Mit der Erfindung der Uhr wurde den Menschen der Wunsch erfüllt, die Zeit des Tages in möglichst gleiche Abschnitte zu unterteilen. Demfolgte im 19. Jahrhundert das Bestreben, kurze Zeitabläufe, unabhängig von der Uhrzeit, zu messen und sogar aufzuzeichnen, später zum Beispiel einen Flug von A nach B. Dafür haben uns erfindungsreiche Uhrmacher mit einem so praktischen Gerät wie dem Chronographen beglückt, bei dem die Kurzzeitmessung buchstäblich auf Knopfdruck erfolgt.

Blick in den Maschinenraum einer Junghans Pilot Chronoscope.
Die Geschichte des Chronographen
Der Begriff Chronograph entstammt dem Griechischen und wird aus Chronos (Zeit) und Graphô (ich schreibe) gebildet. Nun wird man zu Recht einwenden, dass der Begriff Chrono-"Graph" für heutige Armbanduhren mit integrierter Stoppuhr nicht mehr zutreffend ist, denn geschrieben oder aufgezeichnet wird mit diesen Uhren nichts. Man kann die gestoppte Zeit nur ablesen, weshalb beispielsweise Junghans seine Kurzzeitmesser korrekterweise Chronoscope nennt (skopein: anschauen/betrachten). Der erste Chronograph war tatsächlich ein Zeitschreiber. Der französische Uhrmacher Rieussec entwickelte um 1820 eine Uhr, die mit einem am Zeiger befestigten Tintenstift auf ein Blatt schrieb, wenn ein Mechanismus betätigt wurde. Im Jahre 1831 stellte der aus Österreich stammende Uhrmacher Joseph Thaddäus Winnerl, ein ehemaliger Mitarbeiter des 1823 verstorbenen Uhrmacher-genies Abraham Louis Breguet, eine Uhr vor, deren Sekundenzeiger sich unabhängig vom Gang des Uhrwerkes beliebig oft anhalten und in Gang setzen ließ. Ein entscheidender Nachteil seiner Konstruktion war die äußerst langsame Rückkehr des Sekundenzeigers auf den Nullpunkt nach Beendigung einer Messung. Dieses Problem erledigte sich im Jahre 1862, als Adolphe Nicole aus dem Vallée de Joux,nahe Genf in der französischsprachigen Schweiz, den ersten Chronographen mit schlagartig rückstellbarem Zeiger entwickelte. Nicole setzte dazu auf die Welle des Sekundenzeigers eine herzförmige Kurvenscheibe. Bei der Rückstellung des Chronographenzeigers auf Null schnellte ein von einer Feder beschleunigter Hebel seitlich gegen diese Kurvenscheibe, die bis heute nahezu unverändert ist und wegen ihrer charakteristischen Form bei Uhrmachern nur "das Herz" genannt wird. Das Herz dreht sich beim Auftreffen des "gewalttätigen" Hebels schlagartig soweit, bis die "Herzschenkel" flach an diesem Hebel, dem Herz-hebel, anliegen.

Diese Explosionszeichnung zeigt ein integriertes Chronographenwerk des Schweizer Herstellers TAG Heuer.
So funktioniert der Chronograph
Der Chronographenmechanismus steht im Alltag still. Für die Anzeige der Zeit sorgt ausschließlich das laufende Uhrwerk. Um die Kurzzeitmessung zu starten, muss also der Chronograph mit dem Uhrwerk verbunden und zum Stoppen wieder getrenntwerden. Dazu benötigt man eine Kupplung. Den Antrieb liefert das sich permanent drehende Sekundenrad. Das Chronographenwerk ist bei klassischer Konstruktion auf der hinteren Räderwerksbrücke, also außerhalb des eigentlichen Uhrwerkes, untergebracht. Eine gängige Methode der Kraftübertragung ist es, die Welle des im Uhrwerk drehenden Sekundenrades mit zwei langen Zapfen auszustatten. An der Zifferblattseite des Uhrwerkes ist ein solcher ohnehin vorhanden und trägt den kleinen Sekundenzeiger. Auf dem zweiten langen Zapfen, der aus der rückwärtigen Räderwerksbrücke herausragt, befestigt man mit Klemmsitz, also abnehmbar, das Mitnehmerrad. Dieses hat im Gegensatz zu den Rädern des eigentlichen Uhrwerks dreieckige Zähne. Die weitere Kraftübertragung verläuft nun über den – in Uhrwerken ungewöhnlichen – Eingriff zweier Räder ineinander. Üblich ist der Eingriff eines Rades in einen Trieb. Das externe, auf der Sekundenradwelle sitzende Mitnehmerrad greift in ein weiteres Radmit gleicher Verzahnung,das sogenannte Kupplungsrad,das auf einem beweglichen Hebel sitzt, der Kupplung. Die Kupplung kann sich über der hinteren Räderwerksbrücke ein kleines Stück um eine Schraube drehen. Eine zweite Schraube mit großem Kopf und daruntersitzendem Ansatz, die durch ein ovales Loch in der Kupplung im Werkgestell verschraubt ist, bestimmt dabei den Bewegungsspielraum. Ein Federchen, die Kupplungsfeder, drückt die Kupplung in Richtung Werkmitte. Dabei kommt das auf ihr sitzende Kupplungsrad mit dem Chronographen-Zentrumsrad in Eingriff, dessen Zähne nur halb so groß sind, aber die gleiche Form haben. Wird also der Startdrücker am Uhrengehäuse betätigt, löst sich der Blockierhebel. Im selben Moment bewegt sich die Kupplung zum Chronographen-Zentrumsrad hin, und das Kupplungsrad kommt mit diesem in Eingriff. Der Chronograph nimmt seine Kurzzeit-Messarbeit auf. Die Alternative zur Kupplung ist der sogenannte Schwingtrieb, den der Schweizer Uhrmacher Edouard Heuer Ende des 19. Jahrhunderts erfand. Dieser Mechanismus besteht aus einer Welle mit zwei verschiedenen Zahnkränzen, die einseitig permanent vom Uhrwerk angetrieben wird. Um den Eingriff ins Uhrwerk herzustellen oder wieder zu lösen, wird der Schwingtrieb leicht gekippt.

Laco nutzt für seinen Chronographen Kiel Sport ein individualisiertes Chronographenwerk des Schweizer Herstellers Sellita.
Gesteuerter Herzschlag
Letzter Schritt des Messvorgangs ist die Nullstellung. Der zweite Gehäusedrücker tritt in Aktion und drückt gegen den Nullsteller. Der Blockierhebel muss vom Chronographen-Zentrumsrad gelöst werden, der dieses sichert, wenn es nicht mit dem Kupplungsrad im Eingriff ist. Der Herzhebel wird ausgelöst und von der Herz-hebelfeder ruckartig gegen die Herzen auf dem Zentrumsrad und am Minutenzählrad geschleudert. Die Räder drehen sich ruckartig auf ihren Nullpunkt und bleiben dort, fixiert von den Schaltflächen des Herzhebels, stehen. Diese Schaltvorgänge finden im Bruchteil einer Sekunde statt, aber mitnichten gleichzeitig. Die Einstellung der Räder und Hebelchen sowie deren Eingriffe zueinander erfolgt, indem exzentrische Schrauben gedreht und dadurch die Abstände der Teile zueinander verändert werden. Diese Justierarbeit erfolgt unter starker Vergrößerung, vorzugsweise mit einem Mikroskop.
Natürlich hat sich auch die Technik der Chronographen erheblich weiterentwickelt. In den letzten zehn Jahren hat es vor allem aus Kostengründen diverse Entwicklungen von Chronographenmodulen gegeben, die auf die Zifferblattseite des Uhrwerkes aufgesetzt werden. Dabei ist zum Bedauern der Freunde des klassischen Chronographen das eine oder andere liebenswerte Detail der vereinfachten Montage zum Opfer gefallen. Zu diesen Details gehört das Schaltrad, das aber im Zuge der Rückbesinnung auf die aufwendige Konstruktion früherer Chronographen in letzter Zeit bei neu entwickelten Werken wieder anzutreffen ist.

Das Heuer-Kaliber 11 ist eines der ersten Automatik-Chronographenwerke.
Der Schaltrad-Chronograph
Nun gab es schon immer Chronographen ohne Schaltrad, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten den aufwendigeren Konstruktionen mit Schaltrad vorzuziehen sind. Immer waren aber die Chronographen auf der Werkrückseite montiert. Die Säulenrad-Technik, auch als Schaltrad oder Kolonnenrad bezeichnet, gilt nach wie vor als die Luxusklasse unter den Chronographenmechanismen. Der Begriff Kolonnenrad leitet sich von dem französischen Wort "colonne" (Säule) ab, weshalb man auch von "Säulenrad-Chronographen" spricht. Vom Säulenrad (Uhrenenthusiasten sprechen meist vom "Schaltrad"), hängen alle anderen Schaltvorgänge im Stopp-Mechanismus der Uhr ab. Bei dieser Konstruktion stehen die "Kolonnen" – wie Aktenordner auf einem Drehregal – senkrecht auf einem Rad mit Sägeverzahnung auf der Räderwerksbrücke des Chronographen. Vom Säulenrad hängen alle anderen Schaltvorgänge im Stopp-Mechanismus der Uhr ab. Bei Betätigung des Startdrückers, der am Gehäuse bei der 2 sitzt, erteilt der Starthebel dem Schaltrad den Befehl: "Um einen Zahn weiterdrehen." Zur Befehlsausführung greift ein kleiner Haken am Starthebel zwischen die Sägezähne des Schaltrades und zieht dieses um einen Zahn weiter, wobei sofort eine kräftige Blockierfeder die neue Position fixiert. Dabei muss ein Taster der Kupplung, mit der die Verbindung zum Räderwerk hergestellt wird, abwechselnd zwischen den dreieckigen Säulen "einrasten" oder "ausrasten." Erhält die Kupplung nun den Befehl "einrasten", rutscht sie mit ihrem Taster in die Lücke zwischen zwei der meistens sieben dreieckigen Säulen auf dem "Säulenrad". Dadurch wird die Verbindung zwischen den Rädern des Uhrwerkes und dem Chronographenwerk hergestellt. Betätigt man erneut den Startdrücker, wiederholt sich der erste Teil der Operation, der Taster der Kupplung wird allerdings diesmal von einer der Dreieckssäulen hochgehoben und löst den Eingriff zwischen dem Kupplungsrad und dem Chronographen-Zentrumsrad. Die Chronographenzeiger bleiben, aufgrund der nun einsetzenden Wirkung von Blockierhebel und Minutenzählrad-Feder, in der gegenwärtigen Position stehen, und die anschließende Betätigung des Drückers bei der 4 lässt alle Chronographenzeiger auf Null springen. Damit ist der Chronograph wieder startbereit – für den nächsten Flug oder einfach dafür, nach Sunset die optimale Garzeit des Grillgutes zu kontrollieren.