Virgin-Flug VS100 startete am frühen Nachmittag deutscher Zeit, um 12.49 Uhr, von London-Heathrow nach New York, JFK. Eingesetzt wird die Boeing 787-9, G-VDIA, des britischen Unternehmens. Neu ist der getankte Treibstoff: Erstmals auf einer Langstrecke wird der Zweistrahler mit reinem SAF betrieben, also mit 100 Prozent nicht-fossilem Kerosin und nicht mehr nur mit einer Beimischung oder einem einzelnen Triebwerk, das mit 100 Prozent SAF läuft. Der Testflug findet ohne zahlende Passagiere statt. Er wurde vorab von der britischen Luftfahrtbehörde CAA geprüft und genehmigt.
Hundert Prozent statt Beimischung
Bisher sind Verkehrsflugzeuge im regulären Betrieb nur für eine SAF-Beimischung von 50 Prozent zugelassen.
In den beiden Trent-1000-Triebwerken des Dreamliners wird eine nach Angaben von Rolls-Royce einzigartige Mischung aus 88 Prozent HEFA (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids) von AirBP und zwölf Prozent SAK (Synthetic Aromatic Kerosene) von Virent verbrannt. HEFA wird aus Alfetten und -ölen aus der Nahrungsmittelindustrie hergestellt. SAK wird aus pflanzlichem Zucker gewonnen. Rolls-Royce weist darauf hin, dass die übrigen pflanzlichen Proteine, Öle und Fasern der Rohstoffe weiter in der Nahrungskette genutzt werden.
"SAK wird in 100-prozentigen SAF-Mischungen benötigt, da sogenannte Aromaten im Kraftstoff für die Triebwerksfunktion unerlässlich sind", so Rolls-Roce in einer Pressemitteilung. Aromaten sind zyklische Kohlenwasserstoffe, die in konventionellem Jet-A1 vorkommen und für einige Dichtungsmaterialien wichtig sind, damit sie aufquellen. Allerdings sind sie auch für Rußbildung und damit auch für die Entstehung von Kondensstreifen mitverantwortlich. SAF enthält von sich aus eigentlich keine oder nur wenige Aromaten.
Bisheriges Angebot reicht nicht
Nachhaltige Flugkraftstoffe gelten als einer der Schlüssel für umweltfreundlichere Luftfahrtantriebe der Zukunft, die weniger CO2 erzeugen. Bis zum Jahr 2050 sollen 65 Prozent der geplanten Emissionseinsparungen in der Luftfahrtbranche durch die Verwendung von SAF bewirkt werden. Allerdings ist es bisher zwei- bis neunmal so teuer wie fossiles Kerosin und die erzeugte Menge reicht bei weitem nicht für den Bedarf der Luftfahrt. Der heutige Marktanteil von SAF in der Luftfahrt liegt erst bei 0,1 Prozent des Kerosin-Gesamtverbrauchs. Auch die Tank-Infrastruktur ist für SAF oft noch nicht ausgelegt.
"Flug VS 100 beweist, dass SAF als sicherer, sofort einsetzbarer Ersatz für aus fossilen Rohstoffen hergestellten Kraftstoff verwendet werden kann. Es ist die einzige praktikable Lösung für die Dekarbonisierung des Langstreckenflugverkehrs", so Shai Weiss, CEO von Virgin Atlantic. Aber es gebe einfach nicht genügend SAF und es sei klar, dass deutlich mehr Investitionen nötig seien, um große Produktionsmengen realisieren zu können.
VS 100, oder Flight100, wie Virgin den Flug nennt, ist das Ergebnis einer mehr als einjährigen Zusammenarbeit eines von Virgin Atlantic geführten Konsortiums, dem Boeing, Rolls-Royce, das Imperial College London, die Universität Sheffield, ICF, das Rocky Mountain Institute (RMI) und das britische Verkehrsministerium angehören.