem Terminalbereich
AIA

Daten Athens International Airport

  • IATA-Code: ATH
  • ICAO-Code: LGAV
  • Eigentümer: Staat Griechenland (55 %), PSP Investments of Canada (40 %), Copelouzos Group (5 %)
  • Startbahnen: 03R/21L: 4000 m, 03L/21R: 3800 m
  • Betriebserlaubnis: 24 Stunden
  • Gates: 44
  • Arbeitsplätze am Flughafen: 14 300, davon 900 beim Flughafenbetreiber
  • Passagiere 2024: 31,9 Mio.