Bei immer mehr Messen weltweit tut sich die ILA schwer, ihre Position zu halten. Sind über die diesjährigen Anpassungen hinaus neue Konzepte notwendig?
Es stimmt, es gibt heute mehr Messen, gleichzeitig wächst der Weltmarkt für Luftverkehr aber auch stark. Dennoch: Die ILA muss und wird sich weiterentwickeln, gerade um sich von anderen Messen noch stärker abzuheben. Das heißt konkret, dass wir auf die Stärken der ILA setzen wie Raumfahrt, Hubschrauber und das Konferenzprogramm. Im Vorgriff auf zukünftige Messen ab 2018 haben wir folgende Themen eingearbeitet: Wir werden am 2. Juni erstmals einen ILA Startup Day durchführen, das heißt, wir integrieren ganz bewusst dynamische, junge Unternehmen. Auch werden wir den Stand des BMWi zum Thema „Futurelab“ mitgestalten und zukunftsweisende Themen der Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Cyber, 3D-Druck präsentieren. Der Space Pavilion, weltweit Alleinstellungsmerkmal der ILA, wird das Thema „New Space“ im Schwerpunkt aufgreifen.
Was die Industrie selbst betrifft, sind Sie mit der Entwicklung des letzten Jahres zufrieden?
Die Branche entwickelt sich weiter positiv,doch dürfen wir die Herausforderungen angesichts neuer Wettbewerber nicht unterschätzen. Da andere billiger produzieren und über schnell wachsende Heimatmärkte verfügen, sind wir im Hochlohnland Deutschland zur Innovation verdammt. „Made in Germany“ muss weiterhin für absolute Spitzentechnologie stehen. Mit zahlreichen unverzichtbaren deutschen Beiträgen, zum Beispiel zur A350 XWB und der A320neo, sind wir auf gutem Weg.
Im zivilen Bereich werden die Produktionsraten weiter hochgefahren. Können die deutschen Zulieferer mithalten?
Absolut. Die deutsche Zulieferindustrie ist in den letzten Jahren kräftig gewachsen. Das liegt auch daran, dass unsere mittelständisch geprägten Zulieferer, die „hidden champions“ unserer Branche, zunehmend auf dem Weltmarkt erfolgreich sind. Es wird auf der Welt kaum noch ein Flugzeug produziert, das keine Teile oder Systeme „made in Germany“ enthält.
Der militärische Bereich ist seit Langem das Sorgenkind. Bringt die neue Militärische Luftfahrtstrategie hier eine Trendwende?
Bei der militärischen Luftfahrt findet angesichts der sicherheitspolitischen Lage ein Umdenken statt. Es wird heute anerkannt, dass wir der Bundeswehr modernste und leistungsfähigste, weltweit teilweise einmalige Systeme zur Verfügung stellen und so ihre Einsatzfähigkeit überhaupt erst sichern. Die Militärische Luftfahrtstrategie ist Ausdruck dessen. Jetzt müssen konkrete Entscheidungen folgen, damit wir diese so schnell wie möglich umsetzen und wichtige Technologien im Land halten können.
Die Raumfahrt steht durch neue US-Herausforderer wie SpaceX vor einem Umbruch. Ist die deutsche Industrie dafür gerüstet?
Um ein Missverständnis auszuräumen: Die öffentliche Hand investiert in den USA viel mehr Geld in die Raumfahrt als wir Europäer. Davon profitieren Unternehmen wie SpaceX. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die deutsche Raumfahrtindustrie ihre Technologieführerschaft bewahren. Doch das geht nur mit Aufträgen. Am Jahresende werden bei der ESA-Ministerratskonferenz die Weichen für die kommenden Jahre gestellt. Es ist von großer Bedeutung für die europäische Raumfahrt, dass die Bundesregierung die ESA weiterhin stark unterstützt, damit wir die positive Entwicklung unserer Raumfahrtindustrie in den vergangenen Jahren fortsetzen können.
Neue Technologien wie 3D-Druck oder elektrische Antriebe erfordern hohe Forschungsaufwendungen. Gibt es genügend Unterstützung von der Bundesregierung?
Das Luftfahrtforschungsprogramm ist zwar überschaubar, wirkt aber als Turbolader für unsere Branche. Für die Bundesregierung ist es eine sehr gute Investition: Jeder eingesetzte Euro rentiert sich fünffach. Nun stehen wir mit Industrie 4.0 und Digitalisierung vor großen Umwälzungen. Wenn wir in Deutschland diese Entwicklungen aktiv gestalten, wird das ganze Land profitieren. Unsere Industrie ist dabei der Schlüssel, denn nirgends sind die Anforderungen an Technologie so hoch. Deshalb wünsche ich mir die Fortsetzung und den Ausbau der guten Zusammenarbeit.
FLUG REVUE Ausgabe 06/2016