Gab es in letzter Zeit Neuigkeiten im deutschen Regionalluftverkehr, waren es meist keine guten: Airline-Insolvenzen, Pilotenstreiks oder Streckenaufgaben dominierten die Schlagzeilen. Der aktuelle Markt wird von Lufthansa und airberlin dominiert; unabhängige Carrier gibt es keine mehr. Dabei war es gerade die Kranich-Airline, die besonderes Interesse am „Ergänzungsluftverkehr“ zeigte. Beginnend in den 70er Jahren, wuchs das Segment stetig. Gleichzeitig stieg aber auch der Kostendruck, so dass der damalige LH-Vorstandsvorsitzende Wolfgang Mayrhuber am 16. Oktober 2003 den Verbund „Lufthansa Regional“ ins Leben rief. Der enge Zusammenschluss von Air Dolomiti, Augsburg Airways, Contact Air, Eurowings und Lufthansa CityLine bedeutete im Wesentlichen die Aufgabe der Eigenständigkeit für die Mitglieder. „Das Kontinentalnetz der Lufthansa wird erst reichhaltig durch den Verbund mit den Regionalpartnern“, sagte Mayrhuber damals und sah es als „essenziell“ an, dass der „Regionalverkehr sowohl bei eigenständigen Verbindungen als auch beim Hub Feeding weiterentwickelt wird“. Doch die Kosten ließen sich anscheinend nicht in den Griff bekommen. Erstes Opfer war Contact Air, deren Vertrag im November 2011 nicht verlängert wurde. Später traf es Augsburg Airways.
Damit verbleiben nur noch die Lufthansa CityLine als Zulieferer für die Hubs Frankfurt und München sowie Eurowings. Letztere fliegt mit einer Flotte von 23 Bombardier CRJ900 im Auftrag der Germanwings im Europaverkehr von Düsseldorf und Hamburg aus zu mehr als 50 Zielen. Dabei soll es wohl zunächst auch bleiben: „Nach der erfolgreichen Neuorganisation des Europaverkehrs innerhalb der Lufthansa-Gruppe sind unmittelbar keine Änderungen geplant“, sagt ein Unternehmenssprecher.
Der Preiswettbewerb verschärft sich
Bei airberlin dienen die Regionalverbindungen vor allem als Zubringerflüge zu den beiden großen Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf, von denen ein großer Anteil von der Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) durchgeführt wird. „Je nach Nachfrage bedient airberlin aber auch einige Strecken ganz oder teilweise mit eigenen und größeren Flugzeugen“, erklärt das Unternehmen. Obwohl besonders innerdeutsche Strecken unter der starken Belastung durch die Luftverkehrssteuer litten, wolle man beliebte Regionalstrecken öfter bedienen, da die Nachfrage weiterhin stark sei. Konflikte wegen des unterschiedlichen Gehaltsniveaus bei Piloten und Co-Piloten der Kerngesellschaft im Vergleich zu denen der LGW schwelen allerdings schon seit Jahren.
Die Dezimierung der Regionalairlines ist kein rein deutsches Phänomen. Eine Studie des Consulting-Unternehmens Prologis zeigt, dass von 2008 bis 2013 ein Drittel aller europäischen Regionalfluglinien Pleite gingen. Fast jeder vierte Angestellte in diesem Segment hat seinen Job verloren. „Auch in Deutschland verzeichneten wir den endgültigen Marktaustritt zahlreicher – auch historischer – Operators. Dies ist letztendlich die Konsequenz der erfolgreichen Entwicklung der Low Cost Carrier in Europa, die mit ihrem neuen Geschäftsmodell im europäischen Lokalverkehr in erster Linie die einstige Domäne der Regionalcarrier attackiert haben. Der damit einhergehende Verfall der Verbraucherpreise konnte vor allem mangels Skalengröße auf der Kostenseite durch die Regionalcarrier nicht mehr aufgefangen werden“, sagt Air-Dolomiti-Präsident Michael Kraus. Die Airline reagierte mit einer Umstellung der Flotte auf die Embraer 195 mit 120 Sitzen: „Also ein Flugzeug jenseits der klassischen Regionalverkehrs-Größenordnung, das uns eine zweistellige Stückkostenverbesserung gegenüber der bisherigen Flotte bringt.“
Kleine Flugzeuge sind bei den Airports unbeliebt

Da viele Airlines auf größere Flugzeugtypen umstiegen, fliegen in Deutschland kaum noch Regionalmuster mit weniger als 70 Sitzen. Dirk Eggert, Geschäftsführer der Rhein-Neckar Air, die Mannheim und Berlin mit einer Dornier 328 von MHS Aviation im Wetlease verbindet, erklärt, warum: „Die operativen Kosten für ein kleines Flugzeug wie die Dornier 328, das gerade einmal mit 31 Sitzplätzen ausgestattet ist, sind nur unwesentlich geringer als für eine Boeing 737, die im Schnitt grob geschätzt 1000 Dollar mehr die Stunde kostet, aber sie kann das Sechsfache an Passagieren mitnehmen. Darüber hinaus ist man als kleiner Carrier mit kleinem Luftfahrtgerät an den großen Hubs nicht unbedingt ein willkommener Gast. Dies schlägt sich in den Gebühren entsprechend nieder. Rechnet man die Gebühren, die man an den großen Flughäfen zahlt, pro beförderten Passagier um, entsteht ein erhebliches Missverhältnis verglichen mit einem Airbus-A330-Betreiber.“
Unabhängige Airlines haben es dabei doppelt schwer: „Der Regionalluftverkehr hat in vielen Bereichen darunter gelitten, dass Regionalairlines bestimmte Strecken aufgebaut haben und dann die Großen kommen und sich ins gemachte Nest setzen“, erklärt Eggert. „Wir haben gerade das aktuelle Beispiel in Karlsruhe/Baden-Baden: InterSky fliegt die Strecke nach Hamburg mit Turboprops, und jetzt bedient Germanwings die Strecke mit Jets. Da hat man als Regionalcarrier keine Chance.“ Dieser Meinung ist auch Hans Rudolf Wöhrl, Chef der INTRO Aviation, die an InterSky beteiligt ist. „Kaum hat eine kleine Gesellschaft eine Strecke so weit entwickelt, dass man davon leben kann, schon weckt das die Begehrlichkeit einer großen Gesellschaft. Das ist ein gefährliches Signal, denn es gibt keinen Zielort, an den nicht irgendein großer Player strategisches Interesse hat – zumindest wenn damit kein Risiko (mehr) vorhanden ist“, meint der Gründer des Nürnberger Flugdienstes (NFD), der später in der Eurowings aufging.
Welpenschutz für kleine Carrier

Wöhrl fordert ein Ende des ruinösen Wettbewerbs zu Lasten kleiner Gesellschaften: „Wenn die EU nicht eine Art Welpenschutz auf Regionalstrecken für eine bestimmte Zeit zulässt oder gar verlangt, dann wird sich – von kleinen Randsegmenten abgesehen – kein solcher Verkehr mehr entwickeln. Das gilt auch für die Tarife. Es kann doch nicht angehen, dass ein Lufthansa-Konzern ganz einfach eine Strecke parallel so lange zu Dumpingtarifen befliegt, bis die kleine Airline aufgeben muss. Das hat kartellartige Formen angenommen, und die Lufthansa ist nicht der einzige Carrier, der dieses Spiel vortrefflich beherrscht.“ Die Behörden scheinen das Problem jedenfalls nicht wahrzunehmen. Das Bundeskartellamt hat in der jüngeren Vergangenheit kein Verfahren in diesem Bereich geführt. Eine Lösung wäre Wöhrls Meinung nach die EU-weite Ausschreibung für eine neue Strecke seitens eines Flughafens, die für einen bestimmten Zeitraum Exklusivität enthält. „Andernfalls werden kleine Flughäfen auf Dauer keine Airline mehr gewinnen können, um eine neue Strecke aufzubauen.“ Die Chancen für ein solches Verfahren stehen allerdings schlecht, da die EU den freien Wettbewerb nicht antasten will. „Am Ende führt das aber zu weniger Wettbewerb, denn wenn man die kleinste aufkeimende Pflanze zertritt, dann wird nie ein neuer starker Wald entstehen“, meint Wöhrl.
Haben unabhängige Carrier denn überhaupt eine Chance? „Aus unserer Sicht hat der Regionalverkehr absolut eine Zukunft. Man muss einfach nur schauen, dass man die entsprechenden Nischen erkennt, sowohl was das Passagieraufkommen angeht als auch die Möglichkeit, mit bestimmtem Gerät zu operieren“, sagt Dirk Eggert. Das sieht auch Hans Rudolf Wöhrl so, der vor kurzem die irische CityJet übernommen hat. Unabhängige Regionalairlines können seiner Meinung nach im heutigen Markt nur existieren, wenn sie sich auf eine ganz kleine Nische konzentrieren oder im Auftrag großer Airlines fliegen. „Das ist ja auch der Grund, warum wir für CityJet (Schwerpunkt London-City) und VLM (reiner Charterflieger für Dritte) eine echte Überlebenschance sehen.“ Ganz verzichten können die Großen auf den Regionalverkehr nicht, denn er arbeitet weiterhin auf einer günstigen Kostenbasis.
FLUG REVUE Ausgabe 07/2014