Blockchain: Digitale Geburtsurkunde für jedes Flugzeug-Teil

Blockchain in der Instandhaltung
Eine digitale Geburtsurkunde für jedes Bauteil

Zuletzt aktualisiert am 08.11.2023
Eine digitale Geburtsurkunde für jedes Bauteil
Foto: mit KI erstellt

Tausende Ersatzteile mit gefälschten Dokumenten im Umlauf: Der Skandal um AOG Technics hält die Luftfahrtbranche seit dem Sommer in Atem. Der kleine britische Händler soll in großem Stil Bauteile mit falschen Lufttüchtigkeitszertifikaten für CFM56- und CF6-Triebwerke verkauft haben. Fieberhaft durchforsten Airlines, Instandhaltungsdienstleister und Luftfahrtbehörden ihre Unterlagen, um die verdächtigen Teile aufzuspüren und zu isolieren. Ein aufwändiger Prozess, denn so etwas wie ein globales, digitales Tracking-System für Triebwerks- oder Flugzeugbauteile gibt es nicht.

Eine Möglichkeit, in Zukunft solche Vorfälle zu verhindern oder zumindest besser nachvollziehbar zu machen, liegt in der Blockchain-Technologie. Blockchain ist im Prinzip eine dezentrale Datenbank. Sie beginnt mit einem Ursprungsblock an Daten, an den immer neue Datensatz-Blöcke chronologisch angehängt werden – nach Überprüfung und Bestätigung. Diese Blöcke sind im Nachhinein nicht oder nur sehr schwer manipulierbar. Auf die Luftfahrt übertragen könnte Blockchain als eine digitale Geburtsurkunde für jedes Bauteil dienen, das in einem Flugzeug installiert wird. Mit jeder Wartungsmaßnahme oder Reparatur wird es um einen Datensatz-Block aktualisiert.

"Blockchain ist ein digitales Gemeingut, das niemandem und allen gehört. Jeder ist ein potenzieller Prüfer", sagt Brendan McKittrick, der in Dubai ansässige CEO und Gründer von Aerobloc. Ziel von Aerobloc ist es, ein umfassendes KI-/Blockchain-basiertes "Internet der Luftfahrt" aufzubauen. Mit "jeder" und "alle" meint McKittrick die an der Instandhaltung beteiligten Parteien, also Hersteller, Zulieferer, Fluggesellschaften, Flughäfen, Leasing-Unternehmen, Dienstleister, Luftfahrtbehörden.

Datenfälschung schwierig

"Alle stimmen zu, dass ein Bauteil bei seiner Herstellung eine Geburtsurkunde bekommen sollte. In diesem System würde jede Bewegung, jede spätere Modifikation, jeder Zyklus aufgezeichnet", sagt McKittrick. Der Vorteil: Selbst, wenn eine Blockchain zum Zwecke einer Datenfälschung infiltriert würde, könnten die Spuren nicht gelöscht werden. "Blockchain würde die Fälschung aufzeichnen", so McKittrick.

Die entsprechenden Daten – zum Beispiel Handbuch, Service Bulletins, Wartungsprotokoll, EASA Form 1 – werden nicht als Ganzes in der Blockchain hinterlegt, sondern als sogenannter Hash. Das ist ein numerischer Wert, der den eigentlichen Inhalt abbildet. Die Blockchain könnte über sogenannte NFTs (non-fungible token), einmalige und nicht teilbare Kryptowerte, mit dem physikalischen Bauteil verbunden werden. "Man kann den Token online mit der Erstellung der Zertifizierung für dieses Teil verknüpfen und den Nachweis der Überwachungskette erbringen", sagt McKittrick. So würde ein einzigartiger digitaler Zwilling entstehen, der auch getrackt werden kann.

Allerdings gibt es noch etliche Hürden für die Einführung von Blockchain in der Luftfahrt-Instandhaltung. Blockchain könnte künftig Mittelsmänner oder Drittparteien ersetzen, die bisher Lösungen für Probleme der Beteiligten anbieten und bedroht damit Geschäftsmodelle. "Das erzeugt mittelfristig Widerstand", gibt McKittrick zu. Und anders als beispielsweise bei der Kryptowährung Bitcoin, die mit wenigen Teilnehmern angefangen hat und immer weiterwächst, müssten bei einem System für den MRO-Bereich (Maintenance, Repair, Overhaul) laut McKittrick sämtliche Akteure von Anfang an mitmachen. "Blockchain erfordert Partizipation", sagt er. Das ist aber gar nicht so einfach, wenn die Akteure zum Teil miteinander konkurrieren.

Blockchain könnte Kosten reduzieren

"Man muss den Wert [von Blockchain; d. Red.] demonstrieren, vor allem in finanzieller Hinsicht", sagt McKittrick. Nach Schätzungen der Unternehmensberatung PwC aus dem Jahr 2019 könnte Blockchain die MRO-Kosten global um 3,5 Milliarden US-Dollar senken und gleichzeitig die Umsätze der Industrie um 40 Milliarden US-Dollar steigern.

Aerobloc will 2024 ein "Minimal Lovable Product", eine voll funktionsfähige Version seiner Blockchain-Technologie, veröffentlichen. Das System soll treuhänderisch geführt werden und der Industrie gehören. Das soll Vertrauen schaffen. Aerobloc will sich durch niedrige Nutzungsgebühren selbst tragen und unterstützt neue Anwendungen, die bestehende Software in den beteiligten Unternehmen ablöst.

Vielleicht erhöht das jüngste Fiasko um globale Triebwerksbauteile mit gefälschter Dokumentation den Willen der Industrie, neue Lösungen anzugehen. McKittrick ist überzeugt: "Blockchain ist eine Technologie, die sich nur langsam durchsetzt, aber sehr wirkungsvoll ist und mit Sicherheit gekommen ist, um zu bleiben."