"Jedes Mal, wenn wir nach Paris, London oder Sydney fliegen, haben wir keine Sitze mehr verfügbar", klagt Sir Tim Clark, Präsident von Emirates Airlines, im Gespräch mit der FLUG REVUE. "Zur Hauptsaison im Sommer muss ich für jeden Sitz, den ich in der First oder Business Class verkaufe, drei Leute stehen lassen. Da sage ich mir, wir hätten ein Flugzeug anschaffen sollen, das 1200 Sitze hat, nicht nur bis zu 615 wie einige unserer A380", so Clark. Im August 2025 galten weltweit bei allen Betreibern noch insgesamt 186 Airbus A380 als "aktiv", wovon sich aber etliche schon länger am Boden befinden und etwa auf Überholung oder Umbauten warten. Zehn Airlines nutzen die A380 aktuell. 116 Doppelstöcker (von 123 ihr gelieferten) entfallen auf Emirates, die allerdings Ende 2025 auch nur rund 95 im aktiven Einsatz hatte.

Die A380 bleibt Rückgrat der Emirates-Langstrecke. Die Airline plant den Einsatz bis mindestens 2041.
A380 sollen bis 2041 fliegen
Emirates bleibt auf die A380 angewiesen und versucht alles, um sie so lange wie möglich in der Flotte zu halten. Keine andere Fluggesellschaft definiert sich derart über die A380 wie Emirates. "Wir werden die A380 jetzt bis 2041 betreiben", erklärt Sir Tim gegenüber der FLUG REVUE. "Dafür müssen wir erstmal die Lebensdauer verlängern in Zusammenarbeit mit den Zulassungsbehörden." Zertifiziert waren die Riesen für 20 000 Cycles (ein Druckkabinenzyklus entspricht einem Flug) oder 100 000 Flugstunden innerhalb von 20 Jahren. "Das wollen wir jetzt nochmal um vier oder fünf Jahre verlängern", so der Emirates-Chef. Derzeit gebe es auch noch Probleme bei einigen zur Wartung anstehenden Flugzeugen. "Ich hoffe aber, dass wir Ende 2026 wieder etwa 110 A380 in der Luft haben."
Aber um mit seinen Riesen noch anderthalb Jahrzehnte länger unterwegs zu sein, reicht auch die aktuell noch laufende Erneuerung der Kabinen nicht aus, deren wesentliche Änderung im Einbau der Premium Economy Class besteht. Rund anderthalb Jahre sollte es Ende 2025 noch dauern, bis alle Boeing 777-300ER und A380 die derzeitige Auffrischung hinter sich haben. Die gerade aufpolierten A380 werden mittelfristig nochmal ganz neue Kabineneinrichtungen erhalten, denn die heutigen Sitzkonzepte etwa in der First und Business Class hatten sich seit der ersten A380-Lieferung an Emirates 2008 kaum verändert. In den "nächsten zwei oder drei Jahren", so Clark, sollen diese ganz neuen Kabinen schon installiert werden. Verraten will er darüber noch nicht viel: "Ich werde da keine Sitze rausnehmen, ich werde aber versuchen, die neuen Sitze in Produkt und Design besser zu machen, und wir werden einen ganz neuen Economy-Sitz einführen."

Emirates baut eigene Kapazitäten für Kabineninterieur auf, um Lieferketten unabhängiger zu machen.
Kabine aus eigener Produktion
Solche Zeitpläne sind ehrgeizig, vor allem angesichts von Lieferproblemen, teilweise Material- und Personalknappheit und schleppenden Zulassungen. Um sich unabhängiger von Produktionsproblemen der Zulieferer zu machen, geht Emirates jetzt einen großen Schritt und steigt selbst in die Produktion ein. "Wir werden bald alle Dinge selbst herstellen, die in die Kabine kommen, und auch einige, die wir für das Flugzeug selbst brauchen", verkündet Sir Tim. Natürlich ginge es nicht um den Bau ganzer Flugzeuge oder gar Triebwerke. "Aber sobald wir die behördliche Zulassung haben und die entsprechenden Anlagen, werden wir diesen Weg beschreiten." Damit könne man sich selbst den nötigen Zulauf von Teilen pünktlich und in der gewünschten Qualität sichern. "Alles, was dafür nötig ist, haben wir reichlich: Land, Arbeitskräfte und Kapital", so Sir Tim. Es gebe in den Emiraten in nur zehn Kilometern Entfernung von der geplanten Produktion auch die zweitgrößte Aluminiumproduktion der Welt, was weitere Synergien und kurze Wege schaffe. "Dann bekommen wir die Produkte, die wir für uns selbst designt und dann auch selbst produziert haben, vermutlich in einem Viertel der sonst üblichen Zeit und für sehr viel weniger Geld", hofft der Airlinechef. "Dafür werden sich auch andere Airlines interessieren." Er rechnet vor, dass die Arbeitsstunde in Europa 250 Euro koste, in den Arabischen Emiraten dagegen nur 50 Euro. "Die Mitarbeiter hier werden rund um die Uhr, sieben Tage die Woche bei sehr guten Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung arbeiten. Wir haben selbst die Qualitätskontrolle. Das befreit uns von den Hürden, die die europäischen Zulieferer haben, mit denen wir bisher arbeiten." Vor allem Airbus, so Clark, sei angetan von der Idee, weil die Emirates-eigene Produktion von Kabineninterieurs die Lieferketten der Europäer entlaste.
Auf der Dubai Airshow im November unterzeichneten Emirates und Sitzhersteller Safran eine Vereinbarung über den Aufbau einer Sitzproduktion für Sessel der Business und Economy Class bis Ende 2027. In der Nähe des künftigen Flughafens Dubai World Central soll zunächst eine 25 000 Quadratmeter große Fabrik entstehen, weitere Partner werden gesucht. Die Konkurrenz beobachtet das mit Skepsis: "Bisher waren solche Joint Ventures meist erfolglos", konstatiert Mark Hiller, CEO von Recaro in Schwäbisch Hall. Sir Tim dagegen hat noch mehr vor und plant auch größere In-House-Fähigkeiten nicht nur für kleinere Triebwerkswartungen aufzubauen. "Noch haben wir keine Kapazitäten, Antriebe selbst völlig zu zerlegen und wieder aufzubauen, doch das werden wir sehr bald in den Fokus nehmen", sagt der Airline-Chef. Gleichzeitig kauft Emirates immer mehr Leasinggebern wie Amedeo oder Doric jene A380 ab, welche die Golf-Gesellschaft zuvor geleast hatte. "Die sind sehr froh, wenn wir ihnen die abnehmen."

Tim Clark baute Emirates zum Global Player auf.
Emirates wünscht sich eine noch größere 777
Aber gleichzeitig zu allen Maßnahmen, das Leben der A380 zu verlängern und ihre Kabinen bis in die 2040er-Jahre attraktiv genug für die Passagiere zu halten, muss Emirates auch darum bangen, künftig noch ausreichend neue große Flugzeuge bestellen zu können. "Ich habe Christian Scherer von Airbus schon lange gesagt, dass die A350-1000 zu klein für mich ist, damit müssen die mehr tun" – er meint eine noch größere A350-2000 anzubieten. "Wenn wir irgendwann unsere über hundert A380 ausmustern, dann bleibt, Stand heute, nur die Boeing 777-9, die hat aber rund 140 Sitze weniger." Deshalb drängt Sir Tim jetzt Boeing dazu, eine verlängerte Version 777-10 zu bauen. "Da pushe ich sehr hart, das ist das Flugzeug der Zukunft für Emirates", betont er. Die heutige Boeing 777-300ER hält er ohnehin für den besten Boeing-Widebody bisher, und eine 777-10 sei absolut entscheidend. "Die mag anfangs spezifisch für uns passen, aber ich bin mir sicher, wenn andere die sehen, dann wollen sie davon auch welche haben. Eine 777-10 ist von kritischer Bedeutung nicht nur für uns, sondern für alle bisherigen großen 777-300ER-Betreiber." Die 777-9, deren Erstkunde Emirates war, kommt nach neuestem Stand nun erst 2027 statt, wie mal geplant, bereits 2020, "davon hätten wir eigentlich jetzt bereits hundert in der Flotte gehabt", bedauert Clark. Auf der Dubai Airshow überraschte Emirates am Eröffnungstag mit einer Nachbestellung von 65 Boeing 777-9, die sowohl in Orders für die 777-8, aber auch für eine 777-10 umgewandelt werden dürften.

Emirates hat insgesamt 270 Boeing 777X bestellt.
Forderung nach mehr Kapazität
Damit hat Emirates insgesamt 270 Boeing 777X fest bestellt. Offenbar hatte die Airline aus Dubai Boeing die Bedingung abgerungen, eine verlängerte 777-10 "ernsthaft zu prüfen". Boeing-Manager schienen sich in Dubai bei diesem Thema sichtlich unwohl zu fühlen. Chefverkäufer Brad McMullen sagte auf Nachfrage der FLUG REVUE: "Das ist keine Verpflichtung, wir haben nur gesagt, dass wir uns das anschauen werden." Tim Clark sagt: "Ich glaube, sie haben unser Bedürfnis verstanden, nur im Moment sind sie natürlich mit sehr vielen anderen Prioritäten beschäftigt."Die Boeing 777-9 ist mit 76,73 Metern bereits das längste je gebaute Verkehrsflugzeug. "Das ist schon unglaublich lang und kann beim Abheben oder Aufsetzen Probleme machen", sagt der Emirates-Chef. Aber er will trotzdem mit der 777-10 ein noch längeres Flugzeug. "Die 777-9 kann man nochmal drei oder vier Meter strecken, das gibt mir bei 31 Zoll (78,7 cm) Sitzabstand fünf oder sechs Reihen mehr in der Economy Class", rechnet er vor. Bei zehn Sitzen je Reihe sind das 50 bis 60 Plätze mehr. In Dreiklassen-Kabinen könnte eine 777-10 über 400 Reisende befördern, je nach Konfiguration. "Sie würde die Kapazitätsdifferenz zwischen der A380 und der 777-9 verkleinern, aber es wäre immer noch eine große Lücke", ist sich Clark bewusst. "Man kann sie noch strecken, und ich glaube auch GE ist zuversichtlich, dass die Triebwerke der 777-9 noch vergrößert werden können."
Seinen Traum von einer Neuauflage der A380 gibt Clark weiterhin nicht auf. "Die A380 ist ein Flugzeugdesign der Neunzigerjahre mit Triebwerken aus den Neunzigern. Wenn man die Tragflächen der A350 nimmt, neue Verbundwerkstoffe und ein kleineres Seitenleitwerk sowie neue UltraFan-Triebwerke, dann hätte man ein sehr viel effizienteres Flugzeug, das 20 bis 25 Prozent günstiger fliegen könnte als die A380 heute."





