Airbus A380 im D-Check: Verjüngungskur für den Riesenvogel

D-Check für Lufthansa-A380
Das größte Passagierflugzeug der Welt im Jungbrunnen

Veröffentlicht am 26.04.2024

Rainer Janke neigt nicht zu emotionalen Ausbrüchen. Der Wirtschaftsingenieur ist Head of Marketing & Sales bei Lufthansa Technik Philippines (LTP) und hat in seiner Zeit in Manila schon einiges gesehen. Aber wenn er vom Airbus A380 erzählt, kommt der 63-Jährige ins Schwärmen: "Wenn man neben einer A380 steht in der Halle, das ist schon beeindruckend. Das fasziniert mich jeden Tag." Von Oktober 2023 bis Februar 2024 hatte Janke einige Möglichkeiten, einer besonderen A380 nahezukommen. Der Lufthansa-Jet, D-AIMC, durchläuft als erste A380 einen Zwölf-Jahres-Check bei LTP. Es ist die umfangreichste und teuerste Instandhaltungsmaßnahme im Leben eines Airliners. Nur zwei oder drei Mal kommt ein Verkehrsflugzeug in den Genuss einer solchen Generalüberholung.

Lufthansa Technik Philippines

Seit 2012 betreut LTP in Manila die A380. Angefangen hat alles mit einem Programm zur Kabinenmodifikation, dann kam die sogenannte Base Maintenance (Überholung) dazu, zunächst mit C-Checks und Sechs-Jahres-Checks. Wegen der großen Nachfrage nach Instandhaltungsdienstleistungen für den Superjumbo hat das Gemeinschaftsunternehmen von Lufthansa Technik und der philippinischen MacroAsia Corporation 2023 eine dritte Base-Maintenance-Linie in Manila in Betrieb genommen. Die vier ersten von Lufthansa reaktivierten A380 wurden ebenfalls auf den Philippinen überholt, durchliefen aber aufgrund ihres Alters die weniger aufwendigen C- und Sechst-Jahres-Checks. Neben Lufthansa gehören zu den A380-Kunden von LTP unter anderem British Airways und seit vergangenem Jahr auch Emirates. Bereits etwa zwei Monate bevor die "Mike Charlie" in Manila eintrifft, erhält der Instandhaltungsbetrieb zur Vorbereitung von Lufthansa das Arbeitspaket mit Listen und sogenannten Task Cards, die detaillierte Informationen zu geplanten Maßnahmen beinhalten. Hinzukommen in diesem Fall weitere Arbeiten, zum Beispiel Modifikationen, die sich durch Lufttüchtigkeitsanweisungen der Behörden und Service Bulletins von Airbus aufgrund der langen Standzeit des Flugzeugs ergeben. Lufthansa hatte die mittlerweile 14 Jahre alte D-AIMC aufgrund der Corona-Pandemie vom 26. Januar 2021 bis zum 5. Oktober 2023 im französischen Tarbes geparkt.

Ralf Plechinger

275 Tonnen auf Hebeböcken

Als die A380 in Manila ankommt, wird zunächst der Resttreibstoff entleert. Denn im Verlauf des D-Checks müssen LTP-Mitarbeiter auch in die Tanks kriechen, um diese auf Korrosion und Dichtheit zu untersuchen. Bei einer Begehung mit Lufthansa-Vertretern wird nach der Landung besprochen, welche Maßnahmen an der Kabine durchgeführt werden sollen – "welche Oberflächen ausgetauscht werden, wo Kratzer ausgearbeitet werden etc.", sagt Janke. Nun geht es für das Flugzeug in den Hangar, wo es aufgebockt wird – für einen Fahrwerkswechsel. Das betrifft alle fünf Fahrwerke: zwei unter den Tragflächen, zwei unter dem Rumpf sowie ein Bugfahrwerk. Damit ist es die wohl zeitaufwendigste Maßnahme des D-Checks. Rund 20 Prozent der Dauer des kompletten Checks gehen dafür drauf, schätzt Janke. "Die Fahrwerke haben ein Leben von zwölf Jahren", sagt er. "Das ist auch ein ‚hard time limit‘, da muss das Fahrwerk ausgetauscht werden." Kein Wunder, denn das Fahrwerk des größten Passagierflugzeugs der Welt muss einiges aushalten: 560 Tonnen beim Start und mehr als 390 Tonnen bei der Landung.

Lufthansa Technik Philippines

Aufwendig und umfangreich

An lediglich drei Punkten hieven hydraulische Hebeböcke den Riesen mit einer maximalen Leermasse von 275 Tonnen hoch: an der Nase und unter den Flügeln. Zur Sicherheit wird die A380 noch am Heck abgestützt. Für den Einbau steht ein überholtes Austauschfahrwerk zur Verfügung, das wieder volle zwölf Jahre Lebensdauer hat. Das entnommene alte Fahrwerk wird in London bei Lufthansa Technik Landing Gear Services zerlegt, verchromte Flächen werden entchromt, alles wird auf Risse inspiziert und Teile, die eine feste Lebensdauer haben oder Schäden aufweisen, werden ausgetauscht. "Am Ende steht ein wieder einsatzfähiges Fahrwerk", sagt Janke. Es kommt voraussichtlich an die "Mike Bravo", die dieses Jahr ebenfalls in Manila überholt wird. Dass das Fahrwerk zuerst herauskommt, ist eine Besonderheit beim Superjumbo. "Der Zwölf-Jahres-Check bei der A380 ist von der Komplexität her mit das aufwendigste Ereignis, das wir an einem kommerziellen Flugzeug durchführen", so Janke. Das macht die Synchronisation der einzelnen Arbeiten sehr anspruchsvoll. Parallelarbeiten während des Fahrwerkswechsels und während mancher Strukturmodifikationen sind nur begrenzt möglich. Mehr als 100 Tage müssen – je nach Arbeitspaket – für den D-Check einer A380 veranschlagt werden – vier- bis fünfmal so viel wie bei einer A320. Zu Spitzenzeiten arbeiten mehr als 100 Mechaniker gleichzeitig an der D-AIMC, bis zu 1000 Mannstunden kommen pro Tag so zusammen.

Lufthansa Technik Philippines

Leere Flugzeugkabine

Wenn das Fahrwerk getauscht ist, werden alle 509 Passagiersitze, die Monumente, also Küchen und Toiletten, die Gepäckfächer und die Seitenwände aus den beiden Kabinendecks entfernt. So haben die Mechaniker Zugang zur Struktur, die beim Zwölf-Jahres-Check gründlich auf Korrosion unter die Lupe genommen wird. Sitze, Galleys und Lavatories kommen derweil in eigene Werkstätten, wo sie aufgearbeitet und für den Wiedereinbau vorbereitet werden. Beispielsweise werden die Sitzbezüge gereinigt oder erneuert, auch die Sitzpolster werden ausgetauscht. "Was den Zwölf-Jahres-Check bei der A380 unterscheidet von anderen Flugzeugmustern: Das Arbeitspaket enthält recht umfangreiche Modifikationen, insbesondere an der Struktur, am Flügel", erklärt Janke. Ein Beispiel: Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA hat im Mai 2023 eine Lufttüchtigkeitsanweisung herausgegeben, die zur Inspektion des äußeren Hilfsholms ("Outer Rear Spar") der Tragflächen verpflichtet. "Das ist ein Materialthema, bei dem Materialversprödung zu Rissen führt. Es scheint auch davon abzuhängen, wie das Flugzeug während der Pandemie geparkt worden ist, in welchem Umfeld, welche Klimabedingungen es dort gab", sagt Janke. Je nach Befund kommen vorgeschriebene Reparaturverfahren zum Einsatz – "das geht vom Bohren eines Lochs, um die Wanderung des Cracks zu verhindern, bis zum Einbau eines Moduls, um diesen Bereich zu verstärken." Was bei der D-AIMC nötig war, sagt Janke nicht.

"Release to Service"

Auch die vier Rolls-Royce Trent 900 werden vom Flügel abmontiert, damit die Mechaniker die Tragflächen und die Triebwerksaufhängungen genauer untersuchen können. Die Triebwerke selbst durchlaufen entsprechend ihrer verbleibenden Lebensdauer nur eine kleinere Inspektion. Die Struktur wird mit zerstörungsfreien Verfahren durchgecheckt. Die "Outer Rear Spar"-Inspektion wird beispielsweise mit Ultraschall durchgeführt, Höhen- und Seitenleitwerk werden thermografisch untersucht. "Es kann aber auch eine ‚visual inspection‘ sein", erklärt Janke. Wenn die Strukturinspektion abgeschlossen ist, wird die aufgefrischte Kabineneinrichtung eingebaut. "Dann kommen wir in die Phase, in der die Systeme wieder aktiviert und auf Funktionstüchtigkeit getestet werden", sagt Janke. Nach dem Bodencheck, wenn auch dokumentenseitig alle Arbeiten beendet sind, gibt LTP das Flugzeug mit einem sogenannten Release to Service frei. "Das Flugzeug ist dann aus unserer Sicht wieder flugfähig", so Janke. Am Ende des Zwölf-Jahres-Checks führt ein Lufthansa-Pilot mit der D-AIMC noch einen "Maintenance Check Flight" durch. Am 17. Februar kehrt die frisch überholte A380 zurück nach Frankfurt, seit dem 12. März ist sie wieder im Dienst.

Lufthansa/Oliver Roesler

Ein Zweiter D-Check 2036?

Noch im Februar rückt die nächste Lufthansa-A380, D-AIMH, in Manila für einen Zwölf-Jahres-Check nach. "Wir versuchen, schneller zu werden, auch eine Lernkurve zu durchlaufen", sagt Janke. Die Synchronisation der einzelnen Arbeiten soll beispielsweise verbessert werden. Mit der "Mike Alpha" und der "Mike Bravo" sind dieses Jahr noch zwei weitere Lufthansa-Riesen für das größte Überholungsereignis auf den Philippinen eingeplant. LTP sei bei der A380 sehr gut ausgelastet, sagt Janke. "Es ist eine kleine Flotte – wir sprechen über un- gefähr 220 Flugzeuge. Es ist eigentlich ein Nischenmarkt, wir sind aber in der Nische gut platziert." Und wer weiß, vielleicht kommen die D-AIMC und ihre Schwestern 2036 wieder nach Manila, für den nächsten Zwölf-Jahres-Check. Bei der A380 liegt das "Design Service Goal", so etwas wie die Lebensdauer eines Flugzeugs, bei 140 000 Flugstunden oder 19 000 Zyklen (ein Zyklus entspricht einem kompletten Flug mit Start und Landung). Die D-AIMC hatte vor ihrer Ankunft in Manila mehr als 42 000 Flugstunden und 4300 Zyklen auf dem Buckel. "Schon möglich, dass noch ein zweiter Zwölf-Jahres-Check durchgeführt wird", sagt Janke. "Es wäre ja schön."

Lufthansa Technik will aus starker Position weiter wachsen
Lufthansa Technik

Die verschiedenen Checks

In der Flugzeuginstandhaltung wird zwischen Line Maintenance (laufender Wartung) und Base Maintenance (Überholung) unterschieden. Unter Line Maintenance versteht man jene Arbeiten, die sicherstellen, dass ein Luftfahrzeug für einen geplanten Flug tauglich ist. Dazu gehören beispiels- weise Kontrollen der Betriebsstoffe und die Über- prüfung von Rädern und Bremsen. Aber auch kleinere Reparaturen werden im Rahmen der Line Maintenance, oft über Nacht, durchgeführt. Die Base Maintenance hingegen umfasst komplexere und arbeitsintensivere Aufgaben, für die das Flugzeug aus dem laufenden Betrieb genommen werden muss. Wartungsaufgaben mit ähnlichen Intervallen wurden früher zu Arbeitspaketen zusammengefasst (sogenannte Letter-Checks). Heute werden die verschiedenen Aufgaben eines größeren Checks meist auf mehrere kleinere aufgeteilt.

• Die Light Maintenance (A-Check) findet je nach Flugzeugmuster etwa alle 250 bis 1000 Flugstunden im Rahmen der Line Maintenance statt. Dabei werden beispielsweise Filter gewechselt, die Notfallausrüstung überprüft und wichtige Systeme wie Hydraulik und Fahrwerke kontrolliert.

• Der Base Check (C-Check) wird alle ein bis drei Jahre durchgeführt. Dabei werden Struktur und Außenhülle inspiziert und Systeme gecheckt. Auch eine gründliche Reinigung gehört dazu. Der C-Check und alle nachfolgenden zählen zur Base Maintenance.

• Beim Sechs-Jahres-Check (First Heavy Maintenance Visit) wird das Flugzeug intensiv auf Korrosion untersucht. Auch die Flügel werden genau unter die Lupe genommen. Dafür muss ein Flugzeug etwa zwei bis vier Wochen in die Werft, ein Airbus A320 beispielsweise erfordert laut Lufthansa Technik eine niedrige bis mittlere vierstellige Zahl an Arbeitsstunden.

• Der Zwölf-Jahres-Check (Second Heavy Maintenance Visit oder D-Check) ist das größte Überholungsereignis im Leben eines Flug- zeugs. Es wird bis auf die Grundstruktur freigelegt, die Triebwerke werden abgenommen, das Fahrwerk wird gewechselt. Nach Angaben von Lufthansa Technik schlägt ein D-Check an einer A320 mit einer hohen vierstelligen bis niedrigen fünfstelligen Anzahl von Arbeitsstunden zu Buche. Je nach Flugzeugtyp kostet ein D-Check mehrere Millionen Euro.