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Verwundeten-Evakuierung mit Lastenseglern

    Zweiter Weltkrieg
    Verwundeten-Evakuierung mit Lastenseglern

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    Die Idee, Verwundete mit Lastenseglern aus einem umkämpften Brückenkopf auszufliegen, klingt verwegen. Doch Ende März 1945 haben die Amerikaner genau dies getan. Sie legten dafür sogar einen eigenen Landeplatz nahe des Ortes Rheinbreitbach an.

    Verwundeten-Evakuierung mit Lastenseglern

    Am 22. März 1945 wurde auf einem eigens angelegten Feldflugplatz westlich des Ortes Rheinbreitbach im Norden des amerikanischen Brückenkopfes von Remagen, ein Kapitel Luftfahrtgeschichte geschrieben. 15 Tage zuvor hatte die 9. US-Panzerdivision die Ludendorff-Brücke bei Remagen intakt erobert und einen Brückenkopf auf dem östlichen Rheinufer gebildet. Die Brücke selbst war zwar am 17. März zusammengebrochen, aber die US-Truppen hatten zwischenzeitlich mehrere Ponton­brücken über den Fluss gebaut und brachten Truppen und Material im Einbahnstraßenverkehr auf die östliche Rheinseite. Im Siebengebirge fanden heftige Kämpfe statt, bei denen es viele Tote und Verwundete gab. Im Norden des Brückenkopfes gab es in Rheinbreitbach ein US-Feldlazarett. Die dort versorgten Soldaten konnten jedoch nicht zur weiteren Behandlung auf die andere Flussseite gebracht werden. So entstand die Idee, die Verwundeten auszufliegen.

    Willy Dühsdorf war damals elf Jahre alt. Er erzählte: „Ich sah, wie ein Fahrzeug von einem Amphibienboot der Amerikaner herunterfuhr und in unsere Richtung kam. So ein Raupenfahrzeug hatte ich noch nie gesehen. Es fing vor unseren Augen an, eine Obstwiese zu planieren. Es drückte die dortigen Bäume mit einer Leichtigkeit um, als ob es Streichhölzer wären. Im Nu hatte es ein Feld planiert etwa so groß wie ein halbes Fußballfeld.“

    Zwei Waco CG-4-Lastensegler der 38th Troop Carrier Sqdn. wurden von je einer C-47 von Reims aus nach Rheinbreitbach gezogen. Bei ihrem Flug wurden sie von P-51 Mustang als Jagdschutz begleitet. Über dem Rhein klinkten beide Lastensegler aus und landeten auf der kurzen Piste parallel zum Rhein. An Bord des zweiten Lastenseglers war die Armee-Krankenschwester Sue Bernard Delp, die 1990 in einem Veteranen-Magazin ihre Erebnisse auf diesem Flug veröffentlichte. Die Aktion wurde von amerikanischen Armeefotografen sehr gut dokumentiert, allerdings verschwanden deren Aufnahmen im Archiv und tauchten erst Jahrzehnte später wieder auf.

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    Freizeithistoriker stößt Nachforschungen an

    Am 22. März 1945 wurden aus Rheinbreitbach Verwundete via Lastensegler ausgeflogen. Foto und Copyright: US National Archives

    Die C-47 kreisten wartend über dem Rhein, während die Verwundeten mit Lastwagen den kurzen Weg vom Feldlazarett zu den Lastenseglern gebracht wurden. Die Cockpitsektion der Lastensegler konnte hochgeklappt werden, so dass die Verwundeten auf den Tragen von vorne in das Flugzeug geladen wurden. Wie die Soldaten die Gleiter anschließend zur Startposition gebracht hatten, ist nicht überliefert. Vor den CG-4 wurden jedenfalls zwei vier Meter hohe, rot-weiße Stangen aufgestellt, die das Schleppseil des Gleiters auf Höhe hielten. Eine gelbe Fahne signalisierte der C-47, dass der Lastensegler startbereit war, dann näherte sich das Schleppflugzeug im Bahnneigungsflug dem Seiltor und nahm dieses mittels eines an einem Seil hängenden Fanghakens auf. Die CG-4 schnellte nach vorne, nahm Fahrt auf und hing hinter der C-47. Dieses Glider-Pick-up-Verfahren war zuvor vor allem bei der Rückführung von Seglern nach der Operation Market Garden im September 1944 verwendet worden. Die C-47 schleppten die Segler sicher zum Hospital nach Frankreich. Danach wurde die Piste nur noch wenige Male von Verbindungs- und Sanitätsflugzeugen verwendet, später bestand kein Bedarf mehr, denn die US-Truppen hatten inzwischen richtige Flugplätze erobert.

    Diese Geschehnisse wären vergessen worden, wenn nicht der holländische Freizeithistoriker Hans den Brok bei Prof. Piet Bovy vom Geschichtsverein Unkel angefragt hätte, ob er die genaue Lage des Landeplatzes kennen würde. Dies brachte den Stein ins Rollen, und Prof. Bovy stellte eigene Nachforschungen an, die zum Ergebnis führten, dass in Rheinbreitbach am 22. März 1945 tatsächlich Luftfahrtgeschichte geschrieben wurde, denn nur ein einziges Mal noch, im August 1945 in Papua-Neuguinea, wurden Verwundete mittels Lastenseglern aus einer Kampfzone ausgeflogen.

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