Gebirgsflughafen Paro in Bhutan: Anflug extrem im Himalaya!

Gebirgsflughafen Paro in Bhutan
Riskanter Riesenslalom im Himalaja - Anflug extrem!

Veröffentlicht am 18.04.2025

Als erste Amtshandlung schaltet der A319-Kapitän von Drukair auf dem Weg nach Paro noch vor dem Landeanflug das Bodenannäherungs-Warnsystem (GPWS) ab. Dessen hier im Hochgebirge unvermeidliche Dauer-Warnungen: "Terrain! Terrain! Pull up!" würden nur stören – und jetzt ist höchste Konzentration gefragt. Aus Reiseflughöhe geht es über Kämme und Grate im ständigen Sinkflug in das enge Gebirgstal von Paro. Mit Steilkurven und in wechselnden Schräglagen baut die sehr eingespielt und souverän wirkende Crew auf s-förmigen Kurs durch die Täler, fast schon wie auf einer Bobbahn und öfter mal sehr nahe an den Talseiten, Höhe ab. Das absichtlich früh ausgefahrene Fahrwerk hilft mit seinem zusätzlichen Widerstand, beim steilen Sinken nicht noch zusätzliche Fahrt aufzubauen. Immer wieder meldet sich der Radarhöhenmesser mit blecherner Stimme "one thousand" (1000 Fuß oder 300 Meter) oder gar "five hundred" (150 Meter über Grund) zu Wort, wenn wieder ein Stück Gebirge niedrig überflogen werden musste. Für die an ihren Fenstern staunenden Passagiere, die diesen spektakulären Anflug zum ersten Mal mitmachen, gab es vor dem Sinkflug eigens eine erklärende Kabinendurchsage zur Beruhigung: Die Nähe zu den Hängen, die wechselnden Schräglagen und die manchmal unruhige Luft sind hier völlig normal, bitte einfach nur die Aussicht genießen!

Gipfel des Mount Everest sichtbar aus dem Cockpitfenster
Timo Breidenstein

Landen nur für Kapitäne mit Sondererlaubnis

Nach einer harten Rechtskurve um fast 180 Grad kommt endlich die Piste in Sicht. Die A319 schwebt noch dicht an einem Bergkloster vorbei und "sticht" direkt dahinter, mit der Nase voran, Richtung Talboden, um Resthöhe abzubauen. Beim Überfliegen des örtlichen Flusses Paro Chhu richtet der Kapitän noch schnell den Bug sauber auf die Landebahnachse aus und setzt, nach sorgfältig langem Ausschweben, auf der 2200 Meter langen Piste Paros sanft auf. Willkommen in Paro. Nur besonders eingewiesene Kapitäne, insgesamt etwa 50, darunter mit der einheimischen Kommandantin Ugyen Dema auch eine Frau, dürfen diesen anspruchsvollen Gebirgsflughafen ansteuern, und dies auch nur bei Tage und guten Wetterbedingungen. Acht bis zehn Jahre lang haben sie sich zuvor als Co-Piloten in der wilden Himalaja-Gebirgswelt bewährt, wo extrem dünne Höhenluft, tückische Talwinde und radikale Wetterumschwünge perfektes Flughandwerk verlangen. Die herbstliche Monsunzeit kann mit Wolken, Regen, Dunst und Hagel die anspruchsvollen Maß-Anflüge zusätzlich erschweren. Und in der "Wind-Saison", zwischen Februar und Mai, wird grundsätzlich nur bis zwölf Uhr mittags gelandet.Um so harmonischer wirkt das Empfangsgebäude von Paros Flughafen: Es ist im Stil eines traditionellen Klosters dekoriert, mit reich verzierten Säulen, Toren mit geschnitzten Balken, Gartenhöfen, Drachenmalereien und Dächern in Ziegeloptik. Dabei empfängt der frisch renovierte Flughafen die ankommenden Passagiere innen mit einem technisch durchaus modernen Terminal. Selbst der Raum zwischen den Gepäckbändern ist noch mit großen Modellen der berühmtesten Klöster und Festungen des Gebirgskönigreichs dekoriert.

Luftaufnahme vom Flughafen Paro in Bhutan
Timo Breidenstein

Sanfter Tourismus

Zum Besuch Bhutans braucht man vorab ein Visum, das typischerweise in Verbindung mit fest gebuchten Gruppenreisen erteilt wird. Erst neuerdings können sich auch Individualtouristen zur Einreise anmelden. In jedem Fall wird pro Tag eine Besucherabgabe von 100 Dollar fällig. Bis vor kurzem war es sogar das Doppelte. Bhutan ist kein Billigferienland, auch wenn vor Ort die meisten Preise moderat bleiben. Dafür erwartet man in dem gleichermaßen gastfreundlichen und frommen Königreich von den Besuchern aber stets korrekte Kleidung und gutes Benehmen, insbesondere beim Besuch der zahlreichen Tempel. Also keine kurzen Hosen, Jeans oder gar Flip-Flops, die im extremen Hochgebirgsgelände aber ohnehin eine schlechte Wahl wären. Lange Zeit war Paro der einzige Flughafen in ganz Bhutan. Anfangs konnten hier nur zweimotorige Dornier Do 228 auf der seinerzeit kürzeren Piste landen, die später immer wieder verlängert wurde. Als erster Jet wurde die kurzstart- und steillandefähige, vierstrahlige BAe 146-100 heimisch. Erst mit der A319 kam dann auch größeres Gerät nach Bhutan. Heute fliegen die beiden Lokalmatadore Drukair und Bhutan Airlines vor allem mit ihren A319 und sogar einer A320neo nach Paro. Dank erhöhter Schubratings, einer Art Chiptuning, kommen die erstaunlich wendigen Zweistrahler mit den harten Gebirgsbedingungen und den sehr steilen An- und Abflugprofilen aber gut zurecht. Erst im Oktober 2024 hat Drukair für eine Rekord-Investitionssumme von 450 Mio. Dollar nochmals drei A320neo und zwei A321XLR bestellt. Sie werden im Jahr 2030 (zwei A320neo) und 2031 (beide A321XLR und eine A320neo) geliefert. Die A321XLR sind dann die größten Jets des Königreichs. Ihr Einsatzgebiet wird aber nicht Paro, sondern der im äußersten Süden des Landes liegende Flughafen Gelephu sein, denn die A320neo ist das größte in Paro einsetzbare Muster. Die Stadt Gelephu, an der indischen Grenze liegend, soll mit einer nachhaltigen Sonderwirtschaftszone "Gelephu Mindful City" noch in diesem Jahrzehnt groß ausgebaut werden. Dazu passend wird auch ihr Flughafen, mit heute 1500 Meter kurzer Piste, bis 2029 mit einer neuen 3000-Meter-Startbahn, die später noch auf 3500 Meter erweiterbar ist, zum wichtigsten internationalen Flughafen Bhutans erweitert. Die Changi Group aus Singapur hilft dabei als Partner.

Luftaufnahme der Landebahn am Flughafen Paro in Bhutan
Timo Breidenstein

Neue Langstrecken in Planung

Dagegen bleibt Paro der Hauptstadtairport Bhutans, denn die Hauptstadt Thimphu liegt von hier aus nur 54 Kilometer, eine Autostunde, entfernt. Somit wird Gelephu künftig die Rolle des Langstreckenairports übernehmen. In Bhutan werden dafür als Routen-Wunschziele schon Europa (darunter Frankfurt und Istanbul) und allgemeiner Japan und Australien anvisiert. Letzteres ist ein in Bhutan sehr beliebtes Auswanderungsland für Gastarbeiter, wo die fleißigen Bhutaner vergleichsweise viel Geld verdienen können und gut angesehen sind. Ihr Lohn fließt oft in die alte Heimat zurück, etwa um bedürftige Eltern zu unterstützen oder um den Bau von Häusern in Bhutan zu finanzieren. 33 000 Bhutaner leben in Australien, so viele, dass die Regierung Bhutans sie mittlerweile am liebsten wieder zurückgewinnen möchte, damit die hoch qualifizierten Auswanderer langfristig bei der Entwicklungs ihres früheren Heimatlandes helfen können. Bhutan will aber auch seinen Tourismus ankurbeln, der als wichtige Einnahmequelle gilt. Durch Corona waren die Besucherzahlen von einst 300 000 pro Jahr, darunter überwiegend Inder, auf unter 100 000 eingebrochen. Jetzt sollen die Besucherzahlen wieder mindestens auf das alte Niveau wachsen, wobei man langfristig, etwa zur Hälfte, westliche Besucher anstrebt.

Hubschrauber H130 von Drukair im Flug
Timo Breidenstein

Zwischen VIP- und Regionalverkehr

In der dünn besiedelten und weitgehend unzugänglichen Hochgebirgsnation Bhutan hilft die Luftfahrt aber auch bei lebenswichtigen Diensten. So übernehmen, von Bhutans Gesundheitsministerium finanziert, ab Paro drei Airbus-H130-Hubschrauber des mit Drukair vereinigten Royal Helicopter Service medizinische Evakuierungsflüge. Sie binden auch entlegendste Dörfer an, die man sonst nur nach einwöchigen Fußmärschen auf dem Landweg erreichen könnte. Außerdem helfen die Hubschrauber beim Aufbau einer Telekommunikations-Infrastrukturin der entlegenen Wildnis, etwa beim Setzen von Antennen- und Strommasten. Hin und wieder werden aber auch wohlhabende Touristen oder VIPs auf Charterflügen befördert, was wiederum dem teuren Helikopterbetrieb auf der Einnahmeseite hilft. Denn neben den üblichen Kosten für das Fluggerät ist Treibstoff in Bhutan besonders teuer. Er muss mühsam per Tank-Lkw im Straßentransport aus Indien angeliefert werden. Oft gibt es hier aber auch gar keine Straßen oder nur schmale Gebirgspfade. Deswegen hat in Paro auch der Regionalflugverkehr eine besondere Bedeutung.

Drukair leistet sich dafür eine eigene ATR 42-600, um Kurzstrecken nach Punakha, Yongula und Jelephu wirtschaftlich bedienen zu können, wo die größeren Airbus-Jets auf den zu kurzen Pisten nicht landen könnten. Aber auch nach Kathmandu (Nepal), Kalkutta (Indien) und Dhaka (Bangladesch) kann die ATR bei Bedarf fliegen, wenn die Passagierzahl dort für die größeren Flugzeugmuster einmal nicht reicht. Eine Besonderheit an Bord der ATR ist deren synthetisches Sichtsystem im Cockpit. Im Glasvisier einer "SkyLens"-Datenbrille sehen die Piloten neben dem Primary Flight Display ein synthetisches Geländebild der voraus liegenden Landschaft in Grüntönen. Es wird, auch bei Nebel oder Dunkelheit, aus den Bildern mehrerer Bugkameras vor dem Cockpit errechnet. Ein unschätzbarer Vorteil in der unübersichtlich verwinkelten Hochgebirgslandschaft voller tückischer Hindernisse.

Die größeren Jets werden neben ihrem üblichen Linienflugpensum mit zusätzlichen Chartereinsätzen nach Delhi, Bangkok und Singapur ausgelastet. Ihre Heimatbasis, der Flughafen Paro, wird im Oktober 59 Jahre alt, denn im Oktober 1966 wurde der Grundstein gelegt. Am 23. März 1968 begann der Flugbetrieb mit dem Abwurf von Blumen aus einem Hubschrauber. Schon seit 1952 hatte sich Bhutan darum bemüht, einen eigenen Flughafen zu errichten. Hauptforderung: Die Piste musste mindestens 1200 Meter Länge aufweisen, um einer Douglas Dakota zum Start zu genügen. Der "große" Passagierverkehr begann 1983 mit zwei 18-sitzigen Dornier 228-200 von Drukair, die Flüge nach Kalkutta, Kathmandu und Dhaka anbot. Die Regierung errichtete 1984 ein erstes, größeres Terminal, mit Sicherheitskontrolle und getrennten Ankunfts- und Abflugbereichen, 1988 wurde die Startbahn auf 1700 Meter verlängert, so dass erstmals zwei 72-sitzige BAe 146-100 eingesetzt werden konnten. Das heutige, wesentlich vergrößerte, Terminal wurde 1999 eröffnet. 2015 gründete Bhutan mit dem Department of Air Transport eine eigene Luftfahrtbehörde, die ab 2016 eine nationale Luftfahrtgesetzgebung schuf.

Startender A319 von Drukair am Flughafen Paro in Bhutan
Timo Breidenstein

Zwei einheimische Airlines

Lokalmatador in Paro ist mit Drukair der Flag Carrier Bhutans. Die in heutiger Rechtsform 1981 gegründete Drukair Corporation Limited fliegt unter dem Namen "Drukair – Royal Bhutan Airlines" mit dem IATA-Kürzel KB. Drukair steuert aus Paro zehn internationale und drei Inlandsziele an und betreibt seit 2022 auch den bereits genannten Hubschrauberdienst Royal Bhutan Helicopter Services Limited (RBHSL). Als zweite Airline ist noch die private Bhutan Airlines (IATA-Code: B3) zu nennen. Dieses offiziell "Tashi Air Private Limited" genannte Unternehmen gehört zum 1959 gegründeten Konzern Tashi und nahm Ende 2011 den Flugbetrieb auf. Schnell wuchs man von beiden anfänglichen Pilatus PC-12 mit acht Sitzenauf Airline-Größe. Im Jahr 2013 nahm Bhutan Airlines Bangkok und Kalkutta ins Programm, womit zugleich eine A320 für 150 Passagiere zur Flotte stieß. Heute werden zwei A319 genutzt, die 126 Passagieren Platz bieten, davon zwölf in der Business Class. Sie bedienen auch Delhi, das via Kathmandu erreicht wird. Am Flughafen Paro wächst unterdessen auch die Allgemeine Luftfahrt. Seit dem vergangenen Herbst läuft ein Ausschreibungsverfahren zum Bau eines Vorfeldes für die General Aviation, verbunden mit der Renovierung eines Rollwegs. Im Passagier-Ankunftsterminal soll außerdem ein neues, automatisiertes Einreisesystem installiert werden.

Anflug auf die Landebahn vom Flughafen Paro in Bhutan
Timo Breidenstein

Daten

Paro International Airport

IATA-Code: PBH

ICAO-Code: VQPR

Name in Landessprache: paro nam thang

Betreiber: Bhutan Department of Air Transport, Teil des Verkehrsministeriums

Startbahn 15/33: 1964 m Länge

Terminal (2022 modernisiert): Getrennte An- und Abflughallen, sechs Einreiseschalter, drei Ausreiseschalter, drei Parkpositionen für Jets, zwei für Turboprop-Flugzeuge. Drukair Business Lounge

Betriebszeit: Sonnenauf- bis -untergang, Sichtflugbedingungen, ggf. wetterbedingte Einschränkungen

Passagiere 2019: 290 000

Ausstattung: Werfthalle und Hubschrauberbasis

Flughafen-Aussichtspunkte: zwei