Mit dem Flugzeug auf dem Sandstrand landen: Twin Otter in Schottland

Twin Otter zwischen Ebbe und Flut
Mit dem Flugzeug auf dem Sandstrand landen

ArtikeldatumVeröffentlicht am 24.12.2025
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Landung am Strand von Barra mit der Twin Otter von Loganair.
Foto: Ralf Kurz

Der beste Ersatz für die DHC-6 Twin Otter ist eine andere Twin Otter. Diese Weisheit gilt nicht nur unter Buschpiloten. Im schottischen Barra, einer abgelegenen Insel auf den Äußeren Hebriden, bewahrheitet sich der Satz mindestens genauso eindrucksvoll. Der dortige Flugplatz genießt in Fachkreisen einen legendären Ruf. Er ist weltweit der einzige Airport, an dem Linienflieger direkt auf dem Sandstrand landen und starten.

Sein gälischer Name Traigh Mhor heißt übersetzt "Große Bucht". Mit der Fähre braucht man von dem 59 Quadratkilometer großen, von 1200 Menschen besiedelten Eiland mindestens fünf Stunden, um in Schottland die nächstgelegene Stadt Oban zu erreichen. Von dort geht es dann noch mit Bahn, Bus oder dem Auto weiter bis zu den städtischen Metropolen. Das Flugzeug dagegen braucht nicht mal eine Stunde bis zur größten schottischen Stadt Glasgow.

Schon seit 1936 besitzt Barra am Strand deswegen einen Flugplatz. Und seit 1981 übernehmen die bewährten DHC-6 Twin Otter der schottischen Regionalfluglinie Loganair die ehrenwerte Aufgabe, die Insel im Linienbetrieb an Glasgow anzubinden.

Landung am Strand von Barra mit der Twin Otter von Loganair.
Ralf Kurz

Loganair ist Primus im Inselverkehr

Die 1962 als Familienunternehmen gegründete Loganair zählt heute in Großbritannien zu den führenden Marken im Regionalflugsektor. Das aktuelle Portfolio der Flotte umfasst vier ATR 42-500, zwei ATR 42-600, zehn ATR 72-600 und elf Embraer ERJ 145. Im Frachtbereich werden vier ATR 72-200F eingesetzt. Eine DHC-6 Twin Otter und zwei Britten-Norman BN-2 Islander fliegen im Insel-Lokalverkehr. Erste planmäßige Flüge begannen 1967 mit diesem Muster auf den Orkneys, später verband man auch die Shetlandinseln.

Von 1968 bis 1983 im Besitz der Royal Bank of Scotland, wurde Loganair danach Mitglied der Airlines of Britain Group. Nach einer Umstrukturierung der Konzernmutter operierte der Carrier ab 1994 bis 2008 als Franchisenehmer von British Airways. Anschließend folgte ein Franchisevertrag mit Flybe, der 2017 beendet wurde. Seitdem fliegt Loganair wieder als unabhängige Firma und unterhält nur Codeshares mit Branchengiganten wie British Airways. Das eigenständige Unternehmen firmiert nun unter dem bezeichnenden Motto "Scotland’s Airline".

Landung am Strand von Barra mit der Twin Otter von Loganair.
Ralf Kurz

Die Twin Otter – perfekt für den Strand

Als 2008 eine modernisierte Version der Twin Otter als Viking DHC-6-400 auf den Markt kam, nahm das schottische Transportministerium das ökonomisch sehr verlustreiche, aber unverzichtbare Geschäft mit den Inselflügen selber in die Hand. Ein Duo fabrikneu erworbener Twin Otter der Serie 400 verkehrt deshalb seit Mitte 2015 zweimal täglich zwischen Glasgow und Barra – betrieben von Loganair, im Auftrag der schottischen Regierung. Beide Maschinen sind in dunkelblauen Nationalfarben lackiert und tragen die passenden Kennzeichen G-HIAL und G-SGTS. Denn der staatliche Flughafenbetreiber Highland and Islands Airport Limited – kurz HIAL – ist neben Barra noch für zehn andere Flugplätze im Hochland und den vorgelagerten Inselgruppen zuständig. Mit etwas Fantasie könnte man die zweite Registrierung als Scotland Government Transport Section interpretieren.

Landung am Strand von Barra mit der Twin Otter von Loganair.
Ralf Kurz

Flugplan diktiert von Ebbe und Flut

Warum aber benötigt man für die Linienflüge zwischen Glasgow und Barra zwei Twin Otter? Dass sich Ankunfts- und Abflugzeiten für den Flugbetrieb am Strand nach den Gezeiten richten müssen, leuchtet ein. Um jedoch zwei tägliche Rotationen mit nur einer Maschine zu bewerkstelligen, reicht der Zeitraum zwischen Ebbe und Flut nicht aus. Kurz bevor der erste Linienkurs nach Glasgow zurückkehrt, startet dort schon die zweite Maschine.

Manchmal kommt es vor, dass die DHC-6 wegen sehr starkem Rückenwind bis zur Landung noch eine Runde über Barra drehen muss. Bei höchster Flut beträgt der Wasserstand des Strandareals zwischen 80 Zentimeter und 1,5 Meter. Der Airport verfügt über drei mit Holzpfählen markierte Landebahnen – perfekt passend für häufig wechselnde Windrichtungen. Die Länge der Pisten bewegt sich von 680 Meter (11/29) über 799 Meter (07/25) bis 846 Meter (15/33).

Landung am Strand von Barra mit der Twin Otter von Loganair.
Ralf Kurz

Alltag am Sandstrand-Flughafen

Vor jeder Landung findet am Boden eine obligatorische Kontrollfahrt statt, um Ausschau nach Treibgut und unsichtbaren Mulden zu halten. Denn sollte die Maschine beim Rollen im Sand stecken bleiben, hätte man ein Riesenproblem. Außerdem gilt es, die Muschelsammler und neugierige Spaziergänger auf sicherem Abstand zu halten.

Was aber passiert, wenn sich das unberechenbare Wetter rapide verschlechtert und ein Sichtanflug nicht möglich ist? Für die Passagiere in der Twin Otter wäre eine Umkehr nach Glasgow die denkbar schlechteste Option. In jedem Fall besser ist eine Ausweichlandung in Benbecula, auf dem benachbarten Archipel der Uists. Von dort lässt sich mit einer Fähre Barra noch am selben Tag erreichen.

Landung am Strand von Barra mit der Twin Otter von Loganair.
Ralf Kurz

Die Twin Otter – perfekt für den Strand

Weshalb nun ist die robuste, aber nicht mehr ganz taufrische Twin Otter auf der Route von Glasgow nach Barra unersetzbar? Diese Frage kann relativ schnell geklärt werden. Im Jahr 1994 setzte Loganair versuchsweise einer ihrer Shorts 360 auf dieser Verbindung ein. Das größere Modell besitzt mit maximal 36 Sitzplätzen immerhin die doppelte Passagierkapazität verglichen mit der einer Twin Otter. Nach acht Monaten musste der Test abgebrochen werden. Das Einziehfahrwerk der 360 beförderte immer wieder Sand in das Hydrauliksystem, wodurch sich die technischen Pannen häuften. So kehrte man rasch wieder zur bewährten DHC-6 zurück – und blieb dabei.

Landung am Strand von Barra mit der Twin Otter von Loganair.
Ralf Kurz

Es tut sich was bei den Insel-Airlines

Doch der technologische Fortschritt im modernen Flugzeugbau macht auch auf isolierten Inseln nicht Halt. Seit dem Einstieg des britischen Unternemens Air Task in den schottischen Luftverkehr erhielt Loganair erstmals Konkurrenz in heimatlichen Gefilden. Der neue Wettbewerber ist bisher vorwiegend in verschiedenen Bereichen der Allgemeinen Luftfahrt tätig. Aber mit der 2016 erfolgten Übernahme der in Oban angesiedelten Hebridean Air Service und deren beiden Britten-Norman BN-2 Islander hat man die Inselfliegerei im Fokus. Hochsubventioniert wird diese mittels PSO-Lizenzen (Public Service Obligation), die die Regierung alle vier Jahre neu vergibt. Momentan betreibt Air Task zwei weitere Islander für die Lokalverwaltung der Shetlands, um dort den örtlichen Flugbetrieb sicherzustellen. Als Loganair im April 2024 die Fluglinie von Stornoway, Hauptstadt der Äußeren Hebriden, nach Benbecula aufgab, sprang Hebridean Air Service in die Bresche.

Freilich weiß man auch bei Air Task, dass die Tage der scheinbar unersetzlichen Britten-Norman BN-2 Islander bald gezählt sein dürften. Deshalb unternahm man Anfang 2025, in Kooperation mit dem Flugplatzbetreiber HIAL, einen Testflug mit einer Tecnam P-2012 Traveller auf der Route zwischen Stornoway und Benbecula. Die italienische Neuentwicklung hob 2016 zum Erstflug ab, wird von Insidern bereits als designierter Nachfolger der oft für unverzichtbar gehaltenen Islander gehandelt. Erst im März 2025 stellte der deutsche Inselflieger FLN eine Tecnam P-2012 STOL in Dienst.

Landung am Strand von Barra mit der Twin Otter von Loganair.
Ralf Kurz

Konkurrenz für die Twin Otter?

Auf alle Fälle war die Gelegenheit günstig, zu prüfen, ob dieses Modell auch auf dem Strand von Barra, nur einen Katzensprung von Benbecula entfernt, landen kann. Bislang kamen dorthin, neben der Twin Otter, lediglich Islander bei medizinischen Notfällen zum Einsatz. Sogar nachts steuerte eine speziell umgerüstete Ambulanzversion der BN-2 die einsame Destination an. Fackeln am Pistenrand und aufgeblendete Scheinwerfer des Bodenfahrzeuges am Ende der zugewiesenen Runway unterstützten den Piloten beim Landeanflug. Heute vertraut man lieber auf die hochseetauglichen Rettungshubschrauber Sikorsky S-92 von Bristow Helicopters. Neben höherer Geschwindigkeit liefern sie die Patienten direkt im richtigen Krankenhaus ab.

Am 26. Februar 2025 landete erstmals eine Tecnam P-2012 am Strand von Barra. Es handelte sich um ein Exemplar des Londoner Flugzeughändlers Oriens Aviation mit der Zulassung G-CMCY. Sicher wird der für acht Passagiere konzipierte Commuter eine DHC-6, die immerhin 19 Plätze bietet, nicht ersetzen können. Die Twin Otter wird deshalb wohl noch auf Jahre hinaus der Platzhirsch in Barra bleiben. Doch für Strecken innerhalb der entlegenen Hebriden könnte das Italo-Muster durchaus eine Zukunft haben. Falls nicht wieder irgendwelche Schwierigkeiten auftreten.