Es ist ein kleiner Bereich in der Luftfahrt, der nur selten im Rampenlicht steht: Special Missions, also Aufgaben, die oft im Verborgenen geschehen, die fundiertes Fachwissen von der Besatzung erfordern und die hohe Anforderungen an das Fluggerät und dessen Ausrüstung stellen. Airborne Technologies mit Sitz am Flugplatz Wiener Neustadt gehört zu den wenigen Unternehmen, deren Fokus auf Umrüstungen von Flugzeugen und Hubschraubern für Einsätze abseits des Alltäglichen liegt. Ob Beobachtung, Vermessung oder hoheitliche Missionen: Das Einsatzspektrum ist breit und komplex.
Spezialmissionen als Geschäftsfeld
Wolfgang Grumeth hatte das Unternehmen im Jahr 2008 während der Finanzkrise zusammen mit Kristof Nagl und Markus Gurtner gegründet. Damals sah der heutige CEO in Special Missions einen wachsenden Markt. Zudem verfügte er aufgrund seiner Tätigkeit in der Geschäftsführung von Diamond Aircraft über Know-how und ein breit aufgestelltes Netzwerk. Bei seinem alten Arbeitgeber hatte Grumeth den Geschäftsbereich Diamond Airborne Sensing ins Leben gerufen. Viele Jahre lang war Airborne Technologies mit einer eigenen Flotte selbst fliegerisch im Special-Mission-Geschäft aktiv. Über die Jahre rückte der Fokus auf die Umrüstung von Flugzeugen – geblieben ist Anfang 2020 eine überschaubare Flotte an Demonstrator-Flugzeugen. Aus anfangs sieben Mitarbeitern sind heute knapp 50 geworden, die in drei Hangars auf rund 7000 Quadratmetern Starr- und Drehflügler umbauen. Zu den Kunden gehören private Unternehmen ebenso wie Behörden, Polizei und Militär aus der ganzen Welt mit Ausnahme der USA und China, wo die Konkurrenz durch heimische Mitbewerber zu groß sei, so der CEO.

Der Kunde hat das letzte Wort
Zunächst räumt der Chef mit einem Missverständnis auf: "Nicht nur der Hersteller darf Änderungen an einem Flugzeug vornehmen. Mit einer entsprechenden Zulassung können das auch andere Betriebe." Er spricht für Airborne Technologies, das als EASA Part 21 J Design Organisation sowie als Part 21 G Production Organisation zertifiziert ist. Diese Zulassungen öffnen die Tür, um Fluggeräte individuell an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen, was oft mit erheblichen Eingriffen in die Flugzeugzelle verbunden ist.
Geht es um das passende Flugzeug, empfiehlt Airborne Technologies seinen Kunden oft die P68-Familie von Vulcanair oder die Viking Twin Otter als bewährte Arbeitsgeräte mit zwei Motoren. Bei den Hubschraubern schlägt das Unternehmen Muster von Airbus Helicopters oder Leonardo vor. Dies ist aber nicht verbindlich. "Das letzte Wort hat der Kunde. Wir sind Plattform-Agnostiker", kommentiert Grumeth die Unabhängigkeit von bestimmten Herstellern. Ob das Fluggerät neu oder gebraucht ist, spielt ebenfalls keine Rolle. Das Geschäft beschreibt der Chef als langfristig. Die Dauer von der ersten Anfrage oder einer Ausschreibung über den Auftrag bis hin zur Übergabe ist eine Sache von durchschnittlich mehr als zwei Jahren. Geht es bei privaten Auftraggebern meist etwas schneller, lassen sich öffentliche Stellen auch mal wesentlich mehr Zeit. Die Nutzungsdauer der Technik liegt bei mindestens zehn Jahren.

Vielfältiges Aufgabenfeld
Wolfgang Grumeth nennt Beispiele für das, was sich hinter dem Begriff "Special Mission" verbergen kann. Oft geht es um Vermessungen, beispielsweise mit LIDAR. "Light Detection and Ranging" arbeitet im Gegensatz zum Radar mit Laserstrahlen. Bei der Fotogramme- trie kommen zur zentimetergenauen Vermessung der Erde aus der Luft hochauflösende Kameras zum Einsatz. "Multispectral Sensing" ermöglicht es, über das Spektrum des Lichts die Vegetation zu analysieren. Bei der Aeromagnetik wird die Geologie unter der Erdoberfläche mit Hilfe radioaktiver und magnetischer Strahlung bestimmt, um Öl- oder Erzvorkommen aufzuspüren. Auch die Beobachtung von Pipelines oder Stromtrassen ist ein Einsatzbereich der fliegenden Plattformen.
In der Praxis ergeben sich damit beeindruckende Möglichkeiten. Bei der Überwachung von Stromtrassen beispielsweise kommt das Team aus der Luft Temperaturabweichungen von 0,1 Grad Celsius auf die Spur und kann so mögliche Defekte exakt lokalisieren und melden. Hilfreich ist diese Präzision auch bei der Suche nach vermissten oder flüchtigen Personen, die sich über ihre Körpertemperatur verraten. An dieser Stelle zeigt Wolfgang Grumeth Demobilder einer Verbrecherjagd. "Es kommt vor, dass ein Polizeihubschrauber mit dem Scheinwerfer absichtlich ein falsches Gebiet ausleuchtet, die Besatzung in Wahrheit aber nach Temperaturänderungen an einer ganz anderen Stelle sucht", sagt er. Kameras ermöglichen es indes, ein Autokennzeichen aus der Luft aus zwei Kilometern Entfernung zu lesen.

Städte vermessen und Delfine zählen
Ein niemals endendes Geschäftsfeld sind Vermessungen, denn in abgelegenen Regionen ist Google Earth oft die einzig verfügbare Datenbasis. In dicht besiedelten Gebieten sind Bebauung und Geografie im Wandel. "Alle vier bis fünf Jahre wird eine Großstadt neu vermessen", sagt Grumeth. Enorm ist nicht nur die Genauigkeit dabei, sondern auch die Geschwindigkeit. Bei vier Messpunkten pro Quadratmeter schafft ein Flugzeug pro Stunde ein 50 Quadratkilometer großes Areal. Zum Vergleich: Ein Vermessungsteam am Boden schafft pro Tag rund 100 Messpunkte, die allerdings etwas genauer sind. Auch an der Küste geht ohne Unterstützung aus der Luft nichts. Überflutungsschutz mit der Berechnung von Wassermengen, Deichkontrollen oder die Vermessung von Schifffahrtswegen im Wattenmeer sind einige Szenarien. Auch berichtet Grumeth von einer eigenen Mission, bei der Airborne Technologies Delfine im Schwarzen Meer gezählt hat.
Zu den umfangreicheren Projekten gehörte die Auslieferung von vier Vulcanair P68R an die britische Polizei (NPAS, National Police Air Service), die die Helikopterflotte ergänzen. Airborne Technologies hat die Zweimot für den Einflug in bekannte Vereisungsbedingungen nachgerüstet und zugelassen – auf der oft feucht-frostigen Insel ein unverzichtbares Plus. Auch die hessische Polizei hat die Kostenvorteile eines Flächenflugzeugs gegenüber dem Helikopter erkannt und nutzt eine P68. Zu den Helikopterkunden gehören in Deutschland die Polizeihubschrauberstaffeln in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Kunden aus aller Welt
Im europäischen Ausland betreibt die slowenische Polizei eine EC135, während die Schweizer Rettungsflugwacht Rega die AW109 in den Alpen einsetzt. Der bulgarische Grenzschutz ließ seine AW109-Flotte in Wiener Neustadt modernisieren. Zu den Kunden aus der Privatwirtschaft gehört das Braunschweiger Unternehmen SVEGE, das mit einer Vulcanair A-Viator ILS-Anflüge und weitere Navigationsanlagen vermisst. Airborne Technologies führt auch ungewöhnliche Aufträge aus; zu denen gehört eine Thrush 510G für einen Kunden aus Afrika. Die Turbinenversion des Cropdusters verfügt nach Umwidmung des Sprühmittelbehälters in einen Treibstofftank über 14 Stunden Reichweite, Panzerung, Sauerstoffversorgung, eine umfangreiche Avionik und eine Kamera unter dem Rumpf. Der Außenlautsprecher plärrt auch in zwei Kilometer Entfernung noch mit 70 db(A).
Bei Sensoren und Kameras greift Airborne Technologies auf Zulieferer zurück, während Aufhängungen und die gesamte Technik in Wiener Neustadt entwickelt, gefertigt und nach EASA-Vorgaben zugelassen wird. Eine hochauflösende, stabilisiert aufgehängte Kamera schlägt da schon mal mit einer Million Euro zu Buche. Ein Laserscanner hat den Wert eines Einfamilienhauses. Nicht selten tragen Fluggeräte im Wert von einer Million Euro Ausrüstung für den doppelten Preis mit sich. Zu den Eigenentwicklungen gehört der S.C.A.R.-Pod. Dieser in Wiener Neustadt aus Composite-Materialien gefertigte "Self Contained Aerial Reconnaissance Pod" beherbergt die Sensorik und lässt sich mit überschaubarem Aufwand ans Flugzeug montieren und wieder abnehmen. Alternativ werden Sensoren und Kameras häufig in einem Lift – ebenfalls eine Eigenentwicklung – installiert: Durch ein Loch im Boden lässt sich die Ausrüstung ein- und ausfahren. Vorteile bietet der Lift bei Start und Landung, denn so ist die Kamera auch auf unbefestigten Pisten geschützt. Gleichzeitig können die Luftfahrzeuge inkognito unterwegs sein. Ein Teil der Mitarbeiter aus Österreich ist übrigens immer dann weltweit im Umrüst-einsatz, wenn militärische oder polizeiliche Fluggeräte ihr Land nicht verlassen dürfen.

So einfach wie möglich
Ziel von Airborne Technologies ist es, die komplexe Technik möglichst benutzerfreundlich zu machen. "LINX" nennt sich das Gesamtsystem, das die Ausrüstung mit Flugzeug oder Hubschrauber zu einem einfach zu bedienenden Arbeitsplatz am Himmel vereint. Herzstück des Operator-Arbeitsplatzes ist die selbst entwickelte Mission Management Unit (MMU):Sie ermöglicht die Bedienung von Kameras, Sensoren und Bildschirmen über ein Touch-Display mittels einer eigenen Software. "Wir bieten ein stabiles, intuitives Arbeitsumfeld an Bord, das auch Nicht-Ingenieure verstehen und bedienen können", sagt Grumeth. Auf Kundenwunsch ist es möglich, Fluggeräte so flexibel auszurüsten, dass der Betreiber den Operator-Arbeitsplatz in eine konventionelle Kabine verwandeln kann. Technisch hat sich vor allem im Polizei-sektor in den vergangenen Jahren viel getan. Augmented Reality hat an Bord der Special-Mission-Plattformen Einzug gehalten. Gibt der Operator Straßenadressen ein, richtet sich die Kamera automatisch aufs Zielgebiet aus. Bildschirme zeigen bei Tag und Nacht Lufträume und Straßen an.
Drohnen rücken in den Fokus
Mit Blick in die Zukunft hat Airborne Technologies die wachsende Bedeutung unbemannter Fluggeräte erkannt. Schon heute lässt sich die Technik an Bord vom Boden aus über eine Funkverbindung oder über Satellit steuern. Erfolgreich abgeschlossen wurde die Ausrüstung eines OPV (Optional Piloted Vehicle) für einen spanischen Kunden. Grumeth: "Wir decken den gesamten Prozess mit unserem Know-how ab und können unseren Kunden komplexe Lösungen für komplexe Anforderungen aus einer Hand anbieten."
Wie so eine Lösung aussehen kann, zeigt eine Twin Otter, die zu Interessenten auf der ganzen Welt tourt. Viking Air stellt Flugzeug und Piloten, Airborne Technologies hat die Umrüstung realisiert, und die EASA ist bei der Zulassung involviert.