Alle zwei Sekunden hebt irgendwo auf der Welt ein Flugzeug ab, das von CFM56 des amerikanisch-französischen Gemeinschaftsunternehmens CFM International angetrieben wird. Bis heute wurden mehr als 31 000 der Triebwerke ausgeliefert, allein 2016 waren es etwa 1700. Dass die Boeing 737 und die A320-Familie von Airbus zu Kassenschlagern wurden, ist nicht zuletzt das Verdienst des CFM56. Dabei stand das ambitionierte Programm Anfang der 1970er Jahre beinahe vor dem Aus, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte.
Im Juni 1971 suchte der staatseigene französische Triebwerkshersteller Snecma (heute Safran Aircraft Engines) einen internationalen Partner, um den zivilen Turbofan M56 in der Schubklasse von 90 bis 100 Kilonewton zu entwickeln. Das Triebwerk sollte das JT8D (unter anderem Boeing 727, Boeing 737 und DC-9) von Pratt & Whitney ablösen und ein mehr als doppelt so großes Nebenstromverhältnis haben. Trotz bestehender Geschäftsbeziehung zu Pratt & Whitney entschied sich Snecma im November 1971 für eine Partnerschaft mit dem Konkurrenten General Electric. Ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung spielte sicher die außergewöhnliche Verbindung zwischen den beiden Unternehmenschefs Gerhard Neumann (General Electric Aircraft Engine Group) und René Ravaud (Snecma).
Noch bevor offiziell ein Joint Venture gegründet wurde, teilten die beiden Unternehmen die weiteren Entwicklungsarbeiten und die künftige Produktionsverantwortung auf. Während Snecma das Bläsermodul, die Niederdruckturbine und das Hilfsgetriebe übernehmen wollte, sollte GEs Beitrag das Kerntriebwerk seines F101 sein, das auch im B-1-Bomber eingesetzt werden sollte. Endmontagelinien sollten sowohl in den USA als auch in Frankreich aufgebaut werden. Der Name des neuen Triebwerks kombinierte die ursprüngliche Snecma-Projektbezeichnung M56 mit dem Präfix CF (Commercial Fan), den GE für sein bis dato einziges kommerzielles Turbofan-Triebwerk CF6 verwendete.
Doch es gab Schwierigkeiten mit dem US-Außenministerium, dem Verteidigungsministerium und der CIA. GEs Antrag auf Exportlizenz wurde abgelehnt, wegen „möglicher Gefährdung sensibler Technologien“. Das Verteidigungsministerium hielt die Preisgabe der Kühlungstechnologie, der Werkstoffe und des Designs von Turbine und Verdichter für ein „nationales Sicherheitsproblem“. Das Pentagon bemängelte zudem, dass die USA wirtschaftlich nichts von dem Projekt hätten.
Erst nachdem GE und Snecma es geschafft hatten, das Thema auf die Agenda des amerikanischen und französischen Präsidenten, Richard Nixon und Georges Pompidou, zu bringen, konnte der Konflikt gelöst werden. Am 30. Mai 1973 gab es schließlich von den höchsten Stellen grünes Licht für das Projekt. Allerdings galten für die Snecma-Mitarbeiter strenge Regeln: Sie durften offiziell keine Designdetails des Kerntriebwerks erfahren. Bis 1978 wurde dieser Teil in Frankreich von GE-Mitarbeitern mit den Komponenten des Niederdrucksystems zusammengebaut.
Im Juni 1974 unterzeichneten GE und Snecma eine Vereinbarung zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem Namen CFM International. Trotz der zuvor herrschenden Unsicherheit über die Weiterführung des Programms hatten sowohl Snecma als auch GE die Entwicklung ihrer Komponenten vorangetrieben, und so konnten bereits am 20. Juli 1974 die Bodenläufe mit dem ersten Testtriebwerk auf GE-Prüfstanden in Evendale und Peebles in Ohio beginnen. Ab Anfang 1975 fanden parallel dazu Bodentests mit einem zweiten Triebwerk in Villaroche, Istres und Saclay in Frankreich statt. Zum ersten Flugtest startete das CFM56 am 16. Februar 1977 am Prototyp der McDonnell Douglas YC-15, eines Transportflugzeugs für die US Air Force. Einen Monat später, am 17. März 1977, hob Snecmas fliegender Teststand, eine Sud Aviation Caravelle, zum ersten Mal mit einem CFM56 von europäischem Boden aus ab. Die Ergebnisse der Boden- und Flugerprobung bestätigten oder überstiegen die frühen Leistungsgarantien, und die Entwicklungsarbeiten gingen trotz der Verteilung der Teams auf die USA und Frankreich schneller voran als geplant.
Es fehlten Kunden
Doch es gab ein Problem: Es fehlten Kunden für das neue Triebwerk. Zwei Wochen vor Ablauf einer von GE und Snecma intern festgelegten Frist, zu der die Finanzierung des Programms schließlich eingestellt werden sollte, kam die Erlösung: United Airlines entschied sich am 29. März 1979 für die Neumotorisierung ihrer Douglas DC-8-61 mit CFM56-2C. Es folgten Aufträge von Delta Air Lines und Flying Tigers. Das amerikanisch-französische Zweiwellentriebwerk war zwar pro Exemplar knapp eine halbe Million Dollar teurer als der überarbeitete Konkurrenzantrieb JT8D-200 von Pratt & Whitney, doch das CFM56 war um etwa 30 Prozent leiser, als es die Lärmregularien der US-Luftfahrtbehörde FAA für neue Flugzeuge vorsahen, und verbrauchte dank des hohen Nebenstromverhältnisses von 6:1 bis zu 20 Prozent weniger Treibstoff als ältere Triebwerke – in Zeiten der Ölkrise und der aufkommenden Diskussionen über Fluglärm zwei unschlagbare Argumente. Die erste neu motorisierte DC-8-71 ging am 24. April 1982 in den Liniendienst.
Seine eigentliche Bestimmung fand das ursprünglich für Kurz- und Mittelstreckenjets gedachte CFM56 Anfang der 1980er mit der Boeing 737-300 und der A320-Familie von Airbus. CFM hatte bereits für eine Fokker-Studie eine Version mit einem verkleinerten CF6-80-Bläser mit einem Durchmesser von 1,5 Metern entworfen. Dadurch sank zwar das Nebenstromverhältnis auf 5,1:1, allerdings war das Triebwerk auch leichter, was wiederum den Verbrauch senkte. Um das CFM56-3 unter die niedrigen Flügel der 737 zu bekommen, wurde die Aufhängung freitragend nach vorne ausgelegt, das Hilfsgetriebe an der Seite angebracht und der Lufteinlass unten abgeflacht – noch heute ein Markenzeichen der 737. Für die A320 entwickelte CFM mithilfe numerischer Strömungssimulation für das CFM56-5 einen komplett neuen Bläser mit einem Durchmesser von 1,73 Metern, zudem erhielt der Antrieb eine autonome, digitale Triebwerksregelung (FADEC). Zusammen mit weiteren Verbesserungen sollte der spezifische Treibstoffverbrauch gegenüber früheren Varianten um acht Prozent niedriger sein.
Und die Erfolgsgeschichte dauert an, obwohl der Nachfolger LEAP 2016 in Dienst gegangen ist. Die Nachfrage nach dem CFM56 ist nach wie vor groß, es liegen noch knapp 2000 Bestellungen vor. Auch wenn die Produktionsrate sukzessive zugunsten des LEAP zurückgefahren wird, will CFM noch bis 2045 Ersatzteile für seinen Bestseller produzieren.
FLUG REVUE Ausgabe 12/2017