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Taktiken und Technik der Nachtjäger

    Zweiter Weltkrieg
    Taktiken und Technik der Nachtjäger

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    Vom Aufspüren nach Sicht bis hin zur elektronischen Führung der Nachtjäger bis auf wenige Meter an die Gegner heran: Die Nachtjagd nahm im Laufe des Zweiten Weltkriegs eine rasante Entwicklung. Und sie wurde von der reinen Pilotendomäne auch zu einem Wettlauf der Elektronikingenieure.

    Taktiken und Technik der Nachtjäger

    Himmelbett, Wilde Sau, Zahme Sau, helle und dunkle Nachtjagd: Schon die Vielzahl der Begriffe rund um die Nachtjagd spricht für die häufig geänderten Taktiken, ihre Anpassung an die sich sprunghaft entwickelnde eigene Technik und an die der Gegner. In den ersten Kriegsmonaten noch kaum als notwendig angesehen, kam die Aufstellung von Nachtjagdverbänden erst im Mai 1940 nach der Bombardierung von Mönchengladbach durch die RAF, dem ersten Nachtangriff auf eine deutsche Stadt, in den Focus der Luftwaffenführung.

    Kurz darauf wurde die 1. Nachtjagd division unter dem Kommando von Oberst Kammhuber aufgestellt, zunächst nur mit einem Nachtjagdgeschwader, dem NJG 1. In wenigen Monaten wurden die Voraussetzungen für die sogenannte helle Nachtjagd geschaffen, ein Verteidigungsgürtel mit zunächst 18 Nachtjagdräumen zwischen Flensburg und Reims. In den einzelnen Abschnitten waren Scheinwerferabteilungen, jeweils drei Nachtjäger und eine Nachrichteneinheit Relativ weit reichende „Freya“-Funkmessanlagen, deren Reichweite etwa 140 bis 160 Kilometer betrug, suchten die Einflugräume der Gegner ab. Hatten sie feindliche Flugzeuge entdeckt, gaben sie deren Position an „Würzburg“-Radarstellungen mit etwa 35 Kilometern Reichweite weiter. Von dort wurden die Scheinwerferbatterien angewiesen, den Himmel anzustrahlen und somit die Gegner für die Nachtjäger sichtbar zu machen. Die RAF antwortete bald, indem die Bomber schlicht die erleuchteten Räume umflogen oder im schnellen Bahnneigungsflug durchstießen und den Nachtjägern damit kaum Möglichkeiten zum Angriff ließen.

    Der nächste signikante Schritt in der deutschen Nachtjagdstrategie war die Einführung des sogenannten Himmelbettverfahrens ab Herbst 1940. Nun wurden auch in der Tiefe gestaffelte Nachtjagdräume eingerichtet. Für jeden Raum übernahm wieder ein „Freya“-Gerät das erste Orten der Gegner. Im Nahbereicht übernahm ein „Würzburg“-Gerät das Feindflugzeug, ein zweites den eigenen Nachtjäger. Dieser kreiste in einem ihm zugewiesenen Warteraum, den ein Funkfeuer markierte. Die von den „Würzburg“-Geräten gemessenen Positionen des feindlichen Flugzeugs und des Nachtjägers wurden in der Jägerleitstelle auf einem manuell bedienten Auswertetisch dargestellt, später automatisch auf den sogenannten Seeburg-Tisch projiziert.

    Der Jägerleitoffizier konnte so den Jäger an sein Ziel heranführen. Mit der Einführung der leistungsfähigeren „Würzburg Riesen“ konnte die Zielführung noch präziser erfolgen. Das Himmelbett-Verfahren ließ den Verzicht auf Scheinwerferbatterien zu. Es war der Beginn der dunklen Nachtjagd. Ein Nachteil war, dass pro Überwachungsraum jeweils nur ein Feindflugzeug bekämpft werden konnte. Deshalb wurde mehr Räume eingerichtet und in der Tiefe gestaffelt um die Bomber zu zwingen, durch mehrere Räume zu fliegen.

    Bis dahin mussten die Nachtjäger in der letzten Angriffsphase ihre Gegner nach Sicht aufspüren. Das änderte sich 1942 mit der Einführung des FuG 202 Lichtenstein B/C. Das erste Bordradar besaß zunächst drei, später fünf Kilometer Reichweite. Bedient wurde es vom Bordfunker, der über Codewörter den Piloten fast unmittelbar an den Gegner heranführte. In der Regel pirschten sich die Nachtjäger etwa 200 Meter unterhalb der Bomber heran, weil diese von unten besser zu erkennen waren. Erst im letzten Moment zogen sie hoch in Schussposition.

    So revolutionär die ersten „Lichtenstein“-Bordradars auch waren, brachten sie den Nachtjägern auch einen Nachteil. Die großen Antennen am Bug erhöhten den Widerstand der Flugzeuge enorm. Das minderte deren Geschwindigkeiten um bis zu 50 km/h.

    Das Lichtenstein wurde laufend verbessert. 1943 kam die C-1-Version mit größerem Erfassungswinkel, im gleichen Jahr noch die Version SN-2, das weniger empfindlich für elektronische Störmaßnahmen war.

    Die Erbeutung von Nachtjägern und von Teilen eines „Würzburg“-Radars hatten die RAF in die Lage versetzt, deren Frequenzen empfindlich zu stören, unter anderem durch den Abwurf von Alufolienstreifen, sogenannte Düppel. Beim Angriff auf Hamburg am 25. Juli 1943 legte sie die deutsche Elektronik so praktisch lahm.

    Daraus entstand die auf Vorschlag des Jagdfliegers Hajo Hermann eingeführte „Wilde Sau“-Taktik. Über den brennenden Städten und zusätzlich von Scheinwerfern angeleuchtete Bomberverbände wurden dabei auch von gar nicht für die Nachtjagd ausgerüsteten Tagjägern nach Sicht angegriffen.

    Bei der „Zahmen Sau“ wurden dagegen reine Nachtjäger in die Bomberströme eingeschleust, die durch die starken Düppelstörungen markiert waren. Sie bekämpften sie sowohl nach Sicht als auch mit ihren Bordradars. „Wilde Sau“ und „Zahme Sau“ erscheinen wie ein Rückschritt in der Nachtjagd. Unter den gegebenen Umständen waren sie jedoch zeitweise erfolgreicher als das Himmelbettverfahren.

    Die Entwicklung schritt schnell voran. Der Radardetektor FuG 350 Naxos, ab Herbst 1943 eingesetzt, ortete die Gegner zumindest grob über Entfernungen von 50 Kilometern über die Impulse ihrer H2S-Zielfindungsradars. Ähnlich funktionierte das FuG 227 Flensburg, das die Nachtjäger ab dem Frühjahr 1944 erhielten. Es detektierte das britische Rückwärts-Warngerät „Monica“ im Heck der RAF-Bomber. Nachdem den Briten im Juli 1944 eine mit dem FuG 227 ausgerüstete Ju 88 G-1 (4R+UR) in die Hände gefallen war und sie das Gerät untersucht hatten, wurden sofort alle „Monica“ in den RAF-Bombern deaktiviert.

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