Am 21. März übernahm Ryanair in Dublin ihre 450. Boeing 737. Die derzeitige Flottengröße liegt, wegen des bei Ryanair üblichen Weiterverkaufs noch junger Gebrauchtflugzeuge, bei 371 Jets. Bis auf eine einzelne Boeing 737-700 und einen Learjet sind dies alles Boeing 737-800. Nicht einmal 20 Jahre dauerte der Flottenaufbau der Iren, die durchschnittlich 25 fabrikneue Flugzeuge pro Jahr abnehmen und derzeit sogar wöchentlich neue Boeing-Zweistrahler erhalten. Gut 80 Boeing 737-800 für jeweils 189 Passagiere sind noch bestellt, weiterhin gibt es Orders für mindestens 100 Boeing 737 MAX 200 (erteilt sind zusätzlich 100 Optionen), die dann sogar 200 Fluggäste mitnehmen können. Insgesamt nennt Ryan-air aktuell 293 offene Bestellungen beim amerikanischen Hersteller. Von heute 119 Millionen Passagieren jährlich will Europas größter Boeing-Kunde bis zum Jahr 2024 auf 200 Millionen Passagiere im Jahr wachsen.
Einen Teil dieser Kundschaft will Ryanair auf dem Pauschalreisemarkt gewinnen und hat dazu die Tochter Ryanair Holidays gegründet. Diese vermittelt seit dem Winter Pauschalreisen und arbeitet mit dem spanischen Reiseveranstalter Logitravel und dem Zimmervermittler World2Meet zusammen. Auch an ihrer neuen Basis Frankfurt am Main baut Ryanair ihr Angebot zunächst mit den „Warmwasserzielen“ Alicante, Faro, Malaga und Palma de Mallorca auf. Ab September folgen Athen, Catania, Glasgow, Gran Canaria, Krakau, Lanzarote, London, Madrid, Mailand, Manchester, Pisa, Porto, Sevilla, Teneriffa, Toulouse, Valencia und Venedig. Barcelona, Brindisi und Lissabon sollen ab Ende Oktober hinzukommen. 2,3 Millionen Passagiere pro Jahr erwartet Ryanair auf diesem Netz in Hessen, sieben Flugzeuge werden dafür am Rhein-Main-Airport stationiert werden.
Rom: Geschäftsreisende im Visier
Mehr auf Geschäftsreisende zielt ein anderes Konzept, das ab Ende April für Rom-Fiumicino als ersten Testmarkt angekündigt wurde: Hier will Ryanair erstmals offiziell Umsteigeverbindungen anbieten. Bisher war immer nur die Buchung einzelner Direktflüge möglich. Umsteigen konnte man nur inoffiziell, indem man mehrere Einzelflüge anei-nanderreihte, also mit Einchecken, Sicherheitskontrolle, aber dafür ohne Anschlussgarantie und durchgehende Gepäckabfertigung.
Das für einen baldigen Ausbau vorgesehene Umsteigekonzept, für das die Iren bereits ihr Buchungssystem geändert haben, öffnet Ryanair nun strategisch vor allem den Zubringerverkehr für Langstrecken anderer Airlines. Für den kommenden Winterflugplan sollen Abkommen mit Norwegian Air Shuttle in London-Gatwick und Aer Lingus in Dublin vorbereitet werden. Nach den neuen Regelungen können Koffer, ab einer Mindestumsteigezeit von drei Stunden, auf den Anschlussflug umgeladen werden. Bisher hatte Ryanair aus Kostengründen Umsteigeverbindungen kategorisch ausgeschlossen. Nur ohne das Warten auf Anschlussgäste könne sie, bei kürzestmöglichen Bodenzeiten, die nötige hohe Flugzeugauslastung pro Tag erzielen und nur unter Verzicht auf Komplexitätskosten für Gepäckumladung und Umsteigerbetreuung ihr radikales, schnörkelloses Geschäftsmodell ausspielen. Mit 46 Euro pro Durchschnittssegment verkauft die irische Airline die billigsten Tickets in Europa.
Expansionsstopp in Großbritannien
Ungewissheit droht Ryanair durch das Brexit-Votum. Ende März drängte die Fluggesellschaft die britische Regierung und die EU, möglichst schnell Regelungen für die Zeit nach dem EU-Austritt im März 2019 zu verhandeln. Falls die Briten dann aus dem EU-Luftfahrtbinnenmarkt ausschieden, müssten schleunigst bilaterale Verträge ausgehandelt werden. Sonst drohe schon ab Frühjahr 2019 eine genehmigungslose Übergangszeit. Denn bereits Mitte 2018 müssen die Airlines ihre Sommerflugpläne für das Jahr 2019 anmelden. Ryanair, die 3000 Mitarbeiter im Vereinigten Königreich beschäftigt und 44 Millionen Passagiere im Jahr in Großbritannien befördert, steuert ihr Wachstum bereits um und wird im laufenden Jahr an ihren 19 britischen Flughäfen kein einziges zusätzliches Flugzeug einsetzen. Das geplante Wachstum wird hier von 15 Prozent auf sechs Prozent verringert.
FLUG REVUE Ausgabe 06/2017