Neue Flugzeug-Kabinentechnik von Diehl - Leicht und smart!

Anzeige

Zukunft der Luftfahrt
Kabine? Leicht und smart!

Veröffentlicht am 13.05.2024
Kabine? Leicht und smart!

"Mit der Future Cabin wollen wir demonstrieren, was in Sachen Nachhaltigkeit in der Kabine möglich ist", sagt Dr. Dietmar Voelkle, Vice President Research bei Diehl Aviation. Das Konzept versammelt Ideen, Visionen und konkrete Innovationen. "Es ist für uns auch eine Versuchsplattform, um zu schauen, was geht." Das erste Mock-up der Future Cabin in Lebensgröße war auf der Aircraft Interiors im Mai und anschließend auf der ILA 2024 zu sehen. Wesentliche Elemente: Bionische Bauweise, gewichtssparende Designideen, recyclefähige Materialien und smarte Funktionen. Dabei geht es nicht nur um Leichtbau, sondern um die Frage, wie die Kabine der Zukunft entlang des gesamten Lebenszyklus nachhaltig und möglichst CO2-neutral gestaltet werden kann. "Visionär, aber machbar."

Die Kabine der Zukunft

Ein Blick genügt, um zu sehen, dass Diehl mit der Future Cabin neue Wege geht. Die Kabinendecke durchwebt ein ungewöhnliches Muster. Licht kommt nicht aus Spots oder Leisten, sondern fließt großflächig über die Decke. Ein Teil der Fenster ist durch High-Tech-Screens ersetzt, die einen simultanen Blick nach draußen sowie zusätzliche Informationen etwa über die Flugroute liefern. Kabine – völlig neu gedacht durch die Diehl-eigene Industrial Design Abteilung.

Dabei setzt Diehl unter anderem auf bionische Strukturen. Das Prinzip ist in der Luftfahrt nicht neu. Seit vielen Jahren gilt die Bauweise – die sich die Natur zum Vorbild nimmt – als zukunftsprägend. "Aber wir werden das jetzt konsequenter umsetzen als je zuvor." Zu sehen etwa im erwähnten Deckendesign, das an die Strukturen eines Blattes oder eines Libellenflügels erinnert. Bauteile mit bionischen Strukturen sind nicht nur ästhetisch, sondern können bis zu 30 Prozent leichter sein als herkömmliche Elemente.

Besonders nachhaltig wird das bionische Design, wenn zudem neue und recyclefähige Materialien eingesetzt werden. Diehl erprobt unter anderem biobasierte Harze und Fasern. Das Prinzip: Natürliche Rohstoffe über chemische Prozesse zu nutzbaren Materialien veredeln, die idealerweise über Recycling wieder einem Produktionszyklus zugeführt werden. "Hier ist viel denkbar, wir sind erst am Anfang", so Dietmar Voelkle. Erste konkrete Konzeptideen etwa mit recyclefähigen Materialien entstehen bereits, siehe die ECO Brackets. Brackets dienen dazu, etwa Lichtleisten in der Kabine zu fixieren. Diehl will sie künftig aus Thermoplast herstellen, das wiederum zu 100 Prozent aus recycelten Bauteilen gewonnen wird. Die ECO Brackets würden aufgrund der integrierten Faserverstärkung gegenüber aktuell verwendeten Teilen auch weniger wiegen. "In der Future Cabin zeigen wir zukünftige Anwendungsmöglichkeiten. In den nächsten sieben bis zehn Jahren werden die ECO Brackets und ähnliche Materialinnovationen Realität werden."

Auch das Thema Seitenwände wird neu gedacht. Ein Beispiel ist die ECO Sidewall. Hier kombiniert Diehl alles, was heute in Sachen Nachhaltigkeit als Konsequenz einer maximal möglichen Gewichtsreduktion schon geht. Neben neuesten Kompositmaterialien kommt das von Diehl entwickelte Powder Coating zum Einsatz. Dadurch reduzieren sich Gewicht und CO2-Verbrauch gegenüber herkömmlichen Seitenwänden um 10 Prozent. In der Produktion sinkt der CO2-Fußabdruck sogar um bis zu 20 Prozent, faserhaltige Produktionsreste um ein Drittel. Die ECO Sidewall steht für neu gebaute Flugzeuge bereits zur Verfügung.

Diehl Aviation geht zudem das Thema Fenster neu an. Hintergrund: Der Blick nach draußen ist wesentlich für den empfundenen Komfort beim Fliegen, allerdings sind Fenster auch ein erheblicher Gewichtsfaktor. Diehl will Gewicht sparen, ohne den Komfort einzuschränken. In der Future Cabin soll daher ein Teil der Fenster durch Displays ersetzt werden, die eine "outside view" simulieren. Ein zusätzliches Plus für Passagiere: Die neuen Displays könnten zusätzliche Infos etwa zur Reiseroute, zum Bordangebot oder zu freien Bordtoiletten vermitteln.

Die Kabine wird smart

Diehl Aviation setzt auf konsequente Digitalisierung. Lothar Trunk ist Senior Experte Cabin Systems bei Diehl und federführend für das Thema: "Bislang werden keine Daten aus Kabinenfunktionen generiert und stehen somit auch nicht für eine Auswertung zur Verfügung." Das Ziel: Daten aus der Kabine sammeln, analysieren und dauerhaft nutzen, um Energie- und Wasserverbrauch besser zu planen, Wartung zu erleichtern und den Passagierkomfort zu steigern.

Dafür hat Diehl gemeinsam mit mehr als einem Dutzend Partnern – darunter Luftfahrzeughersteller, Airlines, Zulieferer und Universitäten – 2018 das Forschungsprojekt i+sCabin an den Start gebracht. In einem ersten Schritt wurde zunächst ein einheitlicher Kommunikationsstandard entwickelt. Alle Elemente der Kabine – von LEDs über Küchengeräte bis hin zu Displays – kommunizieren künftig über diesen Standard. In einem nächsten Projektschritt wird es nun darum gehen, die Daten aus der Kabine strukturiert zu sammeln und zu analysieren. Das Potenzial für mehr Nachhaltigkeit ist erheblich. So können Airlines künftig nachverfolgen, auf welchen Flügen wie viel Frischwasser oder Kaffee verbraucht wird, daraus Prognosen ableiten und so die Menge an Ressourcen an Bord effizienter planen. Ähnliches gilt für den Energieverbrauch. Wann braucht die Galley besonders viel Strom, wann die Lichtspots und wann das Entertainment-System? Mithilfe dieser Daten kann die Energienutzung erheblich effizienter gesteuert werden.

Auch bei Wartung und Reparatur eröffnen die Daten aus der Future Cabin neue Möglichkeiten. Etwa für die Ursachensuche bei defekten Geräten. Lothar Trunk: "Das ist manchmal wie die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen." Er berichtet aus Erfahrung: "Wir hatten den Fall eines Kühlgerätes, das einen Fehler meldete. Alle Checks zeigten, dass das Gerät ok war. Irgendwann kamen wir drauf, dass kurzzeitige Spannungsschwankungen die eigentliche Ursache waren." Mit den neuen Möglichkeiten der Datenerhebung können solche Zusammenhänge – unterstützt durch KI-Systeme – deutlich schneller entdeckt werden. Unnötige Reparaturen oder Geräteaustausche werden vermieden.

Und auch die vorrausschauende Wartung wird einfacher. So können Kabinensysteme etwaige Fehler künftig schon während dem Flug an das Bodenpersonal melden. "Gerade an großen Flughäfen ist das sehr relevant", erklärt Lothar Trunk. "Zwischen Parkposition und Ersatzteillager ist man schon mal 30-40 Minuten unterwegs. Erfährt das Reparaturteam erst bei Landung von Problemen, dauert es bis zu anderthalb Stunden, bis das Ersatzteil an Bord kommt. Hat der Flieger eh schon Verspätung, wird es schnell eng." Künftig können Ersatzteile schon vorsorglich beschafft und direkt nach der Landung eingebaut werden – mit positiven Auswirkungen auf die Pünktlichkeit.

"Nachhaltigkeit ist keine Kür, sondern Pflicht für alle Beteiligten", sagt Dietmar Voelkle. "Wir bei Diehl entwickeln seit Jahrzehnten Innovationen, die darauf einzahlen. Die Technologien in der Future Cabin sind ein weiterer Schritt auf diesem Weg."