Vernunftehe
Etihads Einstieg bei Alitalia

Mit einer 49-prozentigen Beteiligung und großen Plänen stieg Etihad Airways aus Abu Dhabi als strategischer Investor bei Italiens angeschlagener Nationalikone Alitalia ein.

Etihads Einstieg bei Alitalia

Nach monatelangem Tauziehen war es am 8. August 2014 so weit: Die finanziell schwer angeschlagene Braut Alitalia, gestärkt mit einer Kapitalerhöhung von 300 Millionen Euro als letzter Mitgift ihrer Altaktionäre, warf sich ihrem neuen Geldgeber Etihad Airways an die Brust. Bis zum Jahresende soll der Einstieg der Emiratis vollzogen sein, sofern die EU-Wettbewerbsbehörden ihre Erlaubnis geben.

„Wir glauben an Alitalia“, versicherte Etihad-Chef James Hogan bei der Bekanntgabe der Beteiligung. „Sie ist eine großartige Marke mit viel Potenzial“, sagte der Investor, schränkte aber ein: „Am Ende muss Alitalia auch kaufmännisch funktionieren und ab 2017 dauerhaft profitabel sein.“ Bis zu 1,76 Milliarden Euro will sich Etihad die 49-prozentige Beteiligung an den Italienern in den nächsten Jahren kosten lassen. Die Minderheitsbeteiligung wurde, wie bei anderen Beteiligungen von Etihad an EU-Airlines, gewählt, um dem Unternehmen den Status als italienische Fluggesellschaft mit vollen EU-Verkehrsrechten zu erhalten.

Und genau diese Rechte will Etihad vor allem für neue Langstreckenflüge ihrer Tochter nutzen: Das Alitalia-Drehkreuz Rom-Fiumicino soll in den nächsten vier Jahren um immerhin vier neue Langstrecken erweitert werden. Darüber hinaus will Etihad auch in Mailand-Malpensa, also mitten im sehr wohlhabenden Norditalien, das Alitalia-Langstreckenangebot bis 2018 auf 25 wöchentliche Flüge verdoppeln. Alitalia hatte dagegen im Alleingang in den letzten Jahren notgedrungen ihr früheres Langstreckenangebot im vielversprechenden Norden wegsparen müssen und sich auf Rom konzentriert. Etihad will nun Mailand, und dabei ausdrücklich auch die Luftfracht, deutlich ausbauen und durch ein neues „Exzellenzzentrum“, auch für die eigene Abfertigung, beflügeln. Ist doch Italiens Luftfrachtmarkt der drittgrößte Europas. Die neuen Ziele und das Frachtwachstum sollen die Langstreckenflotte der Italiener um ein Drittel wachsen lassen.

Wenig überraschend will Etihad auch den Zubringerverkehr für ihr Drehkreuz Abu Dhabi ab Rom verdichten. Neu ist aber, dass auch Venedig, Catania und Bologna neue Nonstopflüge nach Abu Dhabi erhalten. Für die Etihad-Drehscheibe am Golf wurden bereits zeitlich abgestimmte Anschlussflüge im Etihad-Netzwerk angekündigt.

Auch die einst stolze Marke Alitalia soll wieder neuen Schwung bekommen: „Alitalia soll die ‚sexiest Airline‘ in Europa werden“, sagte James Hogan. Die Marke solle wieder all das verkörpern, wofür Italien berühmt sei: Essen, Mode, Kultur und stilvolles Leben. Mit Hilfe des neuen Images will Hogan verstärkt touristische Gäste aus dem Ausland an Bord von Alitalia zu Reisen nach Italien locken. Im Gegensatz zum Lang- und Mittelstreckenverkehr muss sich aber der Kurzstreckenverkehr bei Alitalia auf Kürzungen einstellen. Hier versprach Etihad nur vage eine „bedarfsgerechte Größe“.

Als Voraussetzung für die Beteiligung – Alitalia soll zuletzt täglich fast zwei Millionen Euro verloren haben – forderte Etihad einen empfindlichen Personalabbau. Gut 2000 der 13 000 Arbeitsplätze müssen abgebaut werden; die italienischen Gewerkschaften gaben hierzu bereits ihr Einverständnis. 

Vermutlich ist der Einstieg von Etihad die allerletzte Chance, das Unternehmen Alitalia nach mehrfachen Restrukturierungsanläufen und staatlichen Rettungsversuchen zu erhalten. Neben ihrem materiellen Reichtum scheint Etihad durchaus ein feinjustiertes strategisches Konzept für ihre Beteiligung an der italienischen Airline zu verfolgen. Jetzt muss sich zeigen, ob die als streikfreudig gefürchteten Italiener bei diesem Unternehmensumbau mitziehen.

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