Allianz zählt Vorfeldrempler

Versicherer bewertet deutsche Verkehrsflughäfen
Allianz zählt Vorfeld-Schadensfälle

Zuletzt aktualisiert am 03.07.2018

Als einer der größten Flughafenversicherer in Deutschland habe der Industrieversicherer der Allianz-Gruppe, die "Allianz Global Corporate & Specialty SE (AGCS)", die Schäden auf Deutschlands Airports im Jahr 2017 erhoben. Das Ergebnis laute, Fahrzeuge nicht Flugzeuge seien auf dem Vorfeld besonders gefährdet. Aber auch Passagiere sollten sich vorsehen. Für ihre Auswertung hatte die AGCS insgesamt 523 Schadenzahlen von 14 deutschen Flughäfen ausgewertet, die 2017 im Rahmen der Flughafenhalter-Betriebshaftpflicht aufgetreten waren. Diese Versicherung deckt alle Haftpflichtschäden für die ein Flughafen als Betreiber verantwortlich ist. Im Jahr 2017 waren über 90 Millionen Fluggäste an den untersuchten Flughäfen unterwegs. Insgesamt wurden 2017 rund 234 Millionen Fluggäste an deutschen Airports gezählt.

Die meisten Schäden werden laut der Auswertung durch Fahrzeuge auf dem Vorfeld verursacht. Sie machen mit 31,4 Prozent fast jeden dritten Schaden aus. Mehr als jeder zweite dieser Schäden ist auf Kollisionen mit Schleppern, Gepäckwagen, Hubarbeitsbühnen oder Waschanlagen zurückzuführen (56,1 Prozent). „Auf dem Vorfeld ist es nicht anders als im täglichen Straßenverkehr. Wenn es eng wird, passieren den Angestellten die meisten Fehler. Der Mensch ist immer noch der größte Risikofaktor“, sagt Till Kürschner, Head of Claims Aviation bei AGCS in Central & Eastern Europe (CEE).

Deutlich seltener, dafür aber auch teurer sind Schäden an Flugzeugen. In 21 Prozent aller Fälle waren die Luftfahrzeuge selbst betroffen, wobei Beschädigungen beim Be- und Entladen zu den Hauptursachen gehören (22,7 Prozent). Unfälle beim Schleppen der Flugzeuge, Kollisionen mit Treppen und Bussen kommen deutlich seltener vor. Sehr oft sind kleine Unachtsamkeiten für die Kollisionen ausschlaggebend: So führte in einem Fall das Betätigen des falschen Hebels bei Abfertigung des Flugzeuges versehentlich dazu, dass die Notrutschen eines Jets ausgelöst wurden. In einem anderen Fall blieb die Treppe am Triebwerk des Flugzeugs hängen und beschädigte es.

Im Durchschnitt hat ein Schadenfall am Flugzeug im vergangenen Jahr 46.282 Euro gekostet. „Schäden an Flugzeugen können aber auch schnell im hohen siebenstelligen Bereich zu Buche schlagen“, sagt Till Kürschner. Durch neue Materialien wie Verbundwerkstoffe, die in den Tragflächen und Flugwerken der neuesten Flugzeuggeneration zum Einsatz kommen, werden Reparaturen noch zeitaufwändiger und kostspieliger und erfordern technische Spezialisten. Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Flugzeuge ist für viele Komponenten zudem eine Einzelfertigung erforderlich, dabei halten die Hersteller und Instandhaltungsunternehmen weniger Ersatzteile vorrätig.

In 11,3 Prozent der Fälle sind Personen von Schäden am Flughafen betroffen. Sie sollten sich vor allem beim Gang über Rollbänder, Fluggastbrücken oder das Vorfeld in acht nehmen. In 69,6 Prozent aller Personenschäden kommt es hier zu Stürzen und Verletzungen. Unfälle während der Fahrt, zum Beispiel mit dem Flughafenbus, kommen deutlich seltener vor (11,2 Prozent). Auch Unfälle an defekten Fahrstühlen oder anderen Gebäudebestandteilen sind eher die Ausnahme, finden aber statt. „In einem Fall brach eine Wartebank im Terminal unter einem Passagier zusammen. Der Passagier stürzte samt Bank und verletzte sich“, berichtet Holger Fellmann, Chef-Underwriter bei der AGCS.

Beschädigungen an den Privatautos der Fluggäste treten in 9,6 Prozent der Fälle auf und passieren meist im Parkhaus. Bei 28 Prozent der Schäden an privaten PKW waren Kollisionen mit Schranken  die Ursache. Auch geparkte Autos sind nicht immer sicher: Wasser, das von der Decke tropft, kann Schäden an den teuren Lackierungen anrichten. 16 Prozent der PKW-Schäden sind dafür verantwortlich. Schäden am oder im Flughafengebäude geschehen in 6,7 Prozent der Fälle, es handelt sich vor allem um Wasserschäden (22,8 Prozent). Deutlich seltener kommt es zu Schäden durch verpasste Flüge (6,11 Prozent) und Schäden an Fluggastgegenständen (4,6 Prozent), wie beschädigten Koffern. Nicht selten sorgen auch Tiere für Schäden am Airport: „Vor allem auf kleineren Flugplätzen kommt es immer mal wieder zu Zusammenstößen mit Rehen oder Wildschweinen, auch Kollisionen mit Vogelschwärmen kommen vor“, erklärt Till Kürschner. Zudem treten mitunter Schäden durch Spürhunde der Flughafenhundestaffel auf, zum Beispiel wenn der Vierbeiner in einem unbeobachteten Moment ein Fahrzeug des Flughafens zerkratzt.

Das Gros der Schadensummen ist vergleichsweise gering. In 46 Prozent der Fälle liegt der Schadenbetrag bei unter 1000 Euro. 34 Prozent der Schadenfälle liegen im vierstelligen Bereich. Jeder fünfte Schaden ist teurer als 10.000 Euro. 0,6 Prozent der Fälle lagen über 100.000 Euro. Besonders viele Schadenfälle traten 2017 im April und Juni auf. Dagegen war es im Februar und November deutlich ruhiger. „April und Juni sind die Monate, an denen nach zuvor ruhigeren Flugperioden wieder Hochbetrieb an den Flughäfen herrscht“, erklärt Holger Fellmann. Februar und November seien dagegen keine klassischen Flugreisemonate und deshalb weniger schadenanfällig.

Um die Schäden auf Flughäfen so gering wie möglich zu halten, stehen Flughafenbetreiber und Versicherer in einem permanenten Risikodialog. „Die Untersuchung der Unfallursachen sowie die Überprüfung der Betriebssicherheit auf Flughäfen ist inzwischen sehr viel effektiver als früher und führt zu weniger Schäden“, erklärt Axel von Frowein, Head of Aviation Underwriting der AGCS in CEE: „Gleichzeitig tragen die technische Weiterentwicklung bei der Fertigung von Fluggeräten und stringentere Qualitätskontrollen erheblich zu einem Mehr an Sicherheit bei. Flughäfen und Luftverkehrsunternehmen sind seit jeher sicherheitsorientiert. Die Tools, um Risiken effektiv zu steuern und Probleme rechtzeitig zu erkennen, haben sich deutlich verbessert.“

Die Ergebnisse der Untersuchung von deutschen Flughäfen deckt sich mit der weltweiten Analyse, die die AGCS jedes Jahr vornimmt. Demnach machen Vorfälle auf dem Vorfeld weltweit fast ein Fünftel (18 Prozent) der Luftfahrtschäden nach Anzahl und 15 Prozent nach Wert aus.