Nichts als endlos leere, ebene Steppe. Erst kurz vor dem Aufsetzen ist Besiedlung zu erkennen. Willkommen in Astana, der Hauptstadt Kasachstans. Fast 900 000 Einwohner zählt sie heute, noch 1998 waren es erst 300 000. Kasachstan ist das neuntgrößte Land der Erde. Fast achtmal so groß wie Deutschland, leben hier gerade einmal 18 Millionen Einwohner. Astana, kasachisch für „Hauptstadt“, erhielt ihren Namen erst 1998 und erfuhr seither ein immenses Wirtschaftswachstum. Treibende Kraft ist der autokratische Präsident Nursultan Nasarbajew, nach dem seit Kurzem auch der Flughafen benannt ist.
Kasachstan wurde nach dem Ende der Sowjetunion 1991 unabhängig, und die Verlegung der Hauptstadt aus der Metropole Almaty (früher Alma Ata) im Süden in die Steppe im Norden hatte politische und stammesrechtliche Gründe, sollte aber auch der Landesentwicklung dienen. Die Hauptstadt wurde 1830 als russische Festung Akmolinsk gegründet und 1961 in Tselinograd umbenannt, daher stammt noch der Drei-Letter-Code TSE für Astana.
Seitdem musste der kleine Flughafen aus Sowjetzeiten hauptstadttauglich gemacht werden. Zunächst wurde die einzige Piste auf 3500 Meter verlängert, Rollwege und Vorfeld vergrößert und ein VIP-Terminal gebaut. Erst wenn das Volumen 20 Millionen Passagiere erreicht, soll der Bau einer Parallelbahn in Angriff genommen werden. Zwischen 2002 und 2005 entstand nach Entwürfen des japanischen Stararchitekten Kisho Kurokawa ein modernes Terminal, auffällig durch die blaue Kuppel des Zentralgebäudes.
Seit damals verfügt Astana für Schlechtwetterlandungen über die ILS-Kategorie IIIa und kann auch die größten Flugzeugmuster der Welt abfertigen. „Als der Flughafen damals gebaut wurde, konnte sich die Regierung nicht vorstellen, dass seine Rolle einmal über die Anbindung der Hauptstadt hinausgehen würde“, sagt der italienische Flughafen-Chairman Paolo Ricciotti. „Aber das hat sich komplett geändert, jetzt soll Astana ein internationales Drehkreuz werden.“
Einheimische Rivalen Astana und Almaty
2009 wurden in Astana 1,4 Millionen Passagiere abgefertigt, 2012 waren es 2,3 Millionen und 2016 dann schon 3,5 Millionen. Der Nachbarflughafen Almaty (4,8 Mio. Passagiere 2016) ist überfüllt, während Astana gerade für interkontinentalen Verkehr reichlich Raum für Ausbau böte. Früh erkannt hatte die günstige Lage Astanas, fünfeinhalb Flugstunden von Frankfurt entfernt, Lufthansa Cargo, die hier bis 2007 ein florierendes Fracht-Drehkreuz auf halbem Weg von Europa nach Asien etablierte. Bis zu 50 MD-11 pro Woche landeten damals in Astana, bis Russland im Oktober 2007 ein Überflugverbot für die Frachtgesellschaft verhängte, um damit zu erzwingen, dass Lufthansa Cargo ihren Zwischenstopp ins sibirische Krasnojarsk verlegt, was dann 2009 auch geschah. Doch wirklich im modernen Flughafenzeitalter angekommen ist Astana erst seit Juni 2017.
Für die Weltausstellung Expo wurde der Flughafen mit der Eröffnung des neuen, internationalen Terminals 1 auf Weltniveau gebracht. Das ältere Terminal 2 dient seitdem dem Inlandsverkehr. Das neue Abfertigungsgebäude entstand in der Zeit von November 2014 bis Mai 2017 für 252 Millionen Euro und wurde von der albanisch-schweizerischen Gruppe Mabco Construction errichtet. Seine Gesamtfläche beträgt 47 000 Quadratmeter. „Wir werden nie mit Megahubs wie Dubai konkurrieren, aber wir werden eine Rolle spielen bei Verkehrsströmen von Ost nach West, indem wir Passagiere von großen Hubs wie Incheon in Südkorea mit Sekundärzielen in Zentralasien verbinden“, sagt Flughafenchef Ricciotti.
Vor Betreten des Gebäudes müssen sich alle Passagiere und Besucher einer Sicherheitsvorkontrolle unterziehen, bevor sie zu einem der 27 Check-in-Schalter und vier Check-in-Kiosken sowie zum Haupt-Sicherheitscheck eine Ebene höher gelangen. Im Keller steht ein hochmodernes Gepäcksystem mit Rapid-Scan-Technologie, die in der EU erst ab 2020 vorgeschrieben ist.
Einer der führenden Köpfe beim Betrieb des neuen Terminals ist der italienische Branchenexperte Valter Piersantelli. „Wir wollen auch ein Drehkreuz für den Verkehr zwischen Europa und Asien werden“, betont Piersantelli im Gespräch mit der FLUG REVUE in Astana. „Unsere größte Herausforderung für den Betrieb hier ist es, die internationalen und die inländischen Verkehre zu kombinieren“, so der Experte. Das gilt vor allem für die Flüge des National Carriers Air Astana, der hier einen Marktanteil von 52 Prozent hat. Auf Zubringerflügen zu entfernteren Zielen werden die Passagiere zunächst von Almaty nach Astana gebracht, um von dort dann auf Langstrecken, etwa nach Frankfurt, weiterzufliegen. Aus dem Ausland kommend, landet man zunächst in Astana und fliegt mit demselben Flugzeug weiter nach Almaty.
Schneller Umsteigen nach Westchina
Noch Monate nach Eröffnung des neuen Terminals erlebten Transferpassagiere, die, wie bei Air-Astana-Flügen aus Europa üblich, mitten in der Nacht landeten, dass sie nach der zügigen Einreise im internationalen Terminal das Gebäude zunächst verlassen mussten, um dann durch die eisige Luft zum Inlandsterminal mit neuerlicher Sicherheitskontrolle zu laufen. Das alles, um schließlich für den Weiterflug nach Almaty wieder in dasselbe Flugzeug zu steigen. Abhilfe ist versprochen, aber davon, ein wirkliches Drehkreuz zu sein, ist Astana noch weit entfernt.
Das Potenzial wäre vorhanden. So liegt die westchinesische Handelsmetropole Urumqi, in der auch die deutsche Automobilindustrie engagiert ist, kaum zwei Flugstunden entfernt. Auch russische Städte wie Omsk, Uralsk oder Nowosibirsk sind aus Frankfurt via Astana zu erreichen. Und der Flughafen hat jetzt die Kapazitäten für den Aufbau eines Drehkreuzes: Insgesamt 8,2 Millionen Passagiere können beide Terminals zusammen abfertigen.
Terminal 1 kann bis zu 1970 abfliegende Passagiere und 1200 Koffer pro Stunde bewältigen – wichtig für die Hauptverkehrszeit, die hier zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens liegt. Im Expo-Jahr 2017 ist der Verkehr in Astana kräftig angestiegen und wird auf das gesamte Jahr gerechnet erstmals die Vier-Millionen-Grenze übersteigen. Valter Piersantelli rechnet sogar mit bis zu 4,5 Millionen Fluggästen für 2017. Bis Ende Oktober waren es bereits 3,6 Millionen, so viele wie im gesamten Vorjahr. Im internationalen Verkehr betrug das Wachstum satte 41 Prozent. Eine der ersten großen internationalen Airlines in Kasachstan war die Lufthansa. Sie ist seit 2005 hier vertreten und fliegt derzeit dreimal wöchentlich Frankfurt – Astana-Almaty – Frankfurt mit A330. Per Codesharing mit Air Astana werden tägliche Flüge für diese Strecke angeboten. Austrian Airlines, schon 1998 hier verteten, hat ihre Dienste mangels Nachfrage inzwischen eingestellt.
Zu den wichtigsten europäischen Airlines in Astana gehören derzeit die polnische LOT, Aeroflot und Turkish Airlines. Nur saisonal sind KLM und Finnair vertreten. Als Niedrigpreisairline fliegt Wizz Air nach Budapest.
Inlandsaufkommen bleibt gering
Vom Persischen Golf kommen Etihad und flydubai. Aus Ostasien sind Air China und Asiana vertreten. China Southern fliegt nach Urumtschi. Wegen riesiger Entfernungen gehört der Inlandsflugbetrieb zur Grundinfrastruktur, trotzdem ist das Verkehrsaufkommen gering. Der kasachische Luftfahrtmarkt bestand 2016 aus 3,9 Millionen Inlandspassagieren und 4,4 Millionen, die im internationalen Verkehr unterwegs waren. Neben Marktführer Air Astana gib es im Inland drei wesentliche Wettbewerber, SCAT (mit Boeing-Flotte), Bek Air (überwiegend mit Fokker 100) und neu Qazaq Air (Q400).
Aktive Flugzeuge sowjetischer Bauart sind auch in Kasachstan selten geworden. So fliegen noch Zhetysu mit den relativ kleinen Jak-40 sowie gelegentlich SCAT Air mit der Antonow An-24. Der kasachische Grenzschutz betreibt außerdem Antonow An-74.
FLUG REVUE Ausgabe 02/2018




