PLAY Airlines: Islands neuster Billigflieger

Knallrot, aber konservativ
PLAY Airlines: Islands neuster Billigflieger

Zuletzt aktualisiert am 14.08.2024

Island ist das Leben mit und neben vulkanischer Aktivität gewöhnt. Nirgendwo sonst auf der Erde gibt es so viele aktive Vulkane, 30 sind es, auf engem Raum. Die ganze Welt weiß das seit 2010, als der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull unter einem Gletscher den Flugverkehr in fast ganz Europa tagelang lahmlegte. Diesmal gab es keine der für die Triebwerke kritischen Aschepartikel in der Luft, das Unheil war eher unsichtbar; immer wieder erschütterten Erdstöße die Gegend, auch der nahe Flughafen Keflavik war betroffen: Die Strom- und Wasserversorgung war zeitweise unterbrochen, wurde aber schnell wieder hergestellt.

Andreas Spaeth

Vulkanaktivitäten genau im Blick

In der Nähe von Gate A14 in Keflavik gibt es eine unscheinbare Tür, dahinter eine Treppe nach unten. Hier ist die Flugbetriebszentrale von PLAY, dem neuen isländischen Billigflieger. Ein junges Team sitzt vor großen Bildschirmen und hat alles im Blick: Sind die zehn mittags aus Europa ankommenden Flüge pünktlich, klappen die Transfers? Ein Großteil der Passagiere will direkt weiterfliegen nach Nordamerika. So weit, so normal. Doch eines ist ungewöhnlich: Ein großer Monitor zeigt etwas ganz anderes – Krater, Feuerschein, Rauch. Es sind Webcams, welche die Vulkanaktivität rund um Grindavik einfangen. "Das hier ist ein Standbild von heute Morgen, da konnte man das Glühen deutlich sehen", sagt Birgir Olgeirsson, Sprecher von PLAY, "wir beobachten ganz genau, was da passiert." Im Moment aber ist alles ruhig, Störungen für den Flugverkehr durch Vulkane gab es hier schon seit 2010 nicht mehr. Aber egal, mit wem man spricht in Island, Thema ist das immer. Auch für den Chef von PLAY, der kürzlich sogar den Medien und ihren "verzerrenden Berichten" die Schuld dafür gegeben hatte, dass die Buchungen nach Island Ende vergangenen Jahres eingebrochen waren. Dabei habe es durch Erdstöße nur ein lokales Gefahrengebiet von ein paar Quadratkilometern gegeben. "Aber was in den Nachrichten rüberkam war, dass in ganz Island Ausnahmezustand herrsche", klagt CEO Einar Örn Ólafsson im Gespräch mit der FLUG REVUE.

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Gestartet als neues Billigflugprojekt

"Seit November, aber auch immer noch heute ein wenig, hat unser Geschäft finanzielle Einbußen erlitten, vor allem aus Großbritannien und den USA." Sonst, so Ólafsson, hätte PLAY schon 2023 wie erhofft den Breakeven geschafft. So soll das in diesem Jahr passieren und ab 2025 die Gewinnzone erreicht sein. Bei Island und Billigflieger denken viele an eine andere auffällige Farbe – Pink. Mit dieser Bemalung waren die Flugzeuge von WOW Air unübersehbar geworden. Zwischen 2012 und der Pleite 2019 hatte die Firma die Billigflugnische besetzt und gezeigt, dass es in diesem Segment in Island einen Markt gibt. Entwickelt und kultiviert hat das Prinzip, Island als Transferort für günstigen Transatlantikverkehr zu nutzen, die nationale Fluggesellschaft Icelandair, die es seit 1937 gibt. Nachdem WOW Air durch zu schnelle Expansion und zu viel Komplexität – unter anderem mit dem Einsatz von Airbus A330 auch nach Indien und an die US-Westküste – gescheitert war, wagte PLAY 2021 den nächsten Versuch. Zwei frühere WOW-Manager kündigten kaum zwei Monate nach der Pleite ein neues Billigflugprojekt unter dem Arbeitstitel WAB ("We Are Back") Air an. Daraus wurde dann PLAY. Man sammelte 100 Millionen US-Dollar an Investorengeldern ein und startete am 24. Juni 2021 zum Erstflug nach London Stansted und im April 2022 erstmals in die USA. Und zwar nicht wie WOW mit einem Sammelsurium aus Gebrauchtflugzeugen mit am Ende fünf verschiedenen Triebwerkstypen, sondern mit Einheitsflotte.

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Einheitliche Flotte aus A320neo und A321neo

PLAY setzte von Anfang an auf effizientes, werksneues Fluggerät: "Während der Pandemie konnten wir Leasingraten für neue A320neos verhandeln, die bis zu 35 Prozent unter den heutigen Marktpreisen liegen und so lange gelten, bis die Flugzeuge zwölf Jahre alt sind, das war unglaublich", sagt An-dri Geir Eyjólfsson, Executive Director von PLAY, im Gespräch mit der FLUG REVUE. "Die A320neo ist 15 Prozent effizienter im Verbrauch und bringt uns mehr Reichweite, das ist wirklich ein Vorteil." Die Lektion, die PLAY von WOW gelernt hatte: "Nutze eine einheitliche Flotte und biete ein simples Produkt, konzentriere dich darauf, eine Airline zu sein, nutze für alles andere Outsourcing." Alles das, was WOW zuletzt eben nicht beachtet hatte. Auch wenn man wiederum auf eine unübersehbare Markenfarbe zurückgriff, ist PLAY in jeder Hinsicht zurückhaltender als WOW. "Wir sind banaler, alltagstauglicher", sagt CEO Einar Örn Ólafsson. "Aber unsere Ambition ist klar, dass wir uns innerhalb der nächsten fünf Jahre oder so in der Größe verdoppeln wollen." Oder, wie es sein Kollege Eyjólfsson ergänzt: "Wir sind vorsichtig, wachsen nicht um des Wachsens willen und sind konservativ" – quasi der vormals wilde Teenager WOW in erwachsen.

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Gemischtes Streckennetz

Heute hat PLAY sechs A320neos und vier A321neos in der Flotte, die sie im Sommer im Schnitt 16 Stunden am Tag bei je vier Flügen in der Luft hält und damit 40 Destinationen bedient. Das Streckennetz reicht von Washington D.C. und vier anderen Zielen an der Ostküste der USA und Kanada sowie von Stockholm bis Lissabon in Europa, nach Marrakesch in Afrika bis hin zu Madeira und den Kanaren. PLAY diversifiziert auch mehr. "Wir fokussieren uns nicht nur auf Transferverkehr von Europa nach Amerika. Von den zehn Flugzeugen, die in der ersten Tageshälfte nach Europa und zurück fliegen, starten nur fünf nachmittags weiter über den Atlantik. Die anderen fliegen beliebte Ferienziele für Isländer an, wir wollen eine gesunde Mischung", sagt Andri Geir Eyjólfsson. Im Mai 2024 starteten knapp 30 Prozent der PLAY-Kunden ihre Reise in Island, gut 22 Prozent hatten Island als Ziel, während knapp 48 Prozent hier nur auf einer Transatlantikverbindung umstiegen.

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Lockerer Stil in der Kabine

An Bord der modernen Airbus-Flotte (Altersschnitt vier Jahre) gibt es drei verschiedene Sitzabstände, ganz vorn gegen Aufpreis extrem großzügige 38 Zoll (96,5 cm) – mehr als viele Airlines auf Langstrecken in der Premium Economy Class bieten. Getränke und Snacks, darunter auch kleine warme Mahlzeiten, stehen zum Verkauf. Auffällig sind die Kabinencrews: Sie tragen sehr legere Uniformen mit T-Shirts und bequemen Schuhen; für das Erscheinungsbild gibt es kaum Vorschriften, ungewöhnlich viele Besatzungsmitglieder zeigen stolz eine Vielfalt an Tätowierungen. "Wir sind eine verspielte Firma, unserem Namen gemäß, das zeigt sich in der Firmenkultur und eben auch an solchen Dingen", erklärt Eyjólfsson. In Deutschland bedient PLAY bisher nur Hamburg, Berlin und Düsseldorf. In Frankfurt haben die Isländer im Sommer 2024 nicht die nötigen Slots bekommen, in Stuttgart gaben sie nur ein kurzes Gastspiel. "Es liegt an unserem Wellensystem, wir müssen bei Abflug in Island früh morgens innerhalb von acht Stunden nach Europa und zurück fliegen können, das würden wir mit München zeitlich nicht schaffen", bedauert CEO Einar Örn Ólafsson.

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Langsame Expansion

Icelandair dagegen schafft das knapp mit ihrer Boeing 757, die schneller fliegt und pro Strecke 15 Minuten einspart, "das macht den Unterschied, darum beneide ich sie ein wenig, das ist außerhalb unserer Reichweite." Ändern könnte sich das nur, wenn PLAY (wie bis 2029 angestrebt) 20 Flugzeuge und damit doppelt so viele hätte wie heute. "Dann würden wir täglich zwei Umsteigewellen anbieten und könnten dann auch dazwischen fliegen, weil wir nicht mehr dieses Acht-Stunden-Limit hätten." An anderer Stelle aber kann PLAY mit Reichweite und Effizienz punkten. "Neun unserer zehn Flugzeuge sind für ETOPS zugelassen, das letzte wird noch umgerüstet. Damit sparen wir monatlich 40 Stunden Flugzeit, vor allem nach Amerika, aber auch auf unseren Teneriffa-Flügen", so Andri Geir Eyjólfsson. Die neuen Airbus-Langstrecken-Narrowbodies dagegen will PLAY nicht, eine A321LR-Bestellung wurde sogar gleich samt der damit geplanten Orlando-Route storniert. "Bei unserer Expansion auf 20 Maschinen steht die A320neo im Vordergrund, nicht die A321LR oder XLR, die würden wir erst brauchen, wenn wir eine zweite tägliche Umsteigewelle einführen", sagt der Executive Director.

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Pläne für die Zukunft

Das nächste große Ziel auf dem Weg zur Profitabilität ist die Kostensenkung. Im vergangenen Jahr wies PLAY Sitzkilometerkosten von 3,7 US-Cent auf, während easyJet bei 3,5 Cent lag und Konkurrent Icelandair bei 6,2 Cent. "Natürlich werden wir in einem Hochpreisland wie Island nie auf das Niveau von Ryanair oder Wizz Air kommen. Aber zumindest müssen wir näher an Norwegian heran bei den Kosten, die schließlich aus Norwegen operieren, was wahrlich kein Niedrigpreisland ist", gibt CEO Einar Örn Ólafsson die Richtung vor. PLAY arbeitet unterdessen diszipliniert ihren Businessplan ab – als einzige große Unbekannte droht im Hintergrund die ständige Gefahr von Vulkanausbrüchen. Aber jetzt ist die Luftfahrt viel besser vorbereitet als 2010. "Falls es dazu kommt, wären etwaige Luftraumsperrungen viel begrenzter, weil wir aufgrund dann viel genauerer Informationen fundierte Entscheidungen treffen können, ob und wo wir fliegen", versichert Andri Geir Eyjólfsson.

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PLAY – Daten und Fakten

IATA-Code: OG, ICAO-Code: FPY
Eigentümer: Streubesitz, börsennotiert
Gegründet: Juli 2019
Betriebsaufnahme: 24. Juni 2021
Mitarbeiter: 540
Beförderte Passagiere: 2024 – 1,7-1,8 Mio. (Schätzung), 2023 – 1,5 Mio., 2022 – 789 000, 2021 – 100 000
Flotte: 6 x Airbus A320neo, 4 x Airbus A321neo
Drehkreuz: Keflavik/Island
Streckennetz: 40 Ziele in den USA, in Kanada, auf den Kanaren,in Nordafrika und Europa – darunter in Deutschland (Berlin, Hamburg und Düsseldorf)
Verlust: 2023 – minus 35,1 Mio. $, 2022 – minus 47,8 Mio. $