Sand, überall nur Sand. Und Heidekraut. Und Wolken. Viele Wolken! Nur weit und breit kein Hubschrauber – seit über fünf Stunden nicht. So lange sitze ich hier schon, leicht erhöht, am Rande eines Wäldchens, starre in die Welt und warte. Ob das heute noch was wird? Eigentlich treffen sich hier, in der Oirschotse Heide am Rande des Flughafens von Eindhoven, die Hubschrauber der niederländischen Luftwaffe regelmäßig zum Training. Ich befinde mich mitten im "Gebied Laag Vliegen 5" – einem von mehreren Tiefflugarealen für Helikopter in den Niederlanden, von denen die Oirschotse Heide das mit Abstand am meisten frequentierte ist. Unter der Woche gibt’s im GLV 5, so die Abkürzung, fast immer was zu sehen. Das jedenfalls hat man mir im Vorfeld gesagt. Aber heute? Tut sich nichts. Ausgerechnet heute – tote Hose?!
Von Westen her nähern sich Regenschauer, mahnt das Wetterradar auf meinem Smartphone. Noch eine halbe Stunde, 40 Minuten vielleicht, dann könnte es hier richtig ungemütlich werden. Weitere Minuten verstreichen. Nichts passiert. Der Himmel über mir längst zugezogen. Sonst nur Stille. Und auffrischender Wind, der mir Sandkorn für Sandkorn ins Gesicht bläst.
Spät kommen sie – aber sie kommen!
Ich überlege: Bis zum Auto, das ich irgendwo außerhalb auf einem Wanderparkplatz stehen habe, ist es zu Fuß bestimmt eine Viertelstunde – eher mehr, mitten durch den Sand. Aber loslaufen will ich nicht. Noch nicht! Was macht die Regenfront?
Etwas unwillig packe ich – in Schildkrötengeschwindigkeit – meine Siebensachen zusammen, mache mich bereit für den Abmarsch, blicke noch ein letztes Mal zum Horizont – und plötzlich sehe ich ihn: den Chinook-Hubschrauber, der sich, von Norden anfliegend, als dunkler Punkt an meinen Standort heranpirscht. Haha! Es hat sich also doch gelohnt, nicht direkt abzuhauen!

Nach langem Warten nähert sich endlich der erste Chinook-Hubschrauber - und es beginnt ein staubiges Spektakel in der Heide.
So sieht also eine "Brownout-Landung" aus
Die Chinooks der Niederländer sind stationiert auf dem Stützpunkt Gilze-Rijen. Inzwischen fliegen dort nur noch sandfarbene CH-47F, nachdem die älteren und grün lackierten CH-47D vor ein paar Jahren ausgemustert wurden. Aber der Farbton ist mir erst mal egal: Hauptsache Hubschrauber!
Rasch wird das Dröhnen lauter und mutiert zum durchdringenden Stampfen, der große Transporthelikopter mit den Tandem-Hauptrotoren ist jetzt klar erkennbar. In respektabler Höhe kreisen die Piloten zunächst zweimal über die Heide, drücken ihren Lastenesel beim dritten Mal im Steilanflug gen Boden, fangen ab – und dann verschwinden Hubschrauber und Crew hinter der braunen Wand aus auffliegendem Sand, den der Downwash der Rotoren beim Schweben überm Boden tonnenweise in die Luft pustet. Sekundenlang sieht man fast gar nichts, nur schemenhaft lässt sich die weiter hinabsinkende Silhouette der Chinook noch ausmachen. Touchdown! So also sieht eine "Brownout-Landung" aus.

Sehen Sie die CH-47 noch? Hinter der selbst verursachten braunen Sandwolke kann man die Silhouette nur noch schemenhaft erahnen.
Warum Brownouts im Einsatz gefährlich sind
Landungen ohne ausreichende Sicht sind im Einsatzbetrieb immer ein Risiko. Staublandungen zählen zu den anspruchsvollsten Disziplinen überhaupt und fordern Mensch und Maschine eine Menge ab. Orientierungsverlust im selbsterzeugten Sandsturm führt weltweit immer wieder und überdurchschnittlich häufig zu schweren Hubschrauberunfällen. Technische Hilfsmittel wie das Degraded Visual Environment Pilotage System (DVEPS) des US-Herstellers Sierra Nevada Corporation sollen dem entgegenwirken. Bis 2030 will etwa die US Army ihre Chinook-Flotte damit nachrüsten. Doch um das Risiko für Brownout-Crashs zu minimieren, bleibt intensives Training weiter unerlässlich. Die Abläufe im Zusammenspiel der Crew müssen perfekt sitzen – egal ob mit oder ohne Technik-Hilfe. Im GLV 5 finden die niederländischen Drehflügler-Besatzungen ideale Bedingungen für diese Übungsdisziplin – und das direkt vor der Haustür.

Braun zu braun: Die Niederländer fliegen nur noch die sandfarbene CH-47F, die alten, grün lackierten CH-47D sind inzwischen im Ruhestand.
Chinook-Doppel im braunen Staub
Entsprechend ausgiebig nutzen die Niederländer auch heute Nachmittag ihren hauseigenen "Sandkasten": Die Landeprozedur im braunen Staubvorhang wiederholt die Chinook-Crew innerhalb der nächsten zehn Minuten noch drei oder vier Mal. Am Boden bleibt der Hubschrauber stets nur für einige Sekunden, dann geht es im großen Bogen wieder tief über den Wipfeln der angrenzenden Bäume kurvend zur nächsten Runde. Der Ladungsmeister überwacht Landung und Start bei jedem Anlauf mit geübtem Blick aus der rechten Seitentür. Eine zweite CH-47F gesellt sich ebenfalls in die Heide, ebenfalls für "Brownouts", allerdings an einem anderen Standort, außer Sichtweite. Vom angedrohten Regenschauer ist dagegen überhaupt nichts auszumachen – stattdessen wagt zum Ende hin sogar die Sonne einen kurzen Blick auf das staubige Spektakel.

Das GLV 5 bei Eindhoven ist eine weitläufige Heidefläche mit großen Sandflächen, umgeben von dichtem Mischwald. Das Gebiet eignet sich für alle Arten von Übungen.
Und dann auch noch ein Cougar
Und als sich die Chinooks schließlich zur Genüge ausgetobt haben und in kurzer Folge den Heimweg nach Gilze-Rijen antreten, lässt sich abseits der Sandwüste sogar noch ein Cougar für eine Trainingseinheit mit Außenlast im Heidekraut nieder. Damit fehlt, in Hinblick auf die drei Hubschraubermuster der niederländischen Armee, eigentlich nur noch ein Apache. Aber um den zu sehen, muss ich wohl irgendwann nochmal in die Oirschotse Heide kommen. Für heute ist Feierabend, die Action ist vorbei. Ich nehme Kurs in Richtung Auto, kippe vor dem Einsteigen kleine Dünen aus meinen Schuhen und fahre zufrieden nach Hause. Der prophezeite Platzregen erwischt mich später auf der Autobahn dann übrigens doch noch – und zwar volle Breitseite. Aber jetzt ist mir das, ehrlich gesagt, ziemlich egal.